Plötzlich leert sich der Red Carpet. Sicherheitsbeamte drängen die Fotografen und TV-Teams zurück. Dann steigt sie aus der wartenden Limousine und schreitet gemessenen Schrittes durch die Galerie in Richtung Piazza Grande. Kurz hält sie inne, posiert vor dem Schriftzug «76. Locarno Film Festival». Stumm. Dann ist sie wieder weg. Der flüchtige Auftritt von Frankreichs legendärer Filmdiva Isabelle Adjani ist der eine «Glamour-Moment» des diesjährigen Filmfestivals.
Der andere ist der legere Auftritt von Bundespräsident Alain Berset. Mit schwarzer Sonnenbrille, Strohhut und weit aufgeknöpftem Hemd könnte man ihn glatt zu den Original Blues Brothers zählen, die ebenfalls nach Locarno gereist sind. Dem Kulturminister macht es Spass, noch einmal die Aura des höchsten Politleaders der Schweiz auszustrahlen und gleichzeitig schon die Zeit danach zu inszenieren. Ende Jahr geht der Bundesrat in Pension und wird künftig als Privatperson Locarno geniessen. Mit ihm verlässt auch ein anderer grosser Leader das Rampenlicht des Festivals: Nach 23 Jahren reicht Festivalpräsident Marco Solari den Stab weiter an die designierte Präsidentin Maja Hoffmann – die aber zuerst gewählt werden muss und sich daher nicht offiziell am Festival zeigt.
Woher Solari mit seinen 78 Jahren noch die Energie aufbringt, jeden Tag an mehreren Empfängen präsent zu sein und launige Reden zu halten? «Viel Disziplin, keine Partys und die Unterstützung meiner Frau Michela, die ein ganzes Leben im Hintergrund war, ohne die ich aber all das nie hätte leisten können.» Hollywood streikt. Darum fehlen die Stars aus den USA. Eine Chance für Schweizer Filmschaffende und Kreative, sich zu präsentieren. Regisseur Samir erzählt von seinem neuen Film «Working Class» über Schweizer Gastarbeiter, der nächstes Jahr ins Kino kommt. Viktor Giacobbo gesteht, dass er eigentlich an neuen Projekten arbeiten sollte, im Moment aber das «Prokrastinieren», das Aufschieben, geniesst. «Ich laufe erst zur Hochform auf, wenn die Deadline vorbei ist.» Und alt Bundesrat Moritz Leuenberger unterhält sich blendend mit der schillernden Tessiner Sängerin und Künstlerin La Lupa und gesteht, dass er manchmal selbst noch gerne schauspielerisch tätig sein würde.
«Filme sind identitäts- bildend für die Schweiz»
NATIONALRÄTIN TIANA ANGELINA MOSER
Bei Apéros und Dinners treffen sich Grössen aus Wirtschaft und Politik – zum Beispiel in der Casa Rusca, wo Felix Ehrat, Präsident des Leopard Club, private Unterstützer des Festivals verdankt. Auf der Rotonda hat die Mobiliar derweil einen Begegnungsort fürs jüngere Publikum geschaffen, wo Veronica Fusaro und die Band Pegasus live auftreten. «Gerne hätte ich noch einen Film gesehen», so Sänger Noah Veraguth. «Aber wir müssen weiter zum nächsten Festival.»
«Mein Film wird am Uno-Hauptsitz gezeigt»
Jacqueline Fritschi-Cornaz, Ihr Highlight am Locarno Film Festival?
Viele spontane Begegnungen mit Freunden, Kolleginnen und Kollegen – und die Filme auf der Grossleinwand.
Die Hollywood-Stars streiken. Eine Chance für den Schweizer Film?
Filmfestivals leben nicht nur von Stars. Aber ich verstehe deren Anliegen in den USA. Auch in der Schweiz haben Kulturschaffende in puncto Verdienst vergleichsweise immer noch einen schweren Stand.
Worauf freuen Sie sich als Nächstes?
Dass mein Film «Mother Teresa & Me», eine schweizerisch-indisch-britische Koproduktion, am 5. September, dem International Day of Charity und Todestag von Mutter Teresa, am Uno-Hauptsitz in New York gezeigt wird. Dann startet der Film in 800 US-Kinos, der Gesamterlös kommt der Zariya Foundation zugute.