Mittags, oberste Etage bei Lindt & Sprüngli in Kilchberg ZH. Gerade wurde Roger Federer der Welt als neuer Markenbotschafter der Schoggi-Firma vorgestellt. Im dritten Stock hat Firmenchef Ernst Tanner sein Büro und einen japanischen Dachgarten. Es riecht im ganzen Haus nach flüssiger, warmer Schokolade. Im Konferenzraum ein riesiger ovaler Tisch, rundherum senfgelbe Ledersessel. Hinter der Panoramascheibe liegt der Zürichsee. Davor steht Roger Federer in Jeans und weissem Hemd, das er weit aufgeknöpft hat, man kann die Brusthaare sehen. Weste und Sakko massgeschneidert, feines Grau, fein kariert. Gesamtbild: Dressman, sehr viel Sex-Appeal!
Roger Federer, wir haben zehn Minuten Zeit. Spielen wir zusammen eine Runde Wort-Tennis? Ich serviere, und Sie schlagen schnell zurück.
Okay!
Sie spielen jetzt in Basel bei den Davidoff Swiss Indoors. Wie viele Schläger haben Sie auf dem Court dabei?
Zwölf.
Wie viele haben Sie insgesamt?
Bei mir zu Hause? Einhundert, so in etwa.
Wie viele Turnschuhe?
Kleine Info: Federer fängt jeden zweiten Satz mit «Ääähhh» an. Das gibt ihm Zeit nachzudenken. Die braunen Augen blicken ganz tief aus ihren Höhlen. Nach ein paar Sekunden?…
Äh, vielleicht so fünfzig. Meine Sportsachen liegen im Keller. Ich habe einen Extra-Raum nur dafür. Stirnbänder habe ich zum Beispiel fast keine, die werfe ich nach jedem Match ins Publikum. Für jedes Turnier bekomme ich dann neue. Am liebsten habe ich starke Farben: Blau, Rot, Schwarz.
Klar, starker Typ, starke Farben. Gut retourniert bis jetzt. Schwenken wir zu Mirka auf die Tribüne?…
Wie verabschieden Sie sich von Mirka vor dem Spiel?
Ich sage zu ihr: Ciao! Und geb ihr ein Küssli. Sie wünscht mir viel Glück und hofft, dass das Match gut läuft. Dann sage ich: Okay, dann sehen wir uns später wieder.
Klingt ein bisschen wie zwei Teenager, die sich schüchtern trennen. Dabei sind die beiden seit neun Jahren Tag und Nacht zusammen. Also, noch mal nachhaken, da muss doch mehr passieren.
Ist das wirklich alles?
Wir machen nicht «give me five» oder so – wie schrecklich. Gut, ich gebe zu: Wir umarmen uns.
Yes, ein Bekenntnis!
Wen sehen Sie als Erstes nach dem Spiel?
Manchmal die Journalisten. Manchmal andere Spieler. Oft meinen Coach. Das ist aber bei jedem Turnier anders. Ich hoffe einfach immer, dass es zuerst mein Team ist.
Gehen wir baden?… Duschgel oder Seife?
Duschgel.
Badelatschen oder barfuss?
Immer! Badelatschen!
Wonach riechen Sie?
Verschieden. Im Moment stehe ich sehr auf Bergamotte. Man kann ja für sich selber Parfums kreieren, also hab ich das auch mal probiert und dann lange meine eigene Marke benutzt.
Kein Lieblingsparfum? Sie kriegen bestimmt ganz viel geschenkt?
Jaaeeiinn! Ach, was soll ich sagen, ich bin sehr flexibel. Ich habe viele verschiedene.
Heute riecht er nach nichts. Zumindest nicht wahrnehmbar. Roger trägt Mittelscheitel. Er versucht, einzelne Strähnen immer wieder mit der rechten Hand hinters Ohr zu zwängen. Klappt nicht, sie springen sofort zurück ins Gesicht.
Was sagen Sie zu Ihrem Coiffeur?
Wie aus der Pistole geschossen: Nicht zu kurz bitte!! Ich habe immer Angst, dass sie alles «abhauen». Dann erkläre ich genau, welche Länge ich gerne hätte. Obwohl, vielleicht schneide ich sie bald mal ganz kurz?…
Schneidet er Ihnen die Augenbrauen?
Manchmal. Aber das hab ich nicht so gern.
Sie hatten vier Wochen frei. Ihr schönstes Erlebnis in dieser Zeit?
Es war toll, keinen Tagesplan zu haben. Keine Verpflichtungen, keine Termine. Ich konnte kontrollieren, was ich gerne machen möchte. Es war wichtig, endlich mal zu entspannen und Zeit mit Mirka, Myla und Charlene zu haben.
Sie wollten shoppen gehen – was gekauft?
Nein, ich war nicht shoppen. Aber Mirka?…
Mirka ist als Fashionista bekannt. Sie liebt Handtaschen, Handtaschen, Handtaschen. Trägt Schuhgrösse 38 und, seit sie Mama ist, gerne Twinsets aus Wolle. Alles, was Mirka und die Kinder betrifft, bewahrt er streng als Geheimnis. Angriff!
Sie hüten die Kinder. Ihr schönstes Spiel mit Myla und Charlene?
Ich beschäftige sie einfach, sie greifen nach meinem Finger, ich kitzle sie am Bauch. Toll ist, sie auf mir zu spüren.
Was ist Ihnen lieber: wickeln oder füttern?
Ääähhh.
Oh, heikles Thema. Er scheint, als ob er sagen will, wickeln finde ich nicht so angenehm, aber als moderner Mann ziert man sich nicht. Eleganter Schlenker?…
… fifty-fifty, ich mach beides.
Schon mal einen Schwall Baby-Spucke abgekriegt?
Und ob.
Myla schreit – rufen Sie nach dem Kindermädchen?
Sie müssen das «Meila» aussprechen, nicht «Mila». Ich versuche es erst mal selber, und sonst frag ich bei Mirka nach. Aber, hey: Ich will damit selber zurechtkommen. Den Mädchen geht es bisher sehr gut. Sie hatten auch noch keine Kinderkrankheiten.
Wer sieht Ihnen ähnlicher?
Myla gleicht mir, Charlene Mirka. Wenn ich Babybilder von mir mit Myla vergleiche, sind da viele Ähnlichkeiten. Ich will, so oft es geht, bei ihnen sein. Sie werden so schnell gross.
Wann zuletzt durchgeschlafen?
Vor einer Woche. Schlafen ist für mich enorm wichtig. Sonst verletze ich mich. Wenn ich übermüdet bin, stöpsle ich die Ohren zu und schlafe durch trotz Geschrei im Schlafzimmer.
Alter Trick meiner Mutter: Ein Stück Schoggi unter der Zunge hilft beim Einschlafen.
Ähm, das habe ich noch nie probiert. Aber gute Idee. Ich habe schon als kleiner Junge Schokolade geliebt, am liebsten die weisse. Heute bevorzuge ich Haselnuss.
Lieblingskuchen?
Kuchen?!? Mag ich nicht.
Der Sprüngli-Chef schleicht ins Konferenzzimmer. Schnell eine offizielle Frage.
Dürfen Sie sich jetzt kostenlos im Werksshop eindecken?
Keine Ahnung, aber ich glaube, es sieht gut aus. Herr Tanner?
Tanner nickt und schleicht wieder raus. Zurück zum Privatleben?…
Champagner und Schoggi: prima Zutaten für die perfekte Verführung. Ihre erfolgreichste Anmache?
Anmache? Wie meinen Sie?
Na ja, wenn Sie einer Frau ein Kompliment machen.
Brauch ich nicht mehr. Ich habe das mit Mirka gut hingekriegt. Wenn ich ihr ein Kompliment machen will, sage ich ihr: Du siehst super aus! Du bist die Beste!
Wie viel Mal am Tag putzen Sie Ihre Zähne?
Mindestens dreimal. Elektrisch.
Schoggi als Energiespender auf dem Court?
Ab und zu im Training. Wenn ich spüre, dass ich einen Energieschub brauche, esse ich Zucker. Während des Turniers nicht.
Musik vor dem Match?
Nein.
Hören Sie überhaupt Musik?
Beim Autofahren. Alles, was im Radio kommt. Sonst irgendwie Pop und Rock. Da bin ich völlig easy. iPod nutze ich nie. Wenn, schiebe ich eine CD ein.
Lieblingslied?
Äähhh?…
Er hat keins! Wunderbar sonderbar. Er sagt noch nicht mal Gavin Rossdale, obwohl er mit ihm gut befreundet ist.
Ihr schlimmstes Schimpfwort?
Probier ich nicht zu benutzen. Ich kann doch jetzt kein Wort sagen, das geht ja gar nicht!
Macht es Spass, die Nummer 1 zu sein?
Ja, sehr sogar.
In welchem anderen Sport wären Sie gern die Nummer 1?
Im Fussball. Ich wäre gerne Stürmer, damit ich nach einem Tor so viel wie möglich jubeln könnte. In der Schweiz ist der FC Basel mein Lieblingsverein, international bin ich eher spielerorientiert: Thierry Henry, Luís Figo, Fabio Cannavaro. Alle drei sind sehr gut, ich kenne sie persönlich. Beckham und Raúl hab ich auch schon getroffen.
Der berühmteste Schweizer ist nie in die Schickimicki-Welt abgedriftet. Zu seinem Freundeskreis gehören trotzdem nur Nummern 1: die mächtigste Frau der Modewelt, «Vogue»-Chefin Anna Wintour; Pop-Queen Gwen Stefani; der Golfer Tiger Woods.
Rufen Sie Basel ein Kompliment zu!
Liebes Basel: Mir gefällt, wie normal deine Bürger sind. Ihr seid eine lässige Stadt, hilfsbereit und weltoffen. Ihr gebt mir, wenn ich durch die Stadt laufe, ein gutes Feeling.
Was soll Basel antworten?
Gar nichts. Ich bin nur froh, dass ich von dort komme. Und dass ich jetzt dort spielen kann. Mein Bubentraum ist wahr geworden: vom Ballboy zum dreifachen Turniersieger. Wenn ich noch ab und zu ein Fussball-Match des FCB gucken kann, bin ich zufrieden.