Die Tage von Sicherheits- und Pistenchef Paul-Victor Amaudruz beginnen frühmorgens zwischen sechs und halb sieben. Als einer der Ersten trifft er im Büro der Bergbahnen Téléverbier ein und macht eine erste Einschätzung der Lage. Hat es geschneit, wie war das Wetter in der Nacht, welche Wettervorhersagen gibt es für den Tag, mit welchen Temperaturen ist zu rechnen?
Alle diese Informationen braucht er, um die nötigen Massnahmen einzuleiten. «Es kann sein, dass wir eine Schneeverwehung sprengen oder einen Streckenabschnitt sperren müssen», erklärt er. Danach steht er auf die Ski und fährt die Pisten ab, bei denen er eine Kontrolle für notwendig hält. «Dabei gibt es teilweise noch Korrekturen bei der Strecke.» Unterstützt wird Amaudruz von 30 Mitarbeitern, die täglich für die Sicherheit der Gäste unterwegs sind.
Seit fast 30 Jahren macht er diese Arbeit schon. Ein Bergler, der mehr sieht und spürt als andere und der nie vergisst, dass beim Aufenthalt in den Bergen nur eines zählt: «Respekt und Vorsicht». In «seinem» Verbier können sich Skifahrer und Snowboarder auf 250 Kilometern Piste austoben.
Doch mehr und mehr Gäste wollen ausbrechen – in die unberührten Hänge des Skigebiets. «Das kann auch zum Problem werden», warnt Paul-Victor Amaudruz. Er verstehe das Bedürfnis, selber liebe er es auch, durch unberührten Pulverschnee zu gleiten. «Wenn es frisch geschneit hat, gibt es nichts Schöneres, als eine Spur in den glitzernden Pulverschnee zu zeichnen.» Aber diese Freiheit sei nur schön, wenn man sich und andere nicht gefährde.
Rund ein Viertel des gesamten Skigebiets wurde deshalb als Freetracks ausgeschildert. Das sind kontrollierte und klar umrissene Gebiete, die zwar gesichert sind, aber nicht präpariert werden. «Ich rate allen Fans von Freeride-Fahrten, solche Abschnitte zu benützen. Man hat das richtige Freeride-Feeling, wird damit aber nicht zur Gefahr für die anderen.» Denn es sei leider so, dass Freerider Gefahr laufen, Lawinen auszulösen, die im schlimmsten Fall auf eine gut besuchte Piste rollen und dort Menschen gefährden.
«In den Bergen braucht es Respekt und Vorsicht»
Paul-Victor Amaudruz
Was viele nicht wissen: In allen Skigebieten werden tägliche Kontrollen gemacht, und es wird häufig gesprengt, um die Gäste zu schützen. «Pro Jahr und je nach Witterung brauchen wir bis zu zehn Tonnen Sprengstoff», erklärt Amaudruz. Rund 250 fest installierte Sprenganlagen sichern die Punkte, die dauernd gesichert werden müssen, situativ müssen dann noch per Helikopter Sprengladungen abgeworfen werden. An schwer zugänglichen Stellen kommen Gasex-Lawinensprenganlagen zum Einsatz, die während des Sommers mit Gastanks bestückt und dann im Winter per Funk ausgelöst werden können. Die kontrollierte Explosion findet rund drei Meter oberhalb der Schneedecke statt. «Wir benützen Gasex auch für die Stellen, an denen unsere Mitarbeiter in der Nacht mit den Pistenbullys ihre Arbeit machen.»
Sämtliche Patrouilleure werden sorgfältig geschult. Schneekunde und Schulung im Umgang mit Sprengstoffen gehören ebenso dazu wie medizinische Grundkenntnisse und, in der letzten Phase, auch das Wissen zu rechtlichen Grundlagen. Pro Jahr gibt es im Gebiet Verbier-4 Vallées 600 bis 800 Verletzte, die von ihnen betreut werden. An schönen Tagen sind schon mal bis zu 25 000 Gäste im Gebiet, die sich aber im grossen SkiParadies gut verteilen.
Die Sicherheitschefs des gesamten Wallis tauschen sich regelmässig aus und haben sogar eine Vereinigung, die auch Kollegen aus dem benachbarten Italien und Frankreich einschliesst. «Das ist wichtig. Wir haben alle die gleichen Herausforderungen zu meistern.» Überall sei der Wunsch nach Fahren abseits der Piste gestiegen, die Menschen sehnten sich nach Natur pur. «Mit Freetracks haben wir ein Angebot geschaffen, das Sicherheit und Freiheit verbindet.»
Verbier-4 Vallées ist nicht das einzige Gebiet, das sich zum Freeski-Paradies gewandelt hat. Auch in Zinal und Zermatt finden Freeride-Liebhaber solche unberührten gesicherten Pisten an steilen Hängen.
Auch neun Gebirgslandeplätze für das Heliskiing bieten geübten Freeridern weitere Optionen, um Spuren im unberührten Pulverschnee zu hinterlas-sen. Verschiedene Walliser Skigebiete ermöglichen ausserdem rasante Abfahrten auf dem Fatbike anstatt auf Ski – für ein ganz neues Fahrgefühl. Wer für den Trip ins freie Gelände den Umgang mit Lawinengeräten üben möchte, kann dies in sogenannten Safety Parks tun. Im Wallis gibt es davon drei: jeweils einen in Verbier, Zinal und Les Crosets.
Aber auch das Pistenfahren macht Freude, vor allem wenn man als Familie unterwegs ist. Insgesamt gibt es im Wallis 36 Skigebiete und sagenhafte 2000 Pistenkilometer. Die 45 majestätischen Viertausender bilden die Kulisse und eine einzigartige Erlebniswelt für den Wintersport. Das Wallis hat die höchstgelegenen Skigebiete der Schweiz und garantiert Schneesicherheit. Und statt Freeride kann es ja auch mal eine Traumabfahrt sein. 25 Kilometer lang fahren, ohne je einen Skilift zu benützen: Das geht im Matterhorn paradise von der Bergstation Matterhorn glacier paradise bis nach Zermatt, der längsten Abfahrt des Wallis. Oder um in Verbier zu bleiben: die zehn Kilometer lange Piste von Les Attelas nach Verbier hinunter. Das fordert die Oberschenkel – fast so wie eine Freeride-Abfahrt.
«Mit Freetracks haben wir ein Angebot geschaffen, das Sicherheit und Freiheit verbindet»