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Feuz, Holdener & Co. in Retro-Skimode

Die Schweiz – Skination Nummer 1

Unsere alpinen Skicracks sind die Besten – zum ersten Mal seit 1989! Das Schweizer Weltcup-Kader bezwingt endlich wieder mal Österreich und holt den Sieg in der Nationenwertung 2019/20. Die besten Punktelieferantinnen und -lieferanten erklären das grosse Comeback. Und tragen dazu Skimode aus der langen Zeit des Wartens.

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Ski Team Retro

Corinne Suter (Abfahrt, Super-G) und Loïc Meillard (Parallelrennen) stehen mit ihren drei Disziplinen-Gesamtsiegen sinnbildlich für die Wiedergeburt der Schweiz als Skination Nummer eins im Winter 2019 / 2020.

Christoph Köstlin für SI SPORT

30 Jahre lang mussten die Schweizer Alpinen darauf warten, das übermächtige Österreich an der Spitze der Nationenwertung wieder abzulösen. Als Hommage an die vielen Jahre des Darbens zwischen den Saisons 1988/89 und 2019/20 inszenieren wir jene Swiss-Ski-Athletinnen und -Athleten, die vergangenen Winter mit Podestplätzen massgeblich zum Ländertriumph beigetragen -haben, in Renndresses und Alltags-Skibe-kleidung aus der Geschichte des Skisports. Und wir sprechen mit Feuz, Suter & Co. über das Skirennfahren als Teamsport, die Rivalität zu Österreich und die Erinnerungen an glor-reiche Zeiten der Schweizer Skigeschichte. 

Die Fragen lauten: Welches war das erste Skirennen, das Sie bewusst vor Ort oder im TV verfolgt haben? Wer war damals Ihr Favorit? Sind Sie ihm oder ihr je persönlich begegnet? Wann empfinden Sie sich heute am stärksten als Teamsportler? Wie würden Sie, wenn unser Skikader ein Fussballteam wäre, die einzelnen Positionen besetzen? Welches waren Ihre frühen Skimode-«Sünden»? Haben Sie ein besonderes Erinnerungsstück aus früheren Skitagen aufbewahrt? Wie ist Ihr Verhältnis zum Rivalen Österreich? Und was macht die Schweiz zur wahren Ski-Nation Nummer 1? Scrollen Sie sich durch die besten Antworten unserer Podestheldinnen und –helden. 

SI SKI 2020 erschienen November 2020

«Ogis Leute siegen heute!» 1972 bei Olympia in Sapporo fuhr Bernhard Russi in einem Dress, wie ihn hier Odermatt trägt, zu Abfahrtsgold. Wenn das kein gutes Omen ist (Alpines Museum)

Christoph Köstlin für SI SPORT

Marco Odermatt, 23
«2002 half mein Vater als WK-Soldat in Adelboden bei der Präparierung der Rennpiste. Meine Mutter und ich fuhren für den Riesenslalom hin. Ich war vierjährig. Es heisst, ich sei während des zweiten Laufs eingeschlafen am Pistenrand. Seit den Rennen der beiden folgenden Jahre, als Berthod seine Wahnsinns-Aufholjagd im Slalom machte und mit Albrecht zusammen einen Doppelsieg im Riesen landete, war immer Adelboden das höchste meiner Ziele und nicht etwa Olympia oder die WM. 

Ich empfinde uns Skifahrer sogar ausgeprägt als Teamsportler, ausser während der einen Minute, die wir im Rennen auf der Piste sind. Ich möchte am liebsten so oft es geht mit den Kollegen zusammen sein. Eine Session allein auf dem Hometrainer ist schon weniger mein Geschmack. Mannschaftssport im herkömmlichen Sinn hat mich trotzdem nie gross gereizt. Natürlich schaue ich aber gelegentlich Eishockey oder Fussball im TV. Müssten wir aus dem Skikader ein Fussballteam bilden, so würden wohl Beat Feuz oder Mauro Caviezel zu Captains gewählt mit all ihrer Erfahrung aus vielen Hochs und Rückschlägen. Der Ballverteiler mit Übersicht, das wäre für mich Daniel Yule, ein ausgesprochen intelligenter, vielseitig engagierter Typ. Unser Abwehr-Bollwerk hiesse Loïc Meillard. Er ist konstant, locker und ruhig. Der wertvollste Einwechselspieler? Thomas Tumler. Man hat ihn gar nicht im Auge, aber dann kommt er und fährt quasi aus dem Nichts aufs Podest. Ich selbst wäre wohl der Knipser, der immer volles Risiko nimmt, um zum Torerfolg zu kommen. Angreifen und Vollgas geben ist schon meine Art. 

Als Familie gingen wir früher recht oft nach Österreich in die Ferien, etwa ins Tirol, an den Achensee, aber mehr im Sommer als im Winter. Ich habe nur beste Erinnerungen an Land und Leute. Trotzdem ist es ein tolles Gefühl, dass die Schweiz wieder Skination Nummer eins ist. Und es spricht nichts dagegen, dass wirs auch nach diesem Winter sein werden!»

SI SKI 2020 erschienen November 2020

Suter cool im Stil der Neunzigerjahre. Ein Jahrzehnt grosser Schweizer Einzelkönner, aber auch mangelnder Breite an der Spitze.

Christoph Köstlin für SI SPORT

Corinne Suter, 26
«Wir Schweizer sind wieder die Nummer eins im Skisport, weil wir vor allem auf einem super Niveau sehr breit aufgestellt sind. Ich erinnere mich gut, wie ich vergangene Saison in Vail von Odermatts Resultaten hörte. Das motiviert einen, gibt dir Schub. Natürlich fährt jede und jeder für sich selbst Ski, aber irgendwie ist es trotzdem schön, als Mannschaft stark zu sein. Man kann deshalb den Vergleich mit einem Fussballteam schon machen. Als Captain wähle ich Michelle. Sie ist eine Sportlerin, die die Dinge gerne aktiv in die Hand nimmt und ihre Ideen sehr gut rüberbringen kann. Unsere Superstürmerin wäre vielleicht Jasmine Flury. Alles, was sie anpackt, macht sie mit hundert Prozent. Die stille Schafferin im Team bin vielleicht ich. Ich muss nicht alles, was ich mache, gleich öffentlich verbreiten, aber machen tu ich es trotzdem. 

Ich erinnere mich, wie ich früher all die Grossen im Fernsehen gesehen und bewundert habe: Fabienne Suter, Andrea Dettling, Nadja Kamer. Fan war ich von Lindsey Vonn. Als ich dann zum ersten Mal mit ihr trainierte, war es schon komisch. Das war in Vail, und ich konnte kaum mehr fahren, als sie vor mir stand. Ich hatte ja zu Hause das Zimmer voll mit Bildern von ihr. 

Skimodesünde war alles, was ich anhatte: immer das Älteste. An ein Dress mag ich mich noch erinnern, es bestand aus allen Farben, die man sich vorstellen kann. Überall hatte es Flicken, die genäht wurden. Das war mein erstes Kombi. Und der erste Helm, den ich hatte, war carreragelb und riesengross. Auch eine Sünde, aber den habe ich immer noch zu Hause. Von den Outfits her finde ich aber insgesamt die 70er und 80er schon toll.» 

SI SKI 2020 erschienen November 2020

Schweizer Wintersport-Gut wie Ovo und das Lauberhorn: Feuz trägt die legendäre SKA-Kappe. Wie die Jacke stammt sie von 1977. (Alpines Museum/Nostal-Ski)

Christoph Köstlin für SI SPORT

Beat Feuz, 33
«Vergangenen Winter haben wir so um die Jahreswende gemerkt, dass nun definitiv der Zeitpunkt gekommen ist, wo wir die Österreicher packen können. Im Haushalt Feuz-Triendl war das aber nie ein Thema. Geneckt haben Katrin und ich uns deswegen nicht. Mich verbindet ja mittlerweile sowieso recht viel mit Österreich. Die Familie natürlich und dass ich inzwischen den grössten Teil meines Lebens dort verbringe. Aber ich bin deswegen bestimmt kein ‹halber Österreicher›, sondern mit ganzem Herzen Schweizer. 

Allerdings kam mein erstes skifahrerisches Idol schon aus Österreich: Stefan Eberharter. Fan war ich eh von allen Schweizern. Ich war stolz, als ich meinem Favoriten Franz Heinzer erstmals begegnete, an einer Autogrammstunde in Langnau, zu der ich als etwa Fünfjähriger mit den Eltern ging. Am Ende durfte ich sogar ein Buch von ihm kaufen und signieren lassen.  

Modemässig erinnere mich aus diesen längst vergangenen Skisporttagen an jene grauenvollen Rennpullis, so eine Art Vorstufe zu den Renndresses. Das waren Strickpullis mit eingenähten Polstern. Ich glaube, es gab nur eine Marke, jedenfalls sahen alle gleich aus darin. 

Ich habe früher plauschmässig Unihockey gespielt. Teamsport ist mir nicht fremd. Wäre unser alpines Männerkader ein Fussballteam, könnte ich mir Mauro Caviezel gut als Captain vorstellen. Er managt gerne Dinge für die Gemeinschaft. Der Scorer, der immer nach vorne stürmt und unbedingt reüssieren will, wäre Marco Odermatt. Jänks wäre eher der ruhende Pol in der Abwehr, der alles Ungemach vom Team fernhält. Und der Edeljoker, auf den man sich verlassen kann, das wäre wohl ich selbst mit meiner Verletzungsgeschichte.  

Mit Ausnahme von Janka und mir sind alle noch recht jung. Das spricht dafür, dass im Nationenkampf der Sieg längere Zeit über die Schweiz führen könnte.»

SI SKI 2020 erschienen November 2020

Der Pullover, der Hählen wärmt, stammt aus der Olympia-Kollektion von 1984. Für die Schweiz gabs in Sarajevo zwei Mal Gold (Figini/Abfahrt, Julen/Riesen) und zwei Mal Silber. (Alpines Museum)

Christoph Köstlin für SI SPORT

Joana Hählen, 28
«Das erste Skirennen, das ich im TV bewusst wahrnahm, war, als Sonja Nef Weltmeisterin wurde. Für sie und Mike von Grünigen rannte ich jeweils nach Hause, um die Rennen zu schauen. Persönlich hatte ich als Kind Sonja nie gesehen. Aber einmal, als ihr Mann Hans Flatscher dann unser Trainer war, kam sie zum Essen. Und ich dachte: Ui, da ist sie! Poster aufgehängt hatten wir von Daniel Albrecht und Marc Berthod. Das ist heute lustig, wenn ich sie sehe und daran denke.  

Auch wenn ich mich an meine Modesünden als Kind erinnere, muss ich lachen: Ich hatte einen grossen Helm mit einem riesigen Abfahrtsbügel dran. Einmal pro Jahr hatten wir in der Lenk jeweils einen Oldschool-Skitag, für welchen wir uns verkleideten. Die 70er-Jahre gefallen mir vom Style her sehr. Aber skitechnisch bin ich froh, muss ich nicht solche ‹Pommes frites› fahren. Ich fuhr schon mal auf ihnen, aber nicht so richtig. 

Wären wir ein Sportteam, wäre Michelle unser Captain. Sie ist sehr gut darin, Probleme zu lösen und Dinge zu organisieren. Die Superstürmerin wäre Jasmine Flury – sie spielt auch wirklich sehr gut Fussball. Hitzköpfe sind eher die Männer, die haben schon noch Temperament. Vielleicht Justin Murisier? Die stille Schafferin ist Corinne. Trainingsweltmeister gibts keine, sonst wären wir ja nicht da, wo wir sind.  

Was uns zurzeit zur Skination Nummer eins macht? Der Fleiss! Eine Zeit lang waren viele Talente da, die im Wettkampf gute Resultate brachten, aber kein ganzes Team. Nun konnten wir diese Lücke schliessen, das ist schön. Zudem wohnen wir im Skiparadies! Zugegeben, Österreich und Italien sind bezüglich Skigebiete und Essen auch nicht schlecht. Wiener Schnitzel, Kaiserschmarrn und Pasta habe ich sehr gern. Wir wissen einfach: Wenn wir an diese Orte gehen, wird es gut.» 

SI SKI 2020 erschienen November 2020

Jänks’ Zweiteiler stammt aus den farbenfrohen Achtzigerjahren. Die Rennbrille hingegen ist wesentlich älter: Sie wurde 1948 schon so getragen. (Alpines Museum)

Christoph Köstlin für SI SPORT

Carlo Janka, 34
«Franz Heinzer an den Olympischen Spielen 1994, als ihm beim Start die Bindung gebrochen ist – daran kann ich mich noch gut erinnern. Von ihm war ich damals auch Fan. Wenn ich zurückdenke: Ich hätte damals nicht selber fahren wollen. Die Bedingungen waren fast kriminell. Heute ist es sicherer, attraktiver. Der Skisport hat eine enorme Entwicklung durchgemacht.  

Die Outfits, die man früher auf der Piste trug, waren eigentlich schon noch lässig. Auch ich war früher oft farbig angezogen, wenn auch nicht ganz so knallig. Meine ersten Ski waren ganz schlichte weisse Rossignol. Ich habe sie sogar noch!  

Wären wir ein Fussballteam, wäre Feuz der Superstürmer. Er ist immer zur Stelle, wenns ihn braucht. Hitzkopf… muss der noch aktiv sein? Ansonsten: Cuche. Wenn ein Training schlecht lief, war er jeweils den ganzen Nachmittag nicht gut zu sprechen. Der stille Schaffer wäre Mauro, Trainingsweltmeister Gilles. Wie er den ganzen Tag durchplant und daneben noch studiert – das hat man so noch nicht gesehen. Joker wäre Odermatt. Unser Trumpf ist die Ausgeglichenheit zwischen Frauen und Männern im Team. Wir sind eine verschworene Gemeinschaft, über Jahre soweit gereift, dass wir den Österreichern den Titel abluchsen konnten. Ich glaube, Skifahren ist in den letzten Jahren etwas mehr zum Teamsport geworden als auch schon. Dass der Nationencup Beachtung findet, ist schön. Das hat auch uns näher zusammengebracht.» 

SI SKI 2020 erschienen November 2020

Meillard zeigt Swissness: Um die Jahrtausendwende tragen unsere Cracks Swissair-Anzüge. Nach dem Grounding der Fluggesellschaft übernimmt die Swisscom 2002 als Hauptsponsor des Verbandes.

Christoph Köstlin für SI SPORT

Loïc Meillard, 24
«Mein erstes Weltcup-Rennen an der Piste sah ich 2008 in Adelboden, als Marc Berthod den Riesenslalom vor Dani Albrecht gewann. Wir waren mit der Mannschaft des Walliser Nachwuchs-Stützpunktes als grosse Fans der Schweizer dort. 

Dass wir die Nationenwertung gewonnen haben, ist sicher schön. Aber als Athlet ist mir in erster Linie wichtig, wie meine Leistungen aussehen. Wenn meine eigene Leistung passt, dann sammle ich automatisch auch Punkte für die Teamwertung. Das Einzige, was uns jetzt in der Riesenslalomgruppe noch fehlt, ist ein Sieg.  

Das Skifahren kann man durchaus ein bisschen mit einer Mannschaftssportart vergleichen. Wir haben einen starken Zusammenhalt und verbringen unterwegs mehr Zeit zusammen als mit der eigenen Familie. Wir freuen uns in der Mannschaft jeweils gemeinsam über die tollen Teamresultate.

Wären wir Fussballer, wäre bei uns Gino Caviezel der Stürmerstar. Er hat immer konsequent das Ziel vor Augen und lässt sich nicht gross durch Dinge rundherum ablenken. Der temperamentvolle Spieler, der sich wahrscheinlich als Erster eine rote Karte einfangen würde, ist Justin Murisier. Er lässt sich nichts gefallen. Der Super-Joker des Teams? Das wäre eindeutig Beat Feuz. Oft verletzt, aber immer sofort voll da, wenn er wieder zurückkehrt.»

SI SKI 2020 erschienen November 2020

Man liebt oder man hasst den Klassiker: Holdener im Käseanzug, der den Schweizerinnen und Schweizern zwischen 1992 und 1998 viel Spott, aber auch einige Bewunderung einbrachte.

Christoph Köstlin für SI SPORT

Wendy Holdener, 27
«Ich weiss noch gut, wie Michael von Grünigen bei seinem letzten Rennen verkleidet auf alten Ski runtergefahren ist. Das ist eine meiner frühesten Erinnerungen. Als ich mich näher mit Skifahren beschäftigte, hiessen meine Favoriten Cuche, Bode Miller oder Anja Pärson. Sie waren bei Head unter Vertrag, und weil mein Onkel dort arbeitete, bekamen wir Poster von all diesen Athleten. Auch von Marco Büchel. Mit einigen fuhr ich danach selbst noch Ski. Ich war jeweils schon nervös, als ich langsam aufkam und mit ihnen zusammen Sachen machen durfte. Besonders freute mich, als ich mich einmal bei Sonja Nef melden und Tipps von ihr -holen durfte. Ihr Mann Hans Flatscher war da unser Cheftrainer. Ihre Inputs, die sie mir weitergegeben hat, haben mir enorm geholfen. Etwa, wie sie mit Situationen rund um die Rennen umgegangen oder was ihr als Athletin durch den Kopf gegangen war. 

Ich habe zwar nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben aus früheren Zeiten, aber ich wäre auf jeden Fall dabei, wenn wir ein Rennen wie damals veranstalten würden. Mit dem Skimaterial und auch mit der entsprechenden Skibekleidung. Ich liebe die lustigen Outfits meiner Kindheit. Ich kann mich speziell an einen Einteiler erinnern, der das Bauchtäschli gleich integriert hatte. Als ich drei, vier war, bin ich sehr stolz damit rumgelaufen. Ich habe ihn geliebt! 

Wären wir Skirennfahrerinnen und Rennfahrer ein Fussballteam, wäre Carlo Janka in der Verteidigung. Er ist immer ruhig und cool. Daniel Yule und mich würde ich im Sturm aufstellen, weil wir etwas mehr reden und gern die Initiative ergreifen. Der Hitzkopf im Team? Vielleicht Justin Murisier. Unsere Captains wären Michelle und Yule. Die beiden schauen gut zu uns.»

SI SKI 2020 erschienen November 2020

Gut gebrüllt, bunter Löwe! Zenhäuserns Einteiler im Pop-Art-Stil ist ein typischer Zeitzeuge der 80er. Das Jahrzehnt der grössten Schweizer Skierfolge darf ruhig leuchten.

Christoph Köstlin für SI SPORT

Ramon Zenhäusern, 28
«Meine Skimodesünden? Wir hatten von Pirmin Zurbriggen einen gelben Renndress bekommen, den zuerst ich trug und dann meine Schwester. Der sah aus wie ein Pyjama und war alt und verwaschen. Wir haben uns etwas geschämt – obwohl er von Pirmin war! Und ich habe noch eine graue Fleecejacke vom Team Oberwallis. Die hat zwar überall Löcher drin, ist aber dennoch ein schönes Andenken. Immerhin war ich dort das erste Mal in so einem Team.  

Früher bewunderte ich Dani Albrecht. Ich durfte sogar seine Kleider nachtragen! Ich musste sie dann aber umnähen lassen, weil sie mir viel zu gross waren. Nur die Länge hat gepasst. Hinten beim Füdli zum Beispiel musste ich die Hosen einnehmen lassen. Als ich Dani zum ersten Mal getroffen habe – auf dem Parkplatz vor dem Hotel seiner Eltern für die Kleiderübergabe – wäre ich am liebsten im Erdboden verschwunden. Ich war so schüchtern, dass ich ihm kaum in die Augen schauen konnte. Vor ein paar Jahren kam er dann mal mit mir Skifahren, heute sind wir gute Freunde, und ich bewundere ihn immer noch.  

Dass wir nun mit dem Team die Nummer eins sind, haben wir nicht nur den Fahrern zu verdanken: alle Betreuer, Mitarbeiter, Sponsoren, das ganze Umfeld ist so professionell! Nur schade, dass wir nirgends eine eigene, exklusive Trainingspiste haben.  

Als Fussballteam hätten wir Feuz als Captain: ruhig, erfolgreich. Janka  wäre eher Verteidiger, so ein Stiller. Die Offensiven sind schon eher die ‹Gwirbligen›. Vielleicht Luca Aerni vorne. Flügelstürmer wären Loïc und Daniel, die wollen nie verlieren. Nicht mal beim Fussballtennis! Der stille Schaffer ist Sandro Simonet, Superjoker Tanguy Nef.» 

SI SKI erschienen November 2020

Yule trägt eine offizielle Jacke der Ski-WM 1974 in St. Moritz. Die Schweizer Bilanz fällt eher trist aus: Lise-Marie Morerods Slalombronze war die einzige Medaille. (Nostal-Ski)

Christoph Köstlin für SI SPORT

Daniel Yule, 27
«Was uns zur Skination Nummer eins macht? Ich glaube, da müssen ganz viele Faktoren zusammenspielen. Aber was die Fans der Ski-Nation Nummer eins können: Stimmung machen! Nehmen wir das Rennen in Adelboden als Beispiel. Diese Stimmung im Ziel – wenn ich schon daran denke, bekomme ich Gänsehaut. Da hat man gemerkt, dass wir alle zusammen eine Sportart lieben. 

Meine Eltern sind auch skibegeistert, aber nicht rennbegeistert. Wir waren als Familie nie an einem Rennen. Deshalb war auch mein erstes Live-Weltcup-Erlebnis mein eigener Weltcup-Start in Kitzbühel. Aber ich kann mich daran erinnern, wie wir die Rennen jeweils im TV verfolgt haben. An einen Frauenslalom kann ich mich besonders gut erinnern. Ich war für Anja Pärson, die anderen für Janica Kostelic. Janica lag in Führung, und Anja flog raus. Ich war enttäuscht, die anderen freuten sich. Zudem war ich ganz am Anfang Fan von Mike von Grünigen. Später begegnete ich ihm persönlich, als er für meinen Ausrüster Fischer arbeitete. So ruhig hatte ich ihn mir nicht vorgestellt. Du siehst den Star, und dann ist er ganz normal. 

Ich wäre selbst gern in den Nullerjahren gefahren. Einerseits war es der Anfang der Carving-Ski, andererseits scheint noch nicht alles so topseriös wie heute gewesen zu sein. Manchmal sei nach gewissen Rennen doch ein bisschen getrunken worden, während wir da jetzt zurückhaltend sind. Ich hab sowieso Pech als Slalomfahrer: Wir müssen meistens an den Sonntagen an den Start. 

Dafür bilden die Skimodesünden aus früheren Zeiten eine Liste ohne Ende! Zum Beispiel hatte ich vom Skiclub einen Pullover, der braun war. Nachdem ich ihn etwa vier Jahre lang getragen hatte, war die Farbe weg, der Gummizug war kein Gummi mehr. Allerdings sind wir nicht so die modische Familie. Dafür habe ich schöne Erinnerungen an meine ersten Ski: Alle drei Geschwister -haben auf denselben Ski fahren gelernt. Alte, gelbe Fischerski, mit roter Bindung und mit kleinen Hasen drauf. Sie wurden nachher sogar noch weitergegeben.»

SI SKI 2020 erschienen November 2020

Die «roaring sixties» für einmal ganz flauschig: Gisin trägt Pullover und Mütze im Stil der 60er. Damals hiessen die CH-Stars Theres Obrecht, Dumeng Giovanoli, Annerösli Zryd oder Roger Staub.

Christoph Köstlin für SI SPORT

Michelle Gisin, 26
«Ich wäre gern um die Jahrtausendwende im Rennsport dabei gewesen. Weil ich so ein Riesenfan von Sonja Nef war. Dennoch bin ich happy, dass ich jetzt fahren darf, weil die Entwicklung, die wir beim Material gemacht haben, unglaublich ist. In meinem Kinderzimmer hängt noch immer ein Bild von Sonja, wie sie vor den Olympischen Spielen von Salt Lake City 2002 mit aufgemalter amerikanischer Flagge auf dem -Rücken posiert. Von damals kommt wohl auch meine Liebe zum Riesenslalom.  

Die erste Begegnung mit ihr war recht lustig. Unser damaliger Cheftrainer Hans Flatscher ist Sonjas Mann. Sie war bei den Rennen in Ofterschwang mit dabei, und ich bin in Ehrfurcht erstarrt. Natürlich hat Dominique ihr erzählt, dass ich sie immer vergöttert hatte. Als sie mir vergangenes Jahr vor dem Rennen in Sölden eine SMS geschickt hat, habe ich mich riesig gefreut. Vor dem Start schalte ich das Handy ja meistens ab, aber ihre Nachricht hatte ich gerade noch gesehen. Es gab mir einen Riesenschub – fürs Rennen, aber auch für die ganze Saison.

Was die Renndresses aus früheren Tagen betrifft: Dominique und ich schauen, dass wir an der Riesen-Meisterschaft des Skiclubs Engelberg im jeweiligen Olympiasieg-Dress kommen. Sie hat gesagt, sie fahre im Renndress, bis ich schneller bin. Nachdem wir jetzt zwei Jahre nicht gegeneinander gefahren sind, wäre dieser Moment nun langsam doch gekommen.

Wäre unser Kader von Swiss-Ski ein Fussballteam, nähme ich Joana als Superstürmerin, weil sie kein Risiko scheut und immer angreift. Der stille Schaffer? Vielleicht Beat. Er kommt still und leise und ist der schnellste. Edeljoker wäre Odi, der extrem begabt ist in allen Disziplinen, und Wendy. Sie fährt im Training stets eine geniale Pace, so gleichmässig, das ist beeindruckend. Der Captain wäre wohl Dani Yule. Oder wenn nicht er, dann vielleicht ich.»

SI SKI 2020 erschienen November 2020

Caviezels Skianzug stammt von 1974. Damals holte Roland Collombin die Abfahrtskugel. (Alpines Museum)

Christoph Köstlin für SI SPORT

Mauro Caviezel, 32
«Ich habe früher selbst lange im Klub Fussball gespielt, als Offensiver am rechten Flügel. Es bestehen schon Parallelen zwischen Fussball- und Skiteam. Weil wir Skisportler extrem mit der Selbständigkeit aufwachsen, hat jeder irgendwie den Anspruch, Captain zu sein. Beat Feuz und Carlo Janka hätten bei uns Speedfahrern aber sicherlich die ruhige, integrierende Art, die es dazu braucht. Für die Rolle des «Knipsers» im Sturm eignet sich ein junger Wilder wie Marco Odermatt. Regisseur im Mittelfeld wäre Loïc Meillard: in vielen Disziplinen stark und deshalb mit Übersicht über alle Mannschaftsteile. Niels Hintermann könnte ein wenig der Hitzkopf im Team sein, jener, dessen Temperament auch mal überkocht. Der stille Krampfer, der sich nie in den Vordergrund drängt, wäre mein Bruder Gino. Urs Kryenbühl schliesslich ist der Edeljoker, der sofort bereit ist, wenn er eingewechselt wird. Wobei – eigentlich hat er sich ja vergangenen Winter in die Stammaufstellung gespielt. Und gleiches gilt für Thomas Tumler, auch er wird sich diesen Winter einen Stammplatz sichern. 

Die gute Küche Österreichs ist eine Basis für meine Beziehung zum Land, und die Zusammenarbeit mit meinen vielen Freunden von Ausrüster Atomic tut ein Übriges. Ich weiss, wie die Österreicher ticken, und mag ihre Art. 

Wohl meine grösste Skimoden-Peinlichkeit war so ein neongrüner Zweiteiler, den ich von meinen Cousins nachtragen durfte. Damals war ich stolz drauf, und heute wär er wohl schon fast wieder in.»

SI SKI 2020 erschienen November 2020

Ready for take off: Ein Dress, wie ihn Kryenbühl trägt, war in den Achtzigern und Neunzigern en vogue. Er kennzeichnet quasi den Ski- Machtwechsel von der Schweiz zu Österreich.

Christoph Köstlin für SI SPORT

Urs Kryenbühl, 26
«Ich hatte früher viele Vorbilder. Zum Beispiel Ted Ligety. Auch zu Jänks schaue
ich auf. Und das darf ich gar nicht sagen:  Eberharter fand ich auch toll. Und als ich etwa im C-Kader fuhr, war ich Fan von Sandro Viletta. Ich wollte ein Autogramm von ihm, aber es war mir zu peinlich, ihn zu fragen. Da mein Cousin auch eins wollte, fragte ich Sandro nach einer Karte für meinen Cousin Michael, und er gab sie mir. Und dann: Könnte ich noch eine für meinen anderen Cousin haben, den Urs? Mit Sandro habe ich auch heute noch ab und zu Kontakt. Er ist ein wirklich cooler Typ. 

Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden mit der Zeit, in der ich als Skifahrer aktiv bin. Denn wenn ich daran denke, wie etwa Russi oder Heinzer zu ihrer Zeit gefahren sind – krass! Das Material war anders, die Piste war anders. Sie konnten kaum in die Hocke gehen, weil es so geschlagen und gerumpelt hat. 

Dafür finde ich die Ski-Outfits von damals cool: Ich habe mir gerade kürzlich secondhand eine orange enge Stretch-Schlaghose und die dazu passende Jacke im Internet gekauft. 

Wäre unser Team eine Fussballmannschaft, sähe ich Beat im Sturm als Knipser, der zuschlägt, wenn er die Chance dazu hat. Hitzkopf kommt mir keiner in den Sinn. Am ehesten noch Nögi (Cédric Noger, Anm.) als eingefleischter Fan des FC St. Gallen. Der stille Schaffer ist Mauro. Er sagt nicht so viel, ist aber ein extremer Arbeiter, einer der besten Skifahrer der Welt, und bringt Ruhe ins Team. Als Superjoker würde ich mich einsetzen!»  

Von Eva Breitenstein und Iso Niedermann am 27. November 2020 - 08:00 Uhr