Besonders eine Sache sticht in Tel Aviv hervor: Essen. Es ist hier tatsächlich zum Verrücktwerden, wie viel und oft und gut man hier auswärts isst. Tel Avivis – wie sich die Locals nennen – leben vor allem draussen. Das ist natürlich einfach, wenn man bedenkt, dass hier fast acht Monate im Jahr Sommer oder zumindest Frühling ist. Auch die kulturellen Umstände tragen Mitschuld, dass Essen zu einer Lieblingsaktivität der Einwohner gehört.
Das israelische Fernsehen platzt vor Kochsendungen. Und die sind spitzenmässig produziert, laufen zur Prime-Time und haben hohe Einschaltquoten. Die Chefköche des Landes werden hier wie Rockstars gefeiert. Da liegt es auf der Hand, dass in Israel während der letzten Jahre viele hochklassige Restaurants eröffnet haben. Aber sie sind nicht die Orte, an denen sich Tel Avivis herumtreiben. Die findet man in den zahlreichen Kaffees oder Essständen, welche die Stadt zu bieten hat. Jede Nachbarschaft hat da ihr Lokal, in dem man sich trifft und in jeder Nachbarschaft hat ein Chef einen Imbiss eröffnet, in dem man schnell, relativ günstig und gut einen Happen essen kann.
Während in der Schweiz ein Salat meist aus einer kleinen Schale mit verlassener Grünblätter und um Gnade flehenden Rüeblischnitzen besteht, sind Salate hier grosszügige Portionen mit Quinoa, Süsskartoffeln, Tahini, viel Gemüse und Nüssen. Dasselbe gilt für Sandwiches. Das sind hier nicht nur beschmierte Brote, sondern Mahlzeiten zwischen Carbs.
Die israelische Küche ist vielseitig. Die einen behaupten, Israel sei ein zu junges Land, um eine eigene Küche zu haben. Die anderen behaupten das Gegenteil. Fest steht, dass die israelische Küche heute eine Art Fusion-Kitchen ist. Die arabische Küche hat natürlich einen wesentlichen Einfluss: Hummus, Falafel, Fladenbrot... Die Liste ist lang.
Die einen arabischen Speisen waren bereits vor der Staatsgründung im einstigen Palästina da. Die anderen haben jüdische Einwanderer aus dem Irak, Iran, Jemen oder sonst woher mitgebracht. Berendsch, Kube, Jachnun... Hinzu kommen Speisen, welche europäische Einwanderer importierten oder Einwanderer aus Nordafrika, wie zum Beispiel das bekannte Schakschuka. Entstanden ist eine unfassbare Vielfalt, die vor allem auf lokalen Produkten basiert. Eine Vielfalt von Früchten- und Gemüsesorten wächst hier. Die trendy Avocado ist hier lokal. Zudem liegt das Land am Meer, was frischen Fisch für alle zugänglich macht. Und natürlich ist Olivenöl ein Hauptbestandteil der lokalen Küche.
Die Tatsache, dass Tel Aviv die Partymetropole des Nahen Ostens ist, macht die Stadt zu einem 24/7-Erlebnispark. Das führt auch dazu, dass man bis spät in die Nacht überall etwas Feines findet. Wer um elf Uhr nachts essen will, ist noch immer nicht spät dran.
Was in Tel Aviv vor allem zelebriert wird, ist das Frühstück. Vor allem am Freitag und Samstag platzen die Coffee-Shops aus allen Nähten. Gefrühstückt wird vorzugsweise salzig und nahrhaft. Das kleine Gipfeli mit Kaffee macht hier fast keiner. Stattdessen bestellt man sich eine grosszügige Portion und sitzt stundenlang, bis alle Teller leergeputzt sind.
Eine allgemeine Reise-Weisheit besagt, man solle lokales Essen dort geniessen, wo es die Bauarbeiter auch tun. Das gilt hier für den bekannten Hummus. Wer glaubt, diesen in einem Restaurant bestellen zu müssen, irrt. Hummus-Buden sehen meist provisorisch aus, mit Plastikstühlen und etwas verkommen. Es gilt: Stehen viele Menschen zur Mittagszeit Schlange, ist es ein guter Ort. Und: Hummus isst man am Mittag. Nie abends.
Wer in Tel Aviv hungrig oder kulinarisch unbefriedigt zu Bett geht, hat etwas falsch gemacht. Und wer schlecht gegessen hat, muss sich verirrt haben. Essen ist ein essenzieller Teil des Tel Aviver Lebensgefühls. Mein Glück...