Lassen Sie mich das machen», sagt Hans Wicki, 54. Bei der Talstation des Seilbähnli auf die Alp Gschwänd ob Hergiswil NW greift er zum Hörer und bestellt eine Gondel – Wicki übernimmt gerne das Kommando. «Früher habe ich Geschäftspartner aus dem Ausland auf die Alp gebracht. Denen fielen bei der Aussicht auf den Vierwaldstättersee fast die Augen raus!» Seine Frau Monika, 54, rennt normalerweise lieber vom Haus in Hergiswil den Berg hoch. «Sie ist so schnell, ich habe keine Chance.»
Eine starke Frau schlagen muss Wicki, wenn er am 5. Dezember für die FDP in den Bundesrat einziehen will. Die Ostschweizerin Karin Keller-Sutter gilt selbst parteiintern als haushohe Favoritin. Warum also tut sich Wicki das an? «Weil das Parlament eine Auswahl braucht – und weil die Innerschweiz Anspruch auf einen Sitz in der Landesregierung hat!», sagt Wicki, der seit 2015 im Ständerat sitzt.
«Manchmal ist es gut, wenn man unterschätzt wird»
Als Winkelried, der sich wie sein berühmter Kantonsgenosse für sein Land opfert, sieht er sich nicht. «Ich bin bei dieser Wahl vielleicht ein Aussenseiter. Aber manchmal ist es gut, wenn man unterschätzt wird.» Seine Frau nickt. «Wenn beim Skirennen nur die Topfavoriten starten würden, gäbe es nie Überraschungen!»
Der Vergleich mit den Skirennen kommt nicht von ungefähr: Monika Wicki hiess früher Hess und fuhr – wie ihre zwei Jahre ältere Cousine und sechsfache Weltmeisterin Erika – im Skiweltcup. 1982 hats gefunkt zwischen Monika und Johnny, wie ihn seine Freunde nennen. An einem Konzert von Stephan Eichers damaliger Post-Punk-Band Grauzone. «Das war kurz bevor ich an die Junioren-WM nach Frankreich musste», sagt sie. «Du kamst eigentlich nur wegen mir ans Konzert, gell», neckt er. Beim Rennen – Hess wurde Zweite – durfte Wicki aber nicht vor Ort zuschauen. Er imitiert ihren damaligen französischen Trainer: «Hons, du darfst nicht kömmen, du machst Monika ganz nervös.»
«Ich werde nie ein Sprachgenie sein»
Über seine Französischkenntnisse stolpert Wicki, als er Mitte Oktober die Kandidatur als Nachfolger von Johann Schneider-Ammann bekannt gibt. Als ein Westschweizer Journalist ihn testen will, bleibt er nach wenigen Worten stecken und wechselt ins Deutsche. «Ich werde nie ein Sprachgenie sein», gibt Wicki, der in Zürich Wirtschaft studiert hat, zu. Es habe auch seine Zeit gebraucht, bis er in Englisch verhandlungssicher war. «Ich weiss aber: Je mehr ich eine Sprache spreche, desto besser klappts.»
Erfahrung auf dem weltweiten Parkett hat Wicki genug. Zehn Jahre leitet er die Gesellschaften der internationalen Elektrotechnik-Firma Pfisterer in der Schweiz und in Südafrika – reist einmal pro Monat für eine Woche nach Durban. «Führungserfahrung ist das wichtigste Kriterium für einen Bundesrat. Sonst werden wir von der Verwaltung regiert.» Es bleibt der einziger Seitenhieb gegen seine Konkurrenz.
«Von der FDP wollte ja keine Frau gegen Karin antreten!»
Anfangs nicht begeistert von Papas Bundesratsambitionen sind Julia, 20, und Emmanuel, 19. «Unsere Tochter sagte: Nein, Daddy, das machst du nicht. Dann ist Mami ganz alleine», erzählt Monika Wicki. Ohne die Zustimmung seiner Kinder wäre er nicht angetreten, sagt Hans Wicki. «Wir haben ein offenes, harmonisches Familienleben – das wollte ich nicht aufs Spiel setzen.» Inzwischen stehe aber auch die Jungmannschaft hinter seiner Kandidatur. «Ich habe ihnen versichert, dass ich auch künftig am Wochenende nicht für Journalisten erreichbar sein werde», sagt Wicki. – «Und ich konnte Julia überzeugen, dass sie sich ums Mami keine Sorgen machen muss», ergänzt seine Frau.
Die vielen Wochen in Südafrika und Wickis Doppelbelastung als Manager und ehemaliger Regierungsrat hätten sie ebenfalls gemeistert. «Zudem habe ich meine eigenen Projekte», sagt Wicki-Hess. Als Mentaltrainerin coacht sie Athleten wie den Nidwaldner Skifahrer Marco Odermatt. Wenn das nicht ein Vorteil für die knallharten Hearings der FDP-Fraktion Mitte November ist! Wicki lacht. «Mental bin ich tatsächlich stark. Das liegt sicher auch an meiner Frau.» Den Vorwurf, dass er mit seiner Kandidatur eine Frau in der männerlastigen Landesregierung verhindern könnte, weist er zurück. «Von der FDP wollte ja keine Frau gegen Karin antreten!»
Als Unternehmer habe er sich immer für die Gleichberechtigung eingesetzt, etwa beim Lohn. «Frauen haben tatsächlich oft weniger verlangt. Aber was wirft denn das für ein Licht auf die Firma, wenn sie nicht den Lohn bezahlt, der für die Stelle angemessen ist?» Eine Frauenquote hingegen lehnt Wicki ab.
Überholt er am Schluss die Favoritin?
Mit seiner weiblichen Konkurrentin Keller-Sutter verbindet ihn nicht nur das politische Profil und das gleiche Alter – beide sind im Wirtshaus aufgewachsen. Wickis Eltern führten das Hotel Engel in Hergiswil, wo Hans im Service mitarbeitete. «Bei Stammtischgesprächen wird man automatisch politisiert.» Der FDP tritt er bei, weil er sich dort schlicht am «wohlsten fühlte». Obwohl sein Vater – aus einem Ur-CVP-Haus stammend – zuerst die Stirn runzelte. «Aber später sagte er mir, dass er im Herzen auch immer ein FDPler war.»
Bei den Bundesratswahlen ist es die CVP, die zuerst den neuen Vertreter oder die neue Vertreterin wählt. Darin wittert Wicki seine Chance. «Je nach Ergebnis entsteht eine ganz andere Dynamik.» Vielleicht ist es dann tatsächlich wie im Sport, und Wicki überholt trotz schlechter Startnummer am Schluss die Favoritin.