Er quietscht vor Begeisterung, hält sich dann die Hand vor den Mund und flüs-tert: «It’s a baby»! Juan Miguel Hernández zeigt nach links ins trübe Wasser. Sofort recken die Insassen des Bootes ihre Köpfe in diese Richtung. Unter den tief hängenden Ästen blitzen zwei Augenpaare auf. Ein kollektives «Oooh» ist zu hören. Dort im Dickicht tummeln sich ein Fischotter-Weibchen und sein Nachwuchs. «That’s very special», raunt Tourguide Hernández. In einem Land, in dem Brüllaffen, Faultiere und Krokodile zur Tagesordnung gehören, sind es also Fischotter, welche die Locals in Ekstase versetzen. Willkommen in Costa Rica!
Wir befinden uns im Parque Nacional Tortuguero, der an der Karibikküste im Nordosten liegt. Seit den Siebzigerjahren steht das Gebiet, das nur per Flugzeug oder Schiff zu erreichen ist, unter Schutz. Die Strände sind bekannt als Brutplätze für Meeresschildkröten. Gleich vier der acht noch existierenden Arten sind hier heimisch. Die Eiablage am Strand können Touristen von Juli bis September auf speziell geführten Touren miterleben. Aber auch im Frühjahr, in der Hauptreisezeit, schlagen die Herzen eines jeden Tierfreundes höher. Der Nationalpark wird dank seiner enormen Biodiversität als «Mini-Amazonas» bezeichnet.
Es ist acht Uhr morgens, als das Boot nach der zweistündigen Tour durch die Canales de Tortuguero zurück in Richtung Turtle Beach Lodge gleitet. Wie fast alle Unterkünfte im Nationalpark kann auch diese bereits von zu Hause aus über TUI gebucht werden. Neben Juan Miguel Hernández sind an diesem Morgen auch die Touristen auf ihre Kosten gekommen. Alle machten ihre Aufwartung: exotische Vögel wie der Tuberkelhokko, Kaimane und Klammeraffen. «Wir befinden uns hier an einem der besten Tierbeobachtungsorte von Costa Rica. Zwei bis drei spannende Sichtungen haben wir auf jeder Tour», erklärt Hernández. Für ihn ist der Fischotter ein Highlight, weil die scheuen Tiere sich nur selten zeigen. Seit neun Jahren arbeitet der Costa Ricaner als Tourguide. Die Arbeit sei «ein Glücksfall». Der 35-Jährige studierte einige Semester Tropenbiologie. «Ich habe mich schon als Junge für nichts anderes als unsere Natur interessiert.» Wegen mangelnder Jobchancen sattelte er dann auf Tourguide um. «Es ist schön zu beobachten, welche Tiere Jahr für Jahr an dieselben Brutplätze zurückkehren. Wir leben in Costa Rica inmitten eines riesigen Naturschatzes.» Im Dschungel einen Guide zur Seite zu haben, lohnt sich. Während alle zur Lodge laufen, stoppt uns Hernández und zeigt nach oben. Ein Faultier hat es sich in der Baumkrone gemütlich gemacht.
Wer das Boot als Fortbewegungsmittel als zu gewöhnlich empfindet, kann es mit Wildwasser-Rafting probieren. Schon seit den Achtzigerjahren wird dieser Adrenalinkick in Costa Rica touristisch vermarktet. Einer der ersten Anbieter war das Unternehmen Rios Tropicales, das Eintagestouren und mehrtägige Trips anbietet. Sein Hoheitsgebiet: der Rio Pacuare, der im Hochland der Provinz Limón entspringt und nach über hundert Kilometern im Karibischen Meer endet. Wer eine mehrtägige Tour bucht, kriegt seine Siebensachen, die er für die Übernachtung im Dschungel braucht, in wasserfeste Taschen verpackt. Danach übernimmt Riverrafting-Guide Esteban Badilla Sanchez das Ruder. Im Nu hat der 31-Jährige die maximal sechs Gäste auf einem Schlauchboot instruiert und steuert mit den fleissig paddelnden Insassen den Fluss hinunter. Wie fast alle Guides ist auch Sanchez in der Region aufgewachsen. Er kennt jede Stromschnelle des Flusses «im Tiefschlaf». Der Ruf der costa-ricanischen Riverrafter ist so gut, dass sie abgeworben werden. Sanchez verbringt die Sommersaison jeweils im kanadischen Calgary. «Die Amerikaner sind gute Rafter. Aber sie können nur während drei Monaten auf die Flüsse. Wir hingegen das ganze Jahr hindurch.»
Nach der Ankunft in der Rios Tropicales Lodge stellen sich Sanchez und seine Kollegen in die offene Küche und bereiten das Abendessen vor. Als Apéro tischen sie eisgekühlte Piña Colada und Patacones (gebratene Bananenscheiben) auf. Mangels Handyempfang erfreuen sich die Brettspielsammlung und die Hängematten mit Blick auf den Fluss grosser Beliebtheit. Wer hier döst, hört einzig das Rauschen des Flusses.
Was wären Ferien in den Tropen ohne ein paar Tage am Strand? Ein einstiger Geheimtipp, der sich zum Surf-Hotspot gemausert hat, ist Santa Teresa. Das ehemalige Fischerdorf liegt an der Pazifikküste am südlichen Ende der Nicoya-Halbinsel. Steigt man hier aus dem Bus, bläst einem zuerst eine gehörige Portion Staub ins Gesicht. Auch wenn sich das Touristenaufkommen gesteigert hat, an der Infrastruktur hat sich wenig verändert. Dreh- und Angelpunkt des Ortes ist noch immer eine Schotterstrasse, die der Küste entlangführt. Die vornehmlich jungen Leute in eher knappen Badeoutfits haben hier entweder das Surfbrett unter den Arm geklemmt oder die Yogamatte geschultert. Cafés und Restaurants preisen eisgekühlten Soja Latte und vegane Speisen an.
Erste Station für Neuankömmlinge ist «The Bakery», die mit ihrer pinken Leuchtreklame und den Stühlen im Brocki-Look auch in Brooklyn oder Berlin stehen könnte. Von den Avocado-Toasts über die «Pancakes of the Caribbean» bis hin zu den Fish-Tacos wird alles auf knallbunten Tellern serviert. Überhaupt: Die Dichte an hippen Lokalen ist hoch. Für einen Smoothie geht man ins Cafe Social. Sehr lecker: «Mango Passion» mit Chiasamen. Das frischeste Sushi gibt es im «Satori», die besten Bowls im «Bali Beach Deli», und für den Sonnenuntergang setzt man sich am Strand ins «El Carmen», bestellt einen Mojito und schaut zu, wie der Himmel über dem Pazifik langsam rot wird.
Die vielen kleinen Concept-Stores entlang der staubigen Strasse wirken genauso stylisch wie
die Cafés. Johanna van Parijs gehörte zur ersten Welle von Unternehmerinnen, die in Santa Teresa einen Shop eröffneten. Die Belgierin kam vor dreizehn Jahren hierher. «Wegen der Wellen und der Natur.» Heute designt die Künstlerin Kleider, malt Bilder und bietet Kristall-Massagen an. Um andere Frauen zu unterstützen, stellt sie diesen in ihrem Shop Verkaufsflächen zur Verfügung. Eine Freundin preist hier Duftkerzen an. Eine weitere verkauft ätherische Öle. «Auch wenn sich bei uns viel verändert hat, achten wir darauf, dass keine grossen Ketten im Ort Fuss fassen.» Das Gemeinschaftsgefühl sei gross. «Wir versuchen, die Einzigartigkeit von Santa Teresa zu bewahren.»
Lust auf eine Übernachtung im Dschungel? Auch das bietet Costa Rica. Zum Beispiel im «Drop In Costa Rica» bei einer Schweizer Familie: Vor neun Jahren wanderten Mike Wiedmer, 44, und Nicole Gerstner, 47, mit ihren Kindern Joshua, 19, Joaquin, 14, und Joseline, 13, nach Santa Teresa aus. Das Paar hatte sich 2001 auf einer Costa-Rica-Reise in die puderzuckerweissen Strände der Pazifikküste verliebt. Und in die entspannte Lebensweise. Die Thuner liessen sich damals bei ihrem Abenteuer von einem Fernsehteam der SRF-Sendung «Auf und davon» begleiten. Ihr Plan: Ferienhäuser an Touristen zu vermieten. Nach langer Suche fanden sie ein Stück Land, nur fünf Minuten Fussweg von der Playa Paraiso entfernt. Heute stehen hier das Privathaus der Familie sowie die drei Ferienhäuser. Die Schweizer sind in Costa Rica heimisch geworden. «Wir fühlen uns wohl hier», sagt Mike Wiedmer. «Die Schweiz hatten wir nie satt. Wir wollten uns diesen Traum erfüllen», fügt Nicole Gerstner hinzu. Hier leben sie entschleunigt und reduzierter. Barfuss. Zu tun gibt es aber immer was. Im letzten Jahr bauten sie ihr neustes Bijou: das Yoga-Treehouse, das sie für Retreats vermieten. Ihr Luxus? Die Flüge in die Schweiz. Ihr ältester Sohn ist für seine Ausbildung in die Heimat zurückgekehrt. «Alle paar Monate will ich ihn sehen», so Gerstner.
Das Paradies ist für die Familie nie zum Alltag geworden. Wenn am frühen Morgen die Affen in den Palmen herumturnen, dann beobachten sie das Schauspiel noch immer fasziniert. Ihre Begeisterung für Costa Rica können sie in solchen Momenten kaum verbergen.
5 for the road
Anreise Nonstopflug nach San José mit Edelweiss ab Zürich. www.flyedelweiss.com, www.visitcostarica.com
Drop In Costa Rica Zwei Ferienhäuser mit Pool. Eines im Baumhaus-Stil. www.dropincostarica.com
Bali Beach Deli Bowls, Smoothies, Sandwiches in Santa Teresa. www.facebook.com/balibeachdeli
El Carmen Cocktails an der Playa Carmen in Santa Teresa.
Rios Tropicales Wildwasser-Rafting und Übernachtung in der Dschungellodge.