Kurz vor Schluss der Etappe gehts nochmals steil hoch, durch imposante Felslandschaften auf den Col des Chevaux. Von dort führt der Bergwanderweg noch über eine Kuppe – und schon ist das Ziel ganz nah: die Passhöhe des Grossen St. Bernhard mit dem weltberühmten Hospiz. 2469 Meter über Meer. Die Mühen des Aufstiegs (5 Stunden, 1365 Höhenmeter) von Bourg-
St-Pierre aus über Alpweiden und entlang des Lac des Toules haben sich gelohnt: Die im Juli und August hier oben lebenden Bernhardinerhunde sind eine Augenweide, dem freundschaftlichen Empfang durch einen Chorherren des Hospizes folgt ein währschafter Znacht, die Bettruhe in dieser Oase der Ruhe tut gut wie schon lange nicht mehr.
Sie ist eine der schönsten Mehrtageswanderungen in den Alpen: die Tour du Saint-Bernard. Auf sieben Etappen führt sie durch wilde Berglandschaften im Grenzgebiet Schweiz/Italien rund um den Pass des Grossen St. Bernhard. -Unternimmt man die herausfordernde Hochgebirgstour als Ganzes, ist man -sieben aufeinanderfolgende Tage unterwegs: 32 Stunden reine Wanderzeit, 86 Kilometer, 5585 Höhenmeter rauf, 5585 runter. Die Strecke durch sechs Täler besteht aus Bergwanderwegen (T3 gemäss der SAC-Wanderskala, Markierungen weiss-rot-weiss) und alpinen Wanderwegen (T4, weiss-blau-weiss). Die Tour ist für geübte Berggänger – ob alt oder jung – mit guter Kondition. Seit 2016 ist sie offiziell ausgeschildert, mit einem Barry auf den Tafeln. Wanderleiterin Anita Stadelmann aus Haute-Nendaz kennt die Region wie die eigene Hosentasche: «Die Tour führt durch wunderschöne Natur.» Am häufigsten wird sie in Bourg-St-Pierre (1632 m ü. M.) gestartet, von dort geht es im Uhrzeigersinn,
am Schluss ist man wieder am Ort des Starts. An jedem Etappenziel hat es mindestens eine Unterkunft zum Übernachten und um zu Abend zu essen – vorher buchbar (siehe Box). Zu den einzelnen Etappen:
«Diese Tour ist wunderbar vielfältig»
Brigitte Rausis
Etappe 1
Bourg-St-Pierre–Passhöhe Grosser St. Bernhard. Diese Teilstrecke eignet sich als Eintageswanderung – -retour mit dem Postauto.
Etappe 2
Gleich nach dem Hospiz gehts auf italienischen Boden, dort über den Col de St-Rhémy und den Col des Ceingles. Übernachtung im Rifugio Frassati.
Etappe 3
Vom Col Malatrà (2928 m ü. M., höchster Punkt der Tour) bietet sich eine prächtige Aussicht auf den Mont-Blanc und die Gletscher des gleichnamigen Massivs – durch ein in den Fels gemeisseltes Fenster. Abstieg bis zum Hotel -Lavachey in Courmayeur im italienischen Val Ferret.
Etappe 4
Weiter auf der Tour du Mont-Blanc, auf dem Grand Col Ferret betritt man wieder die Schweiz. Übernachtung in La Fouly, z. B. in der Auberge de Maya-Joie. Dort macht Brigitte Rausis, 63, das beste Raclette weit und breit! Sie sagt: «Diese Tour ist wunderbar vielfältig.»
Etappe 5
Auf dem Weg zum Col du Basset gibts Murmeli, Gämsen und Steinböcke zu beobachten. Oben fantastische Weitsicht. Durchs Naturreservat Combe de l’A zur Cabane la Tsissette, die nach einer Renovation im Juni neu eröffnet.
Etappe 6
Aufstieg zur Cabane de Mille oberhalb von Liddes. Traumhaftes Panorama, Übernachtung.
Etappe 7
Über die Alpages d’Entremont und durch Tannenwälder geht es hinunter zum Ausgangspunkt Bourg-St-Pierre.
Beste Wanderzeit:
Mitte Juni bis Mitte September.
Infos/Buchung der Unterkünfte:
www.montourdusaintbernard.com
Auf www.saint-bernard.ch
können Pauschalarrangementsfür
vier und sechs Tage reserviert werden.
Weitere informative Seiten:
www.zigzago.ch (von Anita Stadelmann)
Topo-Guides: www.suisse-itinerance.ch
Wandern macht Hunger und Durst! Bei jeder Schlafstätte bietet sich die Möglichkeit, ein Picknick für den anstehenden Wandertag zu bestellen. Anita Stadelmann rät: «Pro Person 1,5 Liter Flüssigkeit mitnehmen!» Und sonst? Gute Wanderschuhe mit Profil, Schlafsack, Kopfbedeckung, Sonnenbrille, wasserdichte Jacke, Wanderstöcke.
«In den Alpen kann es rasch kalt werden», so die passionierte Berggängerin, «betreffend Kleidern das Zwiebelprinzip anwenden!» Im Necessaire nur das Nötigste! In den meisten Berghütten hat es fliessend Wasser – um sich und das verschwitzte T-Shirt zu waschen.
Die Tour kann allein oder in Gruppen unternommen werden. Oder geführt, etwa durch Anita Stadelmann – die Unterwalliserin spricht gut Deutsch. Eine Liste der Wanderleiterinnen und -leiter mit eidgenössischem Fachausweis gibts auf www.randonnee.ch. Eine von Stadelmanns Lieblingsetappen ist die durch das Naturreservat Combe de l’A: eine wilde und romantische Gegend mit vielfältiger Flora und Fauna. «Diese Tour ist ein wunderschönes Erlebnis. Man lernt sich ein wenig besser kennen, physisch und psychisch.» Wie auch immer: «Man kommt befreit zurück.»