Es ist so eine Sache mit den Geheimtipps: Soll man sie mit diebischer Freude für sich behalten? Oder doch lieber teilen, weil das die Freude sprichwörtlich verdoppelt? Nehmen wir das Safiental. Auf der Autobahn kurz blinzeln – schon verpasst man die richtige Ausfahrt. Sucht man die Region auf der Landkarte, wird der Blick schnell vom schillernden Snowboard-Hotspot Laax abgelenkt. Aber wer die richtige Abzweigung erwischt, der dringt über schwindelerregende Haarnadelkurven zu einem verborgenen Schatz vor.
«Einen schöneren Flecken könnten wird nicht finden. Es ist ein bisschen so, wie das ganze Jahr auf der Alp zu sein.»
«Schickt uns ja nicht zu viele Leute vorbei!», sagt Toni Bobe denn auch nur halb im Scherz, als wir ihn und seine Partnerin Michèle Hürlimann im 13-Seelen-Weiler Camanaboda besuchen. Beide arbeiten seit vielen Sommern auf Safier Alpen – sie als Hirtin, er als Käser. «Irgendwann fragten wir uns, was wir tun können, um auch die restlichen Monate hier leben zu können», erzählt Michèle, die von Montag bis Mittwoch an der Primarschule in Safien Platz acht Kinder von der ersten bis sechsten Klasse unterrichtet. So entstand die Idee für das Hotel Camana. Aus dem alten Schulhaus des Orts wurde ein kleines Gästehaus mit fünf Zimmern und einer gemütlichen Gaststube, die dank den für ein Haus im Walserstil ungewöhnlich grossen Fenstern den Blick auf die umliegende Bergwelt freigibt. «Einen schöneren Flecken könnten wir nicht finden. Es ist ein bisschen so, wie das ganze Jahr auf der Alp zu sein», schwärmt Michèle. Im Sommer könne sie Kräuter sammeln, im Winter Ski fahren. Toni stimmt mit ein: «Die Schwünge vor der eigenen Haustür – das ist Luxus!» Und den teilen die beiden zwischen Weihnacht und Ostern mit ihren Gästen. Nach einer Schneeschuhwanderung oder Skitour wartet nicht nur das von A bis Z hausgemachte Essen (unbedingt in ein «Totabeinli» reinbeissen!), sondern auch ein Bad im Holzzuber. Am liebsten würden wir im wohlig warmen Wasser bleiben, bis wir schrumplig werden, doch die Zeit drängt. Wir haben ein Date mit einem Trampeltier! Ja, richtig gelesen. Im Safiental gibts Kamele. Als wir auf dem Hof Gädemli in Safien Platz ankommen, aalen sie sich gerade in den letzten Sonnenstrahlen. Nur zwei Stunden pro Tag schafft es die runde Scheibe zu dieser Jahreszeit hinter den steilen Felswänden hervor. Hofherrin Angelika Bandli macht den Vitamin-D-Mangel mit ihrem fröhlichen Gemüt wett. Enthusiastisch erzählt die Demeter-Bäuerin, weshalb es nicht wehtut, wenn uns Kamel Aladin auf die Füsse tritt (seine Zehen sind gepolstert) oder wieso Lama Hijo seine Nase mitten in unser Gesicht steckt (er erkennt Menschen am Atemgeruch). «Mein Mann Erwin und ich sind früher viel gereist. Mit den Tieren haben wir uns quasi die weite Welt nach Hause in die Berge geholt», erklärt die gebürtige Domleschgerin ihr Faible für die Exoten. Je enger das Tal, desto engstirniger seine Bewohner? Diese Rechnung geht im Safien eindeutig nicht auf.
Zeit einzuchecken! Das Berghotel Alpenblick schaut auf eine über 120-jährige Geschichte zurück. Zuletzt wurde es für Schul- und Ferienlager genutzt, bevor es 2016 in den Besitz des Vereins Tennaplus überging. Seither weht ein frischer Wind durch die Heimatstil-Gemäuer. Die schlichten Zimmer wurden liebevoll aufgewertet; Küchenchef Sascha Skraban tüftelt mit Bergbauern aus der Region an neuen Gemüsesorten, um seine moderne Bergküche aufzupeppen. In den kommenden Jahren soll der «Alpenblick» in ein nachhaltiges Boutique-Hotel mit innovativem Foodlab verwandelt werden. Für das Acht-Millionen-Franken-Projekt werden Investoren gesucht. Dass es sich lohnt, gross und grün zu denken, sehen wir am nächsten Tag. Seit 2011 steht in Tenna der erste Solarskilift der Welt. «Einen Sessellift konnten wir uns nicht leisten, darum wollten wir uns mit etwas Besonderem abheben», erzählt Genossenschaftspräsident Edi Schaufelberger. Der Anblick der 246 Solarpanels ist eindrücklich. Über den Köpfen der Liftfahrer hängend, erzeugen sie pro Jahr 90 000 Kilowattstunden Strom – 14-mal mehr, als für den Betrieb nötig ist. Überschüsse werden ins Stromnetz eingespeist. Seit seinem Bestehen schreibt der Skilift schwarze Zahlen – und das bei einem Tageskartenpreis von 25 Franken. So richtig stolz ist Edi aber auf etwas anderes: die Pistenlänge. «4,5 Kilometer mit nur 450 Meter Lift – das soll uns erst mal einer nachmachen!» Natürlich, die einzelnen Abfahrten sind kurz, dafür ist man innerhalb von drei Minuten auch schon wieder auf dem Berg. Im Nu vergeht die Zeit – bis der Lift von 12 bis 13 Uhr schliesst. «Die Mittagspause ist uns heilig», sagt Edi.
Einverstanden! Wir entscheiden uns für die Weiterfahrt nach Valendas und gönnen uns im Gasthaus am Brunnen ein Schlemmermenü. 15 GaultMillau-Punkte hat sich das Wirtepaar mit seinen originellen Regionalgerichten (Frito misto mit Misoxer Lachs!) erkocht. «Ein Gemeinschaftserfolg, den wir nur dank den einheimischen Produzenten erreichen konnten», gibt sich Chef Matthias Althof bescheiden. Frisch gestärkt geht es noch mal auf den Berg. Rund eine Stunde dauert die Wanderung vom Bergdorf Brün zur Maiensäss-Siedlung Imschlacht. Oben angekommen, entfaltet sich vor der Schittelbeiz Brün das Panorama der Surselva. Gegenüber carven die Massen an den Hängen des Crap Sogn Gion hinab. Hier ist es so still, dass man das Rauschen der Rheinschlucht hört. Verstohlen lächeln wir in uns hinein. Mit so vielen Leuten mussten wir unseren Schatz nicht teilen.
Die Abfahrten sind kurz, dafür ist man in drei Minuten wieder auf dem Berg. Im Nu vergeht die Zeit – bis der Solarlift über Mittag schliesst.
Das Tal der Möglichkeiten
ERLEBEN
1 Schlittelbeiz Brün Nach einer Stärkung auf der Sonnenterrasse saust man auf dem gut präparierten Weg zurück ins Tal. Samstag und Sonntag von 12 bis 17 Uhr geöffnet. Imschlacht, 7122 Valendas. www.schlittelbeiz.ch
2 Solarskilift Tenna Gross ist das Skigebiet Tenna nicht, dafür kostet die Tageskarte auch nur 25 Franken. Mittwochs gibt es ein Nachtskifahren. Täglich geöffnet: 9.30–12 und 13–16 Uhr. Ausserberg 6, 7106 Tenna. www.solar-skilift.ch
3 Yak und Lama Hof Gädemli Bei einem Besuch kann man den Tieren der Familie Bandli näherkommen. Am besten vorher kurz anrufen. Im Sommer werden auch Lama-Trekkings angeboten. Talstrasse 21, 7107 Safien Platz. Tel. 081 647 12 05. www.bandli.ch
4 Natureisfelder Bei entsprechender Witterung werden von Einheimischen in Versam und Safien Platz Natureisfelder erstellt, die gratis benutzt werden können. www.safiental.ch/tourismus/aktiv/winter/eislaufen/ geniessen
GENIESSEN
5 Gasthaus am Brunnen Direkt am grössten Holzbrunnen Europas werden Gäste mit regionalen Köstlichkeiten verwöhnt. Zum Haus gehört auch ein kleines, von Stararchitekt Gion A. Caminada umgebautes Hotel. Am Platz 11, 7122 Valendas. www.gasthausambrunnen.ch
6 Hotel Camana Gemütliches Lokal mit Gästezimmern, Sauna und Holzzuber, Spezialität des Hauses ist das Raclette mit selbst gemachten Beilagen. Camanaboda, 7109 Thalkirch. www.hotelcamana.ch
EINKAUFEN
7 Spensa Honig, Keramik, Salsiz oder Tee – in einem alten Stall werden Produkte aus dem ganzen Safiental angeboten. Bar oder mit Twint. Geöffnet von 8.30 bis 18 Uhr! Talstrasse 21, 7107 Safien Platz. www.spensa.ch
8 Korb-Werkstatt Die Zainen von Michael Pöhl erhält man in der Spensa – oder beim Macher selbst. Dort ist die Auswahl grösser. 7106 Tenna, Tel. 081 302 87 52.
ÜBERNACHTEN
9 Berghotel Alpenblick Einfache, aber gemütliche Einzel-, Doppel- und Familienzimmer, teils mit WC/Dusche auf der Etage. Halbpension empfohlen! Das Drei-Gang-Abendessen ist vorzüglich. Mitte 28, 7106 Tenna. www.alpenblick.ch