Beide fanden 2019 zurück auf die Erfolgsspur. Sie, Belinda, besiegten die halbe Weltelite, Jil schaffte den ersten WTA-Turniersieg. Mit welchen Rezepten?
Bencic: Ich habe schon im Fedcup gut gespielt, beide Einzel gewonnen. Darum war mein Selbstvertrauen gross. Die Vorbereitung auf die Saison war gut. Ich habe viel gearbeitet. Und weil ich im November kleine Turniere spielte und so Vertrauen sammelte, geht es jetzt wieder auf.
Teichmann: Ich hatte in den ersten Turnieren happige Auslosungen. Das gehört zum Tennis. Ich habe es gleich gemacht wie Belinda, ging kleine Turniere spielen, holte da meine Matches. Jeder braucht das für den Rhythmus. In Prag habe ich gekämpft und gekämpft. Und wurde letztlich belohnt. Ich war sprachlos.
Ihr Leben ist von Resultaten dominiert. Was macht das mit einem Menschen?
Teichmann: Es ist schwierig. Ich probiere mein Privatleben und das Tennis so weit wie möglich auseinanderzuhalten. Das geht nicht immer. Jeder, der in seinem Job mal Probleme hat, weiss, dass er auch in der Freizeit daran denkt. Aber ich habe wegen Niederlagen nicht verlernt, glücklich zu sein.
Bencic: Ich bin ein ungeduldiger Mensch. Ich hatte lange das Gefühl, dass nach einer guten Trainingswoche sofort die Belohnung kommen muss. Das ist natürlich nicht so. Ich hatte Glück, dass mir die Verletzungen die Augen öffneten. Ich habe mit 18 Jahren gedacht, mir läuft die Zeit davon. Dabei habe ich noch die ganze Karriere vor mir. Jetzt weiss ich, dass Hochs und Tiefs kommen können. Ich bin froh, dass ich die Erfahrung früh machen konnte. Ich nehme es jetzt ernst, aber nicht mehr verbissen.
War es in Ihrem Fall nötig, zwischendurch ohne Vater unterwegs zu sein?
Bencic: Es war sicher eine gute Erfahrung. Ich habe gelernt, Papi mehr zu schätzen. Ich höre heute besser zu. Gleichzeitig lässt er mir mehr Freiräume, mehr Zeit für mich selber. Wir mussten das beide herausfinden. Den Unterbruch wollten beide. Ich merkte aber, dass mein Vater mein Tennis am besten kennt, was funktioniert und was nicht.
Für Sie, Jil, wäre das Konzept eines Tochter-Vater-Gespanns nicht in Frage gekommen?
Teichmann: O nein! (sie grinst in Richtung des Vaters, der auf einem Sofa in der Nähe sitzt). Nein, das kam nie in Frage. Auch darum, weil er sich im Tennis nicht so auskennt. Ich hatte schon immer Trainer. Aber ich habe ein gutes und enges Verhältnis zu meinem Vater. Er ist immer da, wenn ich ihn brauche. Ich kann über alles mit ihm reden.
Wie lange kennen Sie beide sich schon?
Teichmann: Seit wir 13, 14 sind. Seit ich aus Barcelona in die Schweiz kam.
Bencic: Ja, seit derTeam-EM U14.
Teichmann: Wir kannten uns nicht, aber nach 10 Stunden im Auto war das anders. Wir fuhren nach Slowenien zum U14-Summer-Cup. Wir hatten es sehr lustig.
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Am Heimturnier in Lugano hatten Jil Teichmann und Belinda Bencic zwar kein Wettkampfglück und schieden in der Startrunde aus, Ende April liefen aber beide zu grosser Form auf. Als strahlende Lugano-Siegerin konnte sich die Slowenin Polona Hercog feiern lassen.
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Was bewundern Sie an Belinda?
Teichmann: Dass sie so bodenständig ist, offen und fröhlich. Mit ihr kann man über alles reden. Sie ist eine gute Freundin. Im Tenniszirkus ist es nicht einfach, gute Leute zu finden, bei denen du weisst, dass sie nicht hintenrum über dich reden. In Sachen Tennis bewundere ich am meisten ihr Timing. Das hätte ich auch gern. Sie trifft den Ball immer da vorn, egal, wie er kommt.
Und welche Vorzüge hat Jil?
Bencic: Erstens wäre ich sehr gerne Linkshänderin. (lacht) Ich bewundere Jil, weil sie so natürlich spielt, mit Instinkt. Bei mir ist alles so gedrillt. Oder nein, vielleicht ist das das falsche Wort. Ich habe vielleicht nicht so viel natürliches Talent. Ihr Spiel hat für mich etwas Unberechenbares. Plötzlich kommt ein Vorhand-Longline-Winner. Es sieht so leicht aus bei ihr. Als Mensch ist es leicht, mit ihr auszukommen. Sie ist eine fröhliche Person. Wie Jil gesagt hat, es ist nicht ganz einfach, auf der Tour gute Freundschaften zu pflegen. Bei den Juniorinnen ist alles noch so lustig. Auf der WTA-Tour sind viele sehr ernst. Darum ist es schön, die alten Zeiten aufleben zu lassen.
Vor einem Jahr haben Sie, Belinda, gesagt, es sei Ihnen egal, ob Sie in Ihrer Karriere Grand-Slam-Titel gewinnen. Sie hätten schon mehr erreicht, als Sie sich je erträumten. Unterschreiben Sie das noch immer?
Bencic: Ja. Klar ist es mein Beruf, und ich versuche,mein Potenzial auszureizen. Aber wenn ich alt bin, werde ich nicht nach der Anzahl Titeln bewertet. Meine Karriere wird zwar nach Zahlen bewertet. Aber mein Glück, mein Leben hängt nicht davon ab.
Teichmann: Das Wichtigste ist, dass ich alles gegeben habe. Ob es zu etwas reicht, werde ich dann sehen. Das Leben ist viel mehr als nur die Karriere und der Job. Ich sehe das ähnlich. Wenn ich erfolgreich sein sollte, nehme ich das natürlich gern. Aber es gibt genug Leute, die wenig haben und trotzdem sehr glücklich sind. Solange ich mir nicht vorwerfen muss, nicht alles gegeben zu haben, kann ich mit fast allem leben. ∞