Betritt man die neuen Büros von Schweiz Tourismus in der früheren Stadthalle von Zürich, wähnt man sich bei Google: eine lange Eingangsröhre, sinnigerweise «Gotthardtunnel» genannt, eine elegante Rampe, die «Tremola», welche die Stockwerke verbindet, und Sitzungszimmer mit Namen von Schweizer Seen, Pässen und Bergen. Ein cooler Ort für touristische Höhenflüge!
Herr Nydegger, bevor wir über den Winter reden: Wie lief das Sommergeschäft für den Schweizer Tourismus?
Gut! Von Mai bis September verzeichneten wir bei den Logiernächten ein Plus von 2,5 Prozent. Das ist ein solider Wert, vor allem, wenn wir bedenken, dass wir in den Bergen zwischen 2008 und 2016 über 40 Prozent unserer europäischen Gäste verloren haben. Jetzt haben wir die Trendwende geschafft.
Auch die letzten beiden Winter waren wieder besser. Und jetzt hat es bereits im November geschneit. Ein gutes Omen für die Saison 2019/20?
Auf jeden Fall! Der Schnee ist entscheidend, auch wenn nicht mehr ganz so stark wie früher. Mittlerweile finden diverse Winter-Aktivitäten neben der Piste statt. Wir haben letztes Jahr zusammen mit der Universität St. Gallen eine Studie gemacht und gefragt: Was wollen Wintertouristen? Auf Platz eins stehen Skifahren und Snowboarden, aber bereits auf Rang zwei das Gemeinschaftserlebnis. Das haben wir nicht so signifikant erwartet: Die Menschen machen Winterferien, um zusammen Zeit zu verbringen.
Aber ohne Schnee geht es nicht. Machen Sie sich wegen des Klimawandels nicht Sorgen um den Wintertourismus?
Der Klimawandel beschäftigt uns schon lange. Die Hauptmotive für Ferien in der Schweiz sind Landschaft, Berge, Natur. Diese drei Faktoren sind vom Klimawandel betroffen. Doch wir haben in der Schweiz geografisch eine vorteilhafte Ausgangslage: 29 Skigebiete führen auf über 2800 Meter. Viele Destinationen, ich denke da ans Wallis, das Berner Oberland oder an Andermatt, sind sehr schneereich. Wir werden noch jahrzehntelang in der Schweiz Ski fahren können.
Wie gross ist Ihre Lust aufs Skifahren?
Sehr gross. Ich bin ein begeisterter Wintersportler. Zwanzig Jahre lang bin ich Snowboard gefahren. Letzten Winter ging meine Bindung kaputt. Da dachte ich, das ist wohl ein Zeichen, dass ich zu alt bin zum Snowboarden (lacht) und wieder vermehrt Ski fahren sollte. Jetzt wechsle ich gerne ab – und miete die jeweilige Ausrüstung vor Ort.
Und Ihre Familie?
Als Eltern hat man die Aufgabe, die Freude am Skisport den Kindern weiterzugeben. Wir gehen jedes Jahr ein paarmal Ski fahren, tageweise, an den Wochenenden, und wir machen klassische Winterferien.
Wie sehen diese bei Nydeggers aus?
Eine Woche in einer Ferienwohnung in Scuol im Unterengadin. Ich war dort mehrere Jahre Tourismusdirektor, und mein Sohn findet das Skigebiet grossartig. Ski-Wochenenden verbringen wir gerne im Hotel. Diese Saison möchten wir vermehrt ins Wallis gehen, Aletschgebiet, Verbier, Zermatt. Und im Januar gehe ich mit meiner Frau an die Weltcuprennen nach Adelboden.
Wenn Sie mittags einkehren: Selbstbedienung oder gemütliche Bergbeiz?
Ganz klar Letzteres – und zwar mit all den regionalen Spezialitäten. Ich schätze das Angebot in unseren Skigebieten sehr. Vergangenes Jahr war ich an einem Kongress in Whistler Mountain, Kanada. Das Skigebiet dort ist tipptopp, aber kulinarisch eine Katastrophe. Keine kleinen Beizen, nur riesige Selbstbedienungs-Restaurants, Funktionsfood, um Kalorien zu bolzen. Total charmefrei. Doch für die meisten Gäste dort, vor allem Amerikaner, stimmt das. Wir Europäer ticken da anders, wir wollen den Wintersporttag auch kulinarisch geniessen.
Was ist Ihre erste Ski-Erinnerung?
Les Prés-d’Orvin im Jura. Weil ich im Seeland aufgewachsen bin, habe ich mit fünf Jahren dort Ski fahren gelernt. Den Schlepplift gibt es noch immer. Sehr gut in Erinnerung geblieben sind mir auch unsere Schulskilager in Schönried.
Ah, wir waren in Saanenmöser im Gymer-Skilager und sind in Schönried zum ersten Mal überhaupt in die Disco gegangen, in die «Grotte».
(Lacht.) Die kenne ich. Dort habe ich zum ersten Mal ein Mädchen geküsst. Zum Glück gibt es Skilager immer noch, aber leider weniger. Wir arbeiten daher zusammen mit der Schweizer Schneesportinitiative GoSnow, die solche Skilager unterstützt und ermöglicht.
Bitte geben Sie unseren Leserinnen und Lesern noch ein paar Tipps: Winterferien für Familien?
Es müssen nicht immer die grossen Skigebiete mit 200 Pistenkilometern sein. Empfehlenswert sind die Reka-Feriendörfer, etwa in Disentis, Hasliberg oder Zinal. Auch Jugendherbergen sind für Familien interessant. In Zermatt gibt es eine neue, tolle Jugi, in Saas-Fee sogar eine neue mit Wellness-Zugang. Wir selber gehen gerne auf die Elsigenalp ob Frutigen. Ein kleines, übersichtliches Skigebiet mit viel Charme.
Wo gehen 20- bis 30-Jährige hin?
Da darf mehr los sein, auch im Ausgang. Davos, Laax und Engelberg passen gut. Und in der Westschweiz Crans-Montana, Verbier, Leysin oder Les Diablerets. Wir Deutschschweizer sollten sowieso vermehrt in die Romandie reisen und deren Kultur geniessen, gerade im Winter gibt es so viel zu entdecken.
Für Senioren?
Sie interessieren sich oft auch für Nicht-Pistenangebote. Melchsee-Frutt ist ideal zum Winterwandern oder Eisfischen auf dem See. Das Oberengadin bietet auch im Winter ein grossartiges Wanderangebot. Und weiter: Langlaufen im Goms, Baden in Leukerbad, Husky-Schlittenfahren im Vallée de Joux, Schneeschuhwandern in Appenzell.
Skiferien in der Schweiz sind halt schon teuer, vor allem für Familien. Was raten Sie da?
Ich möchte vorausschicken, dass die Schweiz nicht so teuer ist, wie man immer meint. Seit 2015 sind die Unterkunftspreise hierzulande um 6 Prozent gesunken, in Österreich stiegen sie hingegen um 24 Prozent. Klar, die Schweiz ist keine Billig-Destination, aber der Preisunterschied ist längst nicht mehr so gross. Und es gibt immer günstige Alternativen, bei Ferienwohnungen, in Feriendörfern oder in Drei-Sterne-Hotels, die ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. In vielen Skigebieten fahren Kinder teilweise gratis, in der Jungfrauregion immer am Samstag, in Splügen sogar permanent. Mit den SBB haben wir zudem ein attraktives Angebot lanciert, das den Transport des Gepäcks von daheim bis direkt in die Ferienunterkunft sicherstellt, also von Tür zu Tür. 70 Ferienorte und über 300 Hotels machen bei diesem Service bereits mit. Wir sind im Wintersport mit Hochdruck daran, die Bequemlichkeit für die Gäste zu verbessern.
Was halten Sie von Dynamic Pricing bei den Bergbahnen?
Die Dynamisierung der Preismodelle in unseren Wintersportgebieten erachte ich als sehr positiv, die Gäste werden grundsätzlich davon profitieren. Starre Preise sind nicht mehr zeitgemäss.
Wenn der Skipass in St. Moritz 100 Franken kostet, kann das böses Blut geben.
Natürlich. Aber wir akzeptieren bereits unterschiedliche Preise im Flugzeug oder in der Hotellerie. In den Wintersportgebieten setzt sich das auch durch.
Wo bekomme ich auf die Schnelle für Weihnachten/Neujahr noch ein Hotelzimmer in den Schweizer Alpen?
Die Feiertage sind bereits gut gebucht. Auf MySwitzerland.com finden Sie aber auch kurzfristig noch eine winterlich-kaminfeuerwarme Unterkunft. Es lohnt sich dabei, offen und flexibel zu sein, dann kann man spannende, kleine, unbekannte Destinationen entdecken.