Den Feldstecher an die Augen gepresst, steht Dan Lowe wie gebannt an der Reling des Promenadendecks Waterfront. Dieser Anblick sei das Highlight seiner Reise, sagt der 78-jährige Pensionär, als die bläulich schimmernde Glacier Bay näher kommt. «So was gibt es bei uns in Oregon definitiv nicht.» Beflissen macht er Fotos, während die «Norwegian Joy» abbremst und beginnt, sich um die eigene Achse zu drehen. Das Pirouetten-Manöver hat ein klares Ziel: Keiner der 4100 Gäste soll den Anblick des Margerie-Gletschers verpassen. «Und wissen Sie, was das Beste ist? Dank der Aussenbar habe ich immer ein Bud in der Hand, ohne dass ich etwas verpasse!» Lowe lacht und schüttelt den Kopf, als ihm ein Mitarbeiter wärmende Hühnerbouillon und Kaffee anbietet. Andere greifen freudig zu: Bei zwölf Grad und frostigem Wind kommt man schon mal ins Frieren. Erst recht in Flip-Flops: Amerikaner, so macht es hier den Anschein, tragen in den Ferien aus Prinzip Sommerklamotten. Und Amerikaner sind an Bord klar in der Überzahl …
Zwei Dinge werden einem auf der «Norwegian Joy», die derzeit ihre erste Sommersaison in Alaska bestreitet, schnell klar. Erstens: Neben dem Luxusliner der amerikanischen Reederei Norwegian Cruise Line spielt bei dieser Destination die Natur die zweite Hauptrolle. Schon in den ersten Tagen können die Gäste von Bord aus neben nicht enden wollenden Wasserfällen und mystischen Berglandschaften auch Buckelwale, Orcas und Adler sichten. Zweitens: Die Alaska-Kreuzfahrt, die wöchentlich in Seattle startet, ist vor allem beim einheimischen Publikum sehr beliebt. Im Durchschnitt stammen neunzig Prozent der Gäste aus den USA. So gleicht das Schiff auch einem amerikanischen Traum der unbegrenzten Möglichkeiten. Neben acht Spezialitätenrestaurants, Broadway-Shows, Casinos, einem Aqua-Park und dem Galaxy Pavilion mit Videospielen und Rennsimulatoren können die Gäste gegen einen Aufpreis auch Lasertag spielen und auf einer Kartbahn ihre Runden drehen – Meerblick inklusive.
Kein Wunder, mögen es die meisten Cruiser an Bord auch kulinarisch amerikanisch: Cagney’s Steakhouse (Tipp: Porterhouse-Steak mit Trüffelpommes!), «The Local» mit Live-Sportübertragungen (sehr beliebt: die Chicken Wings) sowie «The District Brew House» (über fünfzig Sorten Flaschenbier aus aller Welt) sind jeden Abend rappelvoll. Und noch ein Phänomen fällt auf: die hohe Dichte an Elektromobilen, mit denen Gehbehinderte oder Gehfaule sich auf dem Schiff von A nach B bewegen. Das sorgt bei den Fahrstühlen schon mal für Wartezeiten. Egal: So bleibt mehr Zeit für Small Talk und Geschichten …
Zum Beispiel jene über die alte «Norwegian Joy». Diese war nämlich nicht von Anfang an der Traum eines jeden amerikanischen Kreuzfahrers. Ursprünglich für den chinesischen Markt gebaut, wurde sie 2017 in Schanghai getauft. Wegen der grossen Nachfrage nach Alaska-Kreuzfahrten beschloss die Reederei nach zwei Jahren einen Transfer nach Nordamerika. Während zweier Monate wurde der Luxusliner für fünfzig Millionen Dollar dem westlichen Markt angepasst. Was bedeutet: mehr Bars und mehr Begegnungszonen, dafür weniger Casinos und Shoppingmöglichkeiten. So wird heute im einstigen «Teahouse» Bier gezapft, und das ehemalige «Noodle House» ist neu ein Gym. Zudem gibts zwei Starbucks-Filialen, die jedoch nicht im All-inclusive-Angebot mit drin sind – seinen Iced Vanilla Latte muss man also extra bezahlen. Neu hinzugefügt wurde auch die «Observation Lounge», die für das Schwesterschiff «Norwegian Bliss», welches ebenfalls in Alaska unterwegs ist, konzipiert wurde. Die Lounge mit ihrer riesigen Fensterfront am Bug des Schiffes bietet eine 180-Grad-Aussicht, Sessel und Sofas sowie eine bediente Bar. So kann man auch bei alaskatypischem Hudelwetter die Landschaft geniessen.
Im Foyer treffen wir eine, die das «Umstyling» der «Norwegian Joy» aus nächster Nähe miterlebt hat: Katrin Marx, 28, Réceptionistin und Gästebetreuerin der deutschsprachigen Kundschaft. Sie arbeitet seit neun Jahren für das Unternehmen und war während des Umbaus in Singapur mit an Bord. «Das war viel Arbeit. Sämtliche Dokumente waren auf Chinesisch. Wir mussten alles übersetzen und anpassen.» Zu Marx’ Aufgaben während der Reise gehört die tägliche Übersetzung der Bordzeitung «Freestyle Daily». Ab einer Anzahl von fünfzig deutschsprachigen Gästen führt sie auch ein Begrüssungs- sowie ein Ausschiffungstreffen durch. Der Österreicherin gefallen die kühleren Destinationen wie Alaska. Wenn sie die Möglichkeit hat, besucht sie in Juneau den Mendenhall-Gletscher und macht eine Wanderung. «Das empfehle ich auch immer unseren Gästen. Für mich ist dies – neben den schon fast obligatorischen Walbeobachtungstouren – das Highlight einer jeden Alaska-Kreuzfahrt.» Ende Jahr wartet schon das nächste Abenteuer auf Marx. Dann wird sie auch das allerneueste Schiff – die «Norwegian Encore» – mit einweihen und von London aus die Transatlantik-Kreuzfahrt nach New York antreten.
Ein Stückchen New York findet man übrigens auch auf der «Norwegian Joy»: «The Manhattan Room» ist eines der bedienten Restaurants – neben «Savour» und «Taste». Alle drei sind im Reisepreis inbegriffen, bieten täglich die Wahl zwischen sechs Menüs und befinden sich auf den Decks sechs, sieben und acht – dem kulinarischen Dreh- und Angelpunkt des Schiffs.
Wer Lust auf Exklusiveres hat, speist in einem der Spezialitätenrestaurants. Neben «Cagney’s Steakhouse» und «Le Bistro» mit seiner französischen Küche ist vor allem das japanische «Teppanyaki» sehr beliebt. Nicht nur wegen des Essens – sondern auch der singenden Köche wegen! Während sie Rindfleisch, Shrimps und Gemüse auf dem Herd anbrutzeln, trällern sie lauthals Klassiker wie «We Will Rock You» – und animieren alle mitzusingen. Je lauter, desto besser! Das passt nicht allen Gästen. Das Essen dafür schon: Es schmeckt hervorragend! Die würzig-scharfe Miso-Suppe und der Seegrassalat mit Ingwer-Dressing machen Lust auf mehr. Auch die Getränkekarte bietet Spannendes: Der Wasabi-Cocktail mit Gekkeikan-Sake, Litschi-Likör und einem Spritzer Zitronen- und Orangensaft schmeckt fruchtig erfrischend.
Am letzten Seetag haben es sich Lisa und Ashley Bruner aus Indiana auf dem Sonnendeck gemütlich gemacht. Es ist bereits die dritte Kreuzfahrt für das Mutter-Tochter-Gespann, aber die erste mit einem Schiff der Norwegian Cruise Line. Ashley hat die Reise von ihrer Mutter als Belohnung für die bestandene Prüfung zur Kindergärtnerin geschenkt bekommen. «Und das wollten wir mit einer ganz speziellen Destination feiern: Alaska!», erklärt Lisa. Die beiden waren zuvor zweimal in der Karibik unterwegs. «Auf Schiffen, die 6000 bis 7000 Passagiere an Bord hatten. Das hat man dann schon gemerkt. Wir sind positiv überrascht, wie gut sich die Gäste hier verteilen.» Auch für die Aufführungen am Abend gebe es immer genügend Sitzplätze, fährt Ashley fort. Ihr Höhepunkt? Die Shows «Footloose» und «Elements»! «So ein hohes Niveau bei den Darbietungen haben wir auf einem Kreuzfahrtschiff noch nie erlebt. Und wann kann man schon all-inclusive eine Broadway-Show sehen?» Die «Norwegian Joy» ist eben in jeder Hinsicht ein Schiff der (fast) unbegrenzten Möglichkeiten.
Leinen los!
Routing Auf der «Norwegian Joy» können Sie neben Alaska und Nordamerikas Westküste auch die mexikanische Riviera (Cabo San Lucas und Puerto Vallarta), den Panamakanal (ab Miami und Los Angeles) sowie die Karibik entdecken.
Info cruisetour.tui.ch, Tel. 044 289 81 81
Ein luxuriöses Schiff im Schiff
Der private Bereich «THE HAVEN BY NORWEGIAN» bietet den Gästen der «Norwegian Joy» noch exklusivere Ferien. Ein Rund-um-die-Uhr-Butler-Service sowie ein Indoor-Pool und ein Sonnendeck sorgen für stressfreie Entspannung.
Gut versteckt auf dem obersten Deck des Schiffes bietet der Rückzugsort «The Haven by Norwegian» ein noch aussergewöhnlicheres Reiseerlebnis mit luxuriösen Kabinen aller Art. Von der Familiensuite bis hin zum Courtyard Penthouse ist alles dabei. Als exklusives Schiff innerhalb des Schiffes angelegt, können die Gäste neben allen Annehmlichkeiten an Bord zusätzlich einen Indoor-Pool mit Jacuzzi und Liegebereich, ein Sonnendeck sowie eine Aussichtslounge besuchen. Wer möchte, kann im privaten Restaurant speisen oder an der Haven-Bar einen Cocktail geniessen. Bei Fragen steht rund um die Uhr ein Concierge- und Butler-Service zur Verfügung. Zudem haben die Haven-Gäste Vorrang beim Ein- und Ausschiffen sowie bei der Buchung der Bordunterhaltung und den Reservationen in den Spezialitätenrestaurants.