Die Schnatter-Rufe der Geckos, das Zirpen der Grillen und der sanft durch die Gräser streichende Wind legen einen beruhigenden Klangteppich über die Stille der Dunkelheit. Während es in Kambodschas Städten abends ganz schön laut werden kann, sich buddhistische Gebetsmusik mit wummernden Karaoke-Bässen mischt, ist es hier draussen auf dem Land angenehm ruhig. Nach dem Abendessen haben sich die meisten Gäste im Eco-Resort Ganesha Kampot in ihre einfachen, mit Bastmatten ausgelegten Hütten verzogen. Einige lesen, eingehüllt ins Moskitonetz, noch ein Buch mit der Stirnlampe. Doch die Müdigkeit ist oft stärker. Und so verabschiedet man sich, eingelullt vom propellernden Deckenventilator, früh wie sonst nie in den Schlaf.
Es schwingt jeweils Missgunst mit, wenn uns jemand mit den Worten «Geh dahin, wo der Pfeffer wächst!» ins Niemandsland verwünscht. Tatsächlich ist es aber sehr angenehm hier, in diesem Pfefferland im Süden Kambodschas. Den Namen «Kampot» assoziieren viele lediglich mit dem weltbekannten Gourmetgewürz, dem Kampot-Pfeffer. Die namensgebende Region aber ist kaum bekannt. Im Zentrum der von Reisfeldern und sanften Hügellandschaften geprägten Provinz, in der einstigen Kolonialstadt Kampot, geht es entsprechend beschaulich zu und her. Die grosse Touristenmasse in Kambodscha besucht vor allem die berühmten Tempelanlagen von Angkor, vielleicht noch die Hauptstadt Phnom Penh oder ein Beach-Resort in Sihanoukville. Hier aber trifft man eine tiefenentspannte Gästeschar von Künstlertypen und Genussmenschen, die es allesamt nicht eilig haben. Sie gönnen sich eine Pause von der Reiserei, «verblöterlen» ihre Zeit rund um den alten Markt. Sie las-sen im Epic Arts Café – einem Restaurant, das gleichzeitig Locals mit Behinderung integriert und Kunsthandwerk fördert – den Tag bei einem Scone mit Bananenkonfitüre oder einem Hummus-Bagel sanft starten. Oder trinken erst mal einen Flat White (die hippe Variante des Milchkaffees) im «Espresso», einer coolen Kaffeerösterei. Früher oder später bleiben viele bei Dorsu, einem Shop mit lokal produzierter, zeitloser Mode, hängen. Oder bei Mathilda, einer französischen Grafikkünstlerin, die auch Tattoos sticht.
Gesundheitsbewusste nehmen Yoga-Unterricht im ersten Stock von «Simple Things», einem Vegi-Restaurant. Und bestellen danach unten den fast schon obligaten Detox-Smoothie. Unternehmungslustige machen einen Ausflug zum mystischen Bokor Mountain oder ins 25 Kilometer entfernte Küstenörtchen Kep. Tipp: frühmorgens die Fischer und das geschäftige Treiben auf dem Crab Market beobachten! Und danach den frischen Seafood direkt vom Grill geniessen, zubereitet mit Pfeffer und Chili. Auch toll: Mit einem Kajak am Stadtrand von Kampot durch die Green Cathedral paddeln, einen ruhigen, von unzähligen Vogelarten bewohnten Seitenarm des Teuk-Chhou-Flusses, an dem auch das Eco-Resort Ganesha und zahlreiche weitere Resorts liegen (fast alle vermieten Kajaks). Wer zwischendurch Action braucht, bucht bei Climbodia eine Klettertour in den nahen Kalksteinhöhlen oder mietet ein Bike und radelt alleine oder mit Guide (z. B. von WE Cycling Tour) raus aufs Land, in die Dörfer und zu den Reisfeldern, auf denen oft schon die Kleinsten bei der Ernte mithelfen müssen.
Und dann sind da die Pfefferplantagen – erreichbar per Bike, Motorrad oder Tuk-Tuk. Auf dem speziell quarzhaltigen Boden und unweit vom salzigen Meer wachsen ganz ohne künstlichen Dünger die bis zu zehn Meter hohen Pfeffersträucher – Kletterpflanzen, an denen die aromatischen, süsslich-scharfen Beeren reifen. Früh geerntet sind sie grün (frischer, grüner Pfeffer), getrocknet nehmen sie eine dunkle Farbe an (schwarzer Pfeffer), ausgereift sind die Früchtchen rot (roter Pfeffer) – und für weissen Pfeffer weicht man die roten Pfefferbeeren mehrere Tage in Wasser ein, sodass sich die Schale ablöst. Fast alle Arbeitsschritte erfolgen in aufwendiger Handarbeit. Die jahrhundertealte Tradition des Pfefferanbaus ging in den Siebzigern durch die Machtergreifung der Roten Khmer fast verloren. Das Regime unter Diktator Pol Pot löschte die intellektuelle Elite des Landes aus und wollte aus Kambodscha einen Bauernstaat machen. Die Pfefferplantagen wurden niedergebrannt, die Flächen für Reis- und Gemüseanbau genutzt. Dadurch verschwand der Kampot-Pfeffer auf dem Weltmarkt.
Die Initiative zum Wiederanbau ergriffen im von Armut geprägten Kambodscha in den letzten 25 Jahren zahlreiche Europäer. Deshalb erstaunt es nicht, dass bis heute viele Plantagen mit Hilfsprojekten verknüpft und in französischer, holländischer oder auch Schweizer Hand sind. So etwa die Khemara-Plantage von drei Schweizer Unternehmern oder die Swiss Farm des mittlerweile in Biel lebenden Kambodschaners Khom Phy, der mit Gewürzhändler Markus Lehmann unter dem Label Goût du Terroir Schweizer Delikatessläden und Spitzenköche wie Tanja Grandits oder Reto Lampart beliefert. Die Swiss Farm kann auf Anfrage besucht werden, ein Mitarbeiter spricht Englisch (Infos: www.goutduterroir.com). Sie ist allerdings nicht auf grosse Touristenströme ausgerichtet. Besser geeignet ist diesbezüglich etwa La Plantation, eine Farm mit dazugehörigem Restaurant (Tipp: Eggplant Lok Lak und Pfeffertee!) und Kochkursen. Hier kann man auch Pfeffer-Souvenirs zum Nach-Hause-Nehmen kaufen.
Neben La Plantation hat sich noch ein Brand auf dem lokalen Markt etabliert: Atelier, das hippe Label der französisch-kambodschanischen Brüder Antoine und David Meinnel. Antoine ist eigentlich Architekt, David Patissier. So erstaunt es kaum, dass nicht nur ihre Produkte sehr stylisch und geschmackvoll daherkommen, sondern auch ihr Bistro mit integrierter Pfeffer-Boutique. Hier gönnt man sich nach dem mit Pfeffer marinierten Rindsfilet auch gern noch eine Crêpe mit Palmzucker und «White Pepper Ice Cream». Das Leben im Pfefferland kann so süss sein.
5 for the road
Anreise Z. B. Thai Airways via Bangkok nach Phnom Penh, Minivan (z. B. www.ctt-transports.com) nach Kampot.
«Ganesha Kampot» Eco-Resort am Stadtrand. www.ganeshakampot.com
Atelier Kampot Bistro und Pfeffer-Boutique. www.atelierkampot.com
Cafe Espresso Roastery Kaffeespezialitäten, frische Snacks. www.facebook.com/EspressoCambodia
Krabbenmarkt in Kep 45 Minuten mit dem Tuk-Tuk ab Kampot. www.nothingfamiliar.com/kep-crab-market/