Das neue Gewebe aus Bananenfasern ermöglicht Nachhaltigkeit ohne Kompromisse
Drei Schweizer, ein Österreicher und ein Holländer suchen eine Tasche. Das ist nicht der Anfang eines Witzes, sondern die Gründergeschichte von Qwstion. «Uns schwebte eine Alltagstasche vor, die man beim Velofahren auf dem Rücken tragen kann, aber auch in ein Meeting passt», erzählt der Zürcher Industriedesigner Christian Kägi. Als er und die anderen 2008 durch Sebastian Kruit (der Holländer und Marketing-Mensch) zusammenfanden, war in Zürich «Freitag» bereits sehr gross. Taschenmässig war die Stadt eigentlich abgedeckt, müsste man meinen. Doch: «Wir suchten eine dezente Tasche, zeitlos, unaufdringlich und aus Naturmaterialien gemacht. Eine solche fanden wir nirgends», erklärt Kägi. Also stellten sie selbst eine her.
Das Resultat hiess schlicht «Backpack». In seiner Grundform gibt es ihn immer noch. Und er hat sich fleissig vermehrt. Heute hängt im Zürcher Flagship-Store eine ganze Taschenfamilie: Shopper, Weekender, Necessaires – und seit viele im Team Eltern geworden sind auch eine Mini-Kollektion. Hinter der Präsentierwand machen die Mitarbeitenden gerade Mittagspause, während im weitläufigen Laden – früher eine Denner-Filiale – Kunden umherschlendern. Das Geschäft im Zürcher Kreis 4 ist gleichzeitig der Hauptsitz von Qwstion. Hier entwickelt das Design-Team neue Modelle, stellt an den Industrienähmaschinen Prototypen her – und testet diese dann während einiger Monate auf ihre Alltagstauglichkeit.
Das Gespräch mit den Gründern findet im obersten Stock des Gebäudes statt, in einem kargen Besprechungszimmer: weisse Wände. Weisser Tisch. Einziges Indiz, dass hier Kreative arbeiten, ist ein grosses Plakat mit Filzstift-Kritzeleien – ein Zeitstrahl mit den Projekten und Zielen dieses Jahres.
«Wir nehmen uns tendenziell immer etwas mehr vor, als wir bewältigen können», kommentiert Christian Kägi. «Nicht nur tendenziell», erwidert Matthias Graf.
Neben den beiden sitzt am Tisch Hannes Schönegger, der Österreicher. Er ist aus Seefeld angereist, wo er lebt und sich um die Finanzen und die Logistik der Firma kümmert. Aus den fünf Freunden ist seit Herbst 2017 ein Trio geworden. Die beiden Mitbegründer Sebastian Kruit und Fabrice Aeberhard sind nur noch Teilhaber. Der eine macht zurzeit Yoga auf Ibiza, der andere ist Creative Director einer anderen erfolgreichen Zürcher Firma: des Brillenlabels Viu.
Von Beginn weg wird Qwstion als internationaler Brand konzipiert. «Erst statteten wir all unsere Freunde aus», erzählt Christian Kägi, «dann baute Matt den Webshop auf.» Übers Internet bestellen Menschen aus San Francisco, New York, Tokio oder London. Viele von ihnen verorten die Marke nach Schweden oder Dänemark. Die Karte Swissness wird bei Qwstion tunlichst vermieden, und doch ist man sehr schweizerisch. Im Denken bezüglich Qualität und Langlebigkeit beispielsweise. Aber auch im praktischen Design.
«Wir suchten eine dezente Tasche, zeitlos und aus Naturmaterialien gemacht.» Christian Kägi
n den Anfangsjahren läuft vieles intuitiv und ohne Businessplan. Christian Kägi und seine Freunde wollen ein nachhaltiges Produkt, gleichzeitig soll die Tasche erschwinglich sein. Über private Kontakte kommen sie an Lieferanten in Hongkong. Sie besichtigen die Fabriken, wollen mit den Teams vor Ort die Taschen entwickeln – und nicht wie in der Textilindustrie üblich alles über einen Agenten abwickeln lassen.
«Betriebswirtschaftlich gesehen war dieser Weg nicht die beste Entscheidung. Er war aufwendig und ist es heute noch», sagt Hannes Schönegger. «Den ganzen Prozess zu kennen, zeichnet uns aber aus», ergänzt Christian Kägi.
Was die Arbeitsbedingun-gen in China betrifft, setzt Qwstion auf eine Zertifizierung und auf Beharrlichkeit. «Man muss Fragen stellen: Wie viel verdient eine Näherin bei euch? Wie viel braucht jemand zum Leben, und kann er von seinem Lohn etwas auf die Seite legen?», sagt Christian Kägi. Die Herausforderung der Zukunft wird sein, genug Arbeiter für handwerkliche Jobs zu finden. «Die nächste Generation will lieber Webdesigner oder Influencer werden. Das ist in Hongkong oder China dasselbe wie in Europa.»
Neben den Produktionsbedingungen steht für Qwstion das Material im Fokus. «Dort beginnt Nachhaltigkeit», sagt Kägi. Sie experimentierten mit Hanf, Bambus, Baumwolle. Ein Schweizer Projekt, das aus Brennnesseln Stoff herstellen will, landet in der Schublade. Der erste grosse Schritt erfolgt mit einem selbst entwickelten Gewebe aus Bio-Baumwolle. Dann kommt Bananatex, ein Stoff aus Bananenfasern.
Ein Lieferant in Taiwan hat das Qwstion-Team auf die Abacá aufmerksam gemacht. Die Faser des Bananengewächses ist auch im nassen Zustand sehr reissfest, weshalb sie früher für Schiffstaue und heute für Banknoten oder Teebeutel verwendet wird. Während dreier Jahre entwickelt Qwstion aus dem Abacá-Papier ein Garn, daraus ein Gewebe und schliesslich eine Tasche, die vollständig biologisch abbaubar ist. Endlich haben sie ein natürliches Material gefunden, das in seinem Lebenszyklus
einen geschlossenen Kreislauf bildet, und kommunizieren das auch öffentlich.
«Vorher hatten wir das Thema Nachhaltigkeit nie an die grosse Glocke gehängt», sagt Christian Kägi. «Wir vertreiben nicht nur reduzierte Produkte, wir sind auch bezüglich Kommunikation nicht so überschwängliche Typen», fügt Hannes Schönegger an.
Inzwischen sind auch andere Firmen auf Bananatex aufmerksam geworden. Qwstion verschickt Stoffmuster an Interessenten auf der ganzen Welt – kürzlich sogar an den Hersteller der englischen Polizeihüte.