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Die Parteichefs und ihre Eltern

Zwei, die mögen, wenns brummt

Autos und klassische Musik – das sind nur einige Dinge, die FDP-Präsident Thierry Burkart und seine Mutter ­Beatrice Burkart verbinden. Welche Sprüche er als Kind machte und was er von ihr lernte.

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Wahlextra Wahlextra mit Thierry Burkart.

«Jetzt heissts dann wieder, ich sei ein Transatlantiker», sagt Thierry Burkart. Der amerikanische Willys Jeep wurde im Zweiten Weltkrieg eingesetzt.

Corinne Glanzmann

Thierry Burkart (48) sitzt in seinem Willys Jeep und dreht den Zündschlüssel. Das Gefährt mit Baujahr 1944, welches die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg in der Normandie zur Befreiung Europas einsetzten, rattert – und stellt wieder ab. «Musst du nicht noch die Benzinzufuhr pümpelen?», fragt Beatrice Burkart (78). «Mami, du bist gut, das habe ich glatt vergessen.» Kurz darauf brummt der Motor laut und kräftig, Thierry Burkart strahlt und fährt den 65 PS starken Geländewagen, den er von einer grossen Gruppe Freunde geschenkt bekommen hat, vor die Garage seines Hauses in Lengnau AG, wo er seit 2021 mit seiner Partnerin Janine und ihren beiden Jungs im Alter von 13 und 15 Jahren lebt.

«Die Liebe zu besonderen Autos und zur Mobilität teilen wir», sagt Beatrice Burkart. So schenkte sie ihrem Sohn zum 13. Geburtstag Tickets fürs Formel-1-Rennen in Monza (I). «Ich war ein riesiger Fan von McLaren-Fahrer Alain Prost. Doch genau bei diesem Rennen gewann Ferrari», erinnert er sich.

Im Elektro-Audi fährt Burkart seine Mutter nach Baden, wo die pensionierte Pädagogin lebt. Er stellt die Musik leiser. «Das ist Iron Maiden, Mami – da war ich kürzlich am Konzert.» Sie zuckt mit den Schultern. «Kenne ich nicht.» Aber bei klassischer Musik würden sie sich finden. «Wir gehen immer wieder zusammen ins Opernhaus, gell Bueb.» Er nickt und sagt: «Nur Mozart mag ich nicht. Der lief bei uns früher immer am Sonntagmorgen.»

«Politik ist meine Leidenschaft. Mit dem Mami muss ich nicht auch noch darüber reden»

Thierry Burkart
Wahlextra Wahlextra mit Thierry Burkart.

«Thierry war ein aufgewecktes KInd», sagt Beatrice Burkart über ihren Sohn. Hier bei einem Picknick 1985, er ist damals zehn Jahre alt.

Corinne Glanzmann

Alleinerziehende Mutter

Beatrice Burkarts Eigentumswohnung ist luftig, hell – und sehr aufgeräumt. «Ich sagte früher mal: Mami, wir wohnen nicht im Museum. Heute bin ich genauso ordentlich», sagt er und lacht. «Thierry machte immer gern Sprüchli. Er war ein aufgewecktes, pflegeleichtes Kind», sagt sie. Aufgewachsen ist Burkart mit seiner sechs Jahre älteren Schwester Déborah in Kirchdorf AG im Limmattal in einem «Küngelistall»-Reihenhaus. Mit kindlicher Freude erzählt er vom Briefkasten aus Holz, durch den er manchmal ins Haus geklettert ist. Die Siedlung sei voll mit Kindern gewesen, zum Aufwachsen perfekt. «Wenn Thierry Hausaufgaben machte, musste ich den Vorhang ziehen, sonst stand immer ein Freund vor dem Fenster», erzählt sie.

Beatrice Burkart zieht die beiden Kinder alleine auf. Thierry ist drei Jahre alt, als der Vater die Familie verlässt und zurück in seine Heimat Italien geht. Den fünf Jahre älteren Sohn nimmt er mit. Heute wäre diese Kindesentführung ein Fall für das Haager Abkommen, damals konnte man nicht viel tun. «Ich habe es überhaupt nicht kommen sehen. Diesen Verlust zu verarbeiten, war schwierig», sagt sie.

Er wiederum kann sich kaum an seinen Vater, der inzwischen verstorben ist, erinnern. Mit dem Bruder – einem Künstler, der im Piemont lebt – haben er und seine Mutter bis heute Kontakt. «Natürlich wurde ich immer wieder damit konfrontiert, dass meine Familiensituation anders ist. Doch mir hat es dank meiner Mutter an nichts gefehlt.»

Wahlextra Wahlextra mit Thierry Burkart.

Immer noch sehr aktiv. Beatrice Burkart zu Hause in Baden. Sie tanzt Modern Dance und fährt Velo. «Wir mögen beide das Tempo.»

Corinne Glanzmann

«Ausmalen, so eine blöde Aufgabe!»

Sie wiederum habe schon Druck verspürt. «Ende 70er-Jahre herrschten für Alleinerziehende noch andere Zeiten.» Darum schaute Beatrice Burkart etwa stets, dass ihre Kinder anständig aufgetreten sind. Unterstützung bekam sie von ihren Eltern. «Mein Vater sagte schnell: Du schaffst das.» Für Thierry wiederum war der «Grosspapa» eine wichtige Bezugsperson. Während seine Mutter als Lehrerin arbeitete, brachte Grosspapa ihn in die Schule, Grossmama kochte Zmittag.

Den Respekt vor anderen, die in weniger privilegierten Situationen sind, lernte Burkart von seiner Mutter – und seinem Grossvater. Er, der Schulpflege-Präsident, der sich um die Eltern von lernschwachen Kindern kümmerte, der Gastarbeiter aus Italien betreute. «Bei den Grosseltern stand das Haus für alle offen, das fand ich schön.» Weil seine Mutter arbeitet, lernt Burkart früh, Verantwortung zu übernehmen. Etwa die Schulaufgaben zu machen, bevor er raus zum Spielen geht, seine Sachen aufzuräumen. Er sei ein guter, aber kein herausragender Schüler gewesen. «Am liebsten hatte ich Geschichte, da wurde ich teils auch politisiert. Franzwörtli lernen hingegen war nicht meins», sagt er. «Und ausmalen!», ergänzt Beatrice Burkart. «Da hast du jeweils zu Hause den Thek in die Ecke geknallt und gerufen: ‹Ausmalen, so eine blöde Aufgabe!›» Beim Lachen wird die Ähnlichkeit der beiden besonders sichtbar.

Obwohl Burkart aus einem FDP-Haus stammt – sein Urgrossvater war Kantons- und Regierungsrat der Freisinnigen in Zug –, war zu Hause die Politik nie ein grosses Thema. Bis heute nicht. «Politik ist meine Leidenschaft, aber mit meinem Mami muss ich nicht auch noch darüber reden.» Sie sei politisch weitgehend auf seiner Linie, sagt sie. «Es Bitzli mehr Frauenrechtlerin.» Apropos Frau: Burkarts Partnerin, die als medizinische Praxisassistentin arbeitet, sei eine ganz Tolle. «Einzig schade, gibts nicht noch mehr Enkel», sagt die bereits zweifache Grossmutter.

«Als alleinerziehende Mutter Ende der 70er-Jahre spürte ich schon Druck»

Beatrice Burkart
Wahlextra Wahlextra mit Thierry Burkart.

«Ich hatte eine unbekümmerte Kindheit – dank meiner Mutter», sagt Burkart. Gern erinnert er sich ans gemeinsame Skifahren.

Corinne Glanzmann

«Auch viel Seich gemacht»

Die Kandidatur für das Parteipräsidium vor zwei Jahren habe er mit ihr bei einem Zmittag besprochen. «Typisch Thierry, zeigte er mir genau auf, warum dies Sinn ergeben könnte und wie er sich organisieren würde. Er tat sich mit dem Entscheid schwer, wusste aber, dass er meine Unterstützung in jedem Fall hat.» Dass Burkart neben seiner Karriere als Rechtsanwalt auch politisch einen steilen Aufstieg hinlegte – vom Aargauer Grossrat zum Ständerat –, imponiert seiner Mutter. «Da steckt sehr viel Engagement dahinter.»

So fleissig sei er nicht immer gewesen, erzählt er. Im Internat in Immensee SZ, das er auf eigenen Wunsch besuchte, habe er auch viel «Seich» gemacht. Er hätte damals nie gedacht, dass er dort dereinst – im Jahr 2019 – die Maturarede halten werde. «Reden konntest du immer schon gut», sagt sie.

Auf der Rückfahrt nach Lengnau stellt Burkart das Radio ab. Er ärgert sich über einen aus seiner Sicht un-ausgewogenen Beitrag über die FDP. «Immer mal wieder heisst es, wir springen bei einem Thema wie etwa der Migration auf den Zug einer anderen Partei auf. Dabei gibts unseren Slogan ‹Hart, aber fair› seit zehn Jahren.» Statt Radio hört Burkart zurzeit sowieso lieber den Sound seines Willys Jeeps.

Jessica Pfister
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Von Jessica Pfister am 2. Oktober 2023 - 06:00 Uhr