Olivier Roduit ist Prokurator der Abtei von Saint-Maurice. Er ist verantwortlich für den Schatz der Abtei sowie die wirtschaftlichen Einnahmen. Von ihm stammt ursprünglich die etwas verrückte Idee, die erste Abteibrauerei der Schweiz zu gründen. Er erklärt, wie das Projekt entstanden ist: «Seit einigen Jahren lebt ein Bayrischer Kollege in unseren Gemäuern, der uns jeweils neckte, weil wir Wein, jedoch kein Bier produzierten. Da wir stets nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten für die Abtei suchen, sahen wir in der Brauerei ein Potenzial.» Für die Umsetzung der Idee und die Führung der Brauerei hat die Abtei Céline Darbellay engagiert, die gerade ihr Wirtschaftsstudium an der HEC Lausanne beendet hat.
Mehr als 600 000 Flaschen pro Jahr sollen im alten Keller der Abtei, einem historischen Gebäude aus dem Jahr 1244, produziert werden. Als Archivar der Abtei hat Olivier Roduit recherchiert, jedoch keinerlei Erwähnung von Bier gefunden. Es ist eine absolute Premiere, aber die Abtei kann damit vom Trend des lokalen Bierbrauens profitieren.
Für Direktorin Céline Darbellay steht fest, die Chorherren sind innovativ: «Sie haben verrückte Ideen, die sich konkretisieren lassen, und schaffen es, sich neu zu erfinden. Als sie feststellten, dass es keine Abteibrauerei in der Schweiz gibt, haben sie sich getraut, sich als Vorreiter auf dieses Abenteuer einzulassen.»
Saint-Maurice wird in der über 1500 Jahre alten Abtei also eine schweizweit einmalige Brauerei eröffnen. Einmalig ist ebenso eines der produzierten Biere: Für das Bier Candide wurden nämlich personalisierte Hefepilze verwendet. «Wir haben mit einem Start-up der Universität Lausanne zusammengearbeitet, das Stammzellen aus den Holzbalken der Abtei, dem Garten und dem Pergament untersucht hat. Schliesslich konnten wir für das Candide-Bier einen Hefepilz eines Pergaments aus dem Jahr 1319 verwenden. Das wird ein hundert Prozent authentisches Abteibier», erklärt sie stolz.
Zur Ausarbeitung der Rezepte wurde ein amerikanischer Braumeister beauftragt. Im Anschluss degustierte ein Komitee die entwickelten Proben und wählte drei Biere aus. Diese werden derzeit von einem belgischen Braumeister verfeinert. Die Namen der Biere: Candide, Febris und DXV. Jedes dieser Biere erzählt eine Geschichte mit Bezug zur Abtei. Céline Darbellay erläutert: «Candide war der Freund von Maurice. Beide opferten sich für ihre Werte und ihre Freundschaft. DXV steht für 515 in römischen Zahlen, das Gründungsjahr der Abtei, die zu Ehren von Saint-Maurice entstand. Febris bedeutet in Latein Fieber und bezieht sich auf den Brand der Abtei von 1693.»
Die neue Abteibrauerei und ihre Produkte sollen die Abtei von Saint-Maurice bekannter machen. Ein touristisches Angebot wird folgen, das die Besichtigung des Kirchenschatzes sowie die Brauerei mitsamt einer Degustation vorsieht.
Die Abtei Saint-Maurice mit dem wertvollen Kirchenschatz kann von Dienstag bis Freitag von 13.30 bis 17.30 Uhr besucht werden. Im Januar ist die Abtei für Besucher geschlossen.