«Ich möchte die Menschen inspirieren, hinauszugehen in die Natur. Denn unsere Welt hat wirklich magische Plätze»
In seinem Wohnzimmer hängt ein besonderes Foto. Es zeigt einen gefrorenen, schneebedeckten See, dahinter am Ufer einen mystischen Tannenwald, die aufgehende Sonne leuchtet zwischen den Ästen hindurch. Loïc Meillard hat es im schwedischen Kåbdalis selbst aufgenommen und zu Hause gross ausgedruckt. Ihm gefällt das Werk – nicht nur aufgrund des Endresultats. Sondern vor allem wegen der Geschichte dahinter und den Emotionen, die er mit dem Bild verbindet. «In der Vorbereitung für den Weltcup in Levi waren wir in diesem Skigebiet. An einem freien Tag bin ich bin extra früh aufgestanden, um im Wald zu fotografieren. Ich bin sehr weit zu Fuss gelaufen, hatte danach kalte und nasse Füsse, aber es hat sich gelohnt», erinnert sich Meillard an die Entstehungsgeschichte der Wohnzimmerdekoration.
Seit sechs, sieben Jahren – ganz genau weiss er es nicht mehr – ist das Fotografieren das liebste Hobby des 23-jährigen Wallisers. «Es ist für mich die ideale Ergänzung zum Skifahren. Ich kann so den Kopf lüften und Kraft tanken.» Zu seinen Lieblingssujets gehören Landschaften und Sportaction, manchmal lichtet er auch die Kollegen ab. Sie freuen sich über neuen Inhalt für Social Media. «Ich halte das fest, was mich beschäftigt im Leben.» Die Berge und die Natur haben ihn schon immer fasziniert. «Es geht mir darum, das, was ich sehe und entdecke, mit anderen zu teilen und für sie zugänglich zu machen. Ich möchte die Menschen inspirieren, hinauszugehen in die Natur, statt zu Hause zu sitzen. Denn unsere Welt hat wirklich magische Plätze.»
Der Ehrgeiz drückt beim Skirennfahrer auch bei seinem Hobby durch. Er liest Sachbücher, schaut sich Online-Videos an und lässt sich von seinem Lieblingsfotografen, dem Amerikaner Chris Burkard, inspirieren. Und wenn er selber vor der Kamera steht, beobachtet er die Profis am Werk. «Ich schaue, welche Kameras sie haben, welche Linsen, aus welchem Winkel sie fotografieren. Das gibt mir auch ein anderes Auge für meine Fotos», sagt Meillard. Auch sein Equipment hat er professionalisiert: Während er am Anfang bloss mit einem kleinen, einfachen Fotoapparat unterwegs war, besitzt er heute zwei grosse Kameras – Sony A73 und A72 –, eine Kompaktkamera, mehrere Objektive und eine Drohne. Ob er sein Hobby demnächst ganz zum Beruf macht? «Sag niemals nie.» Doch vorerst bleibt das Fotografieren für ihn die ideale Abwechslung, die ihm hilft, seinen Beruf als Skirennfahrer noch besser auszuüben.
«Am Schluss hat mein Herz jedoch mehr fürs Skifahren geschlagen, für den Speed und das Adrenalin»
Endlich ist es so weit: Luca Aerni steht im Frühling 2018 vor dem Juventus-Stadion in Turin und freut sich, seinen Lieblingsfussballklub und sein Idol, Torhüter Gian-Luigi Buffon, endlich live spielen zu sehen. Es ist ein Geschenk der Familie an den Vater zum 60. Geburtstag. Luca freut sich darüber jedoch mindestens so sehr. Dann der Schock: Familie Aerni wird am Eingang gestoppt, die Tickets stellen sich als ungültig heraus, da wohl aus Versehen über eine illegale Vorverkaufsstelle erworben. Doch Aerni ist es vom Sport her gewohnt, das Positive zu sehen. «Wir hatten danach dennoch eine super Zeit in Turin!» Und er verrät: Der nächste Versuch, Juve live zu sehen, ist bereits in Planung.
Aerni ist nicht nur Fussball-Fan – er hat eine Laufbahn als Aktivsportler hinter sich. Mit zwei Jahren steht er erstmals auf den Ski, und im gleichen Alter kickt er zu Hause die ersten Bälle. Als Vierjähriger zieht er dann mit seiner Familie von Crans-Montana nach Grosshöchstetten BE, dort tritt er schon bald dem Fussballklub bei. Bis zu den B-Junioren ist er Goalie. Sein Traum? Einmal bei Juventus Turin zu spielen. Als 14-Jähriger wird er für ein Probetraining im regionalen Stützpunkt aufgeboten. Da kommt für Aerni der Moment, als er sich zwischen seinen zwei Sportarten entscheiden muss. «Das war nicht einfach. Am Schluss hat mein Herz jedoch mehr fürs Skifahren geschlagen, für den Speed und das Adrenalin.»
Heute kickt Aerni regelmässig mit den Ski-Kollegen. Dem Siegerteam winkt jeweils ein Drink. «Sogar Yule hat Fortschritte gemacht», sagt Aerni und lacht. Zeit, sich live Fussballspiele anzusehen, hat der YB-Fan selten. Dafür verfolgt er die Champions League und die Schweizer Liga am TV. Wenn er einmal ein Spiel besucht, dann trägt Aerni mit Stolz das YB-Shirt mit seinem Namen und der Nummer 1 drauf, welches er nach seinem Kombi-Weltmeistertitel von YB-Sportchef Christoph Spycher überreicht bekommen hat. Das Trikot entschädigt ihn dafür, dass er die beiden YB-Meisterfeiern verpasst hat.
«Beim Skifahren treibt einen die Schwerkraft bergabwärts, beim Kitesurfen die Kraft des Windes über das Wasser. Ein Gefühl von Freiheit!»
Er traut sich kaum, es laut auszusprechen. Aber ja, Ramon Zenhäusern mag das Meer genauso gern wie die Berge. Und die Wärme gar noch lieber als die Kälte. Er liebt auch alle möglichen Arten von Wassersport: Wakeboarden, Wasserskifahren, Wind- und Kitesurfen, Katamaransegeln oder Schwimmen. Und das, obwohl er an seinen ersten Schwimmkurs in Visp, den er als Vierjähriger als Vorbereitung auf die Sommerferien mit der Familie in Griechenland besucht, keine guten Erinnerungen hat. «Ich weiss noch genau: Als meine Mutter jeweils an der Kasse den Eintritt löste, rannte ich immer schon davon.»
Das liegt jedoch nicht am Wasser – im Gegenteil. «Ich mochte es nicht, weil wir draussen trainierten und es oft kalt war. Wir haben dann lange nur auf der Wiese Trockenübungen gemacht», erzählt er und schmunzelt. Doch auch die Trockenübungen tragen Früchte: «Meine Mutter erzählt noch heute, dass es wohl dennoch genützt hat und ich in den Ferien dann sofort schwimmen konnte.»
Heute schwimmt der 2-Metermann mit Schuhgrösse 48, der mit seiner Statur auch gute Voraussetzungen für einen Spitzenschwimmer gehabt hätte, in den vierwöchigen Sommerferien am Meer jeweils jeden zweiten Tag drei Kilometer. «Das ist ein super Ausdauertraining, welches die Gelenke schont.» Auch sonst ist nichts mit Nichtstun in den Sommerferien für Zenhäusern. Täglich geht er Kitesurfen. Daran fasziniert ihn wie beim Skifahren das Tempo. «Man bewegt sich ohne Benzin oder Strom, nur durch die Kraft der Natur fort. Beim Skifahren treibt einen die Schwerkraft bergabwärts, beim Windsurfen, Kiten oder Katamaranfahren die Kraft des Windes über das Wasser. Ein Gefühl von Freiheit!»
Wie im Schnee sucht der 27-Jährige auch auf dem Wasser die Grenzen, will möglichst schnell sein. Genuss und Ambition kann er jedoch gut kombinieren, ohne sich dabei auf konkrete Zahlen oder persönliche Rekorde zu fixieren. «Wenn ich ganz allein auf dem Wasser meine Ruhe geniessen kann, die Sonne auf dem Meer glitzert und ich mich ins Segel oder in die Seile hänge – das ist ein Gefühl, viel besser
als jede Zahl.» Und fast so gut wie ein Sieg auf der Skipiste.
«Wenn Daniel Yule etwas sagt, dann hören die Leute heute zu. Das hätte ich früher nie im Leben gedacht. Doch es ist auch eine grosse Verantwortung»
Daniel Yule sagt, was er denkt. Das war schon immer so. Ob früher zu Hause und in der Schule oder heute im Skizirkus und in der Öffentlichkeit. «Mein Lehrer im Vorgymnasium meinte: Wenn es etwas zu motzen gibt, bist du immer der Erste», erzählt Yule und lacht. Doch ihm geht es nicht ums Jammern, sondern darum, etwas zu bewegen. «Das ist Teil meiner Persönlichkeit, als Athlet, als Mensch. Wenn man etwas ändern will, kann man nicht warten, bis sich von allein etwas tut.» So engagiert sich Yule etwa in der Athletenkommission des internationalen Skiverbandes FIS mit dem Hauptziel, dass ein breiteres Feld von Athleten vom Skisport leben kann.
Zudem machte der 26-Jährige im vergangenen Winter nicht nur mit guten Resultaten Schlagzeilen, sondern etwa auch mit seiner öffentlichen Kritik an FIS-Präsident Gian Franco Kasper, welcher in einem Interview den Klimawandel infrage stellte. Für seine Äusserungen muss Yule wegen seiner Vielfliegerei für die Wettkämpfe auch Kritik einstecken. «Macht nichts, davon lebe ich ja, im Sport und sonst im Leben», sagt er und stellt klar: «Es ging mir nie darum, zu sagen, dass ich perfekt bin. Ja, ich fliege viel herum, doch ich leugne die Konsequenzen nicht. Ich will zur Information und zur Aufklärung beitragen.» Diese Diskussionskultur – auch in politischen Themen – wurde im Hause Yule schon früh gefördert. Abzustimmen und wählen zu gehen hat für die Familie – die Mutter ist Schottin, der Vater Engländer, Daniel ist das mittlere von drei Geschwistern – Tradition. «Ich kann mich gut an die Zeit vor etwa zwölf Jahren erinnern, als mein Vater noch nicht Schweizer Bürger war und er oft sagte: Es wäre gut und wichtig, wenn ich Einfluss nehmen dürfte. Als meine Eltern den Schweizer Pass erhielten, war das eine grosse Sache.» Heute setzt sich vor Abstimmungen jeweils die ganze Familie an einen Tisch und diskutiert über verschiedene Vorlagen, Parteien oder Politiker. «Dann stimmen wir brieflich ab. Wir haben nicht immer die gleiche Meinung. Das ist gut, denn es gibt wieder andere Denkanstösse.»
Sonst so offen und nie um eine Aussage verlegen, hält Yule seine politische Gesinnung jedoch privat – auch aufgrund von Sponsorenverträgen, die ihm öffentliche Äusserungen diesbezüglich verbieten. «Mit dem Klimathema bin ich haarscharf an der Grenze vorbeigeschrammt.» Was andere Themen betrifft, wird er sich jedoch auch in Zukunft nicht zurückhalten. «Wenn Daniel Yule etwas sagt, dann hören die Leute heute zu. Das hätte ich früher nie im Leben gedacht. Doch es ist auch eine grosse Verantwortung.» Eine, die ihn nicht zu zerdrücken scheint, sondern ehrt und weiter antreibt.