Herr Fasel, bekommen Sie als Schweizer Botschafter in London etwas von der royalen Hochzeit mit?
Ich sehe natürlich die Berichterstattungen in den Printmedien seit der Bekanntgabe der Verlobung und die Schaufenster der Souvenirläden sind dekoriert mit dem Konterfei des Brautpaares. Die Hochzeit ist ein Teil des britischen Lebens, denn die Monarchie ist ein wesentlicher Teil des Landes. Die Briten nehmen den Anlass, um in Pubs, Zuhause und mit Freunden eine Party zu feiern.
Spüren Sie eine Euphorie?
Wer die Briten kennt, weiss, dass ihre Begeisterung erst richtig aufkommt, wenn das Ereignis passiert.
Prinz Harry und Meghan Markle haben keine nationalen und internationalen Regierungsvertreter an die Hochzeit eingeladen. Warum?
Dies hat das Königshaus in Absprache mit der Regierung entschieden. Dafür gibts zwei Erklärungen: Die Kapelle ist relativ klein und Prinz Harry ist «nur» die Nummer Sechs in der Thronfolge. Selbst die Premierministerin May ist nicht eingeladen.
Dennoch schaut die ganze Welt zu. Wie wichtig ist dies für Grossbritannien?
Sehr wichtig, denn die globale Ausstrahlung des Landes hängt zusammen mit dem Königshaus. Die Königin wird weit über die Landesgrenzen hinaus geschätzt. Sie ist das eigentliche Markenzeichen des Vereinigten Königreichs.
Bildergalerie: Die Verlobungsbilder von Harry und Meghan
Wie schätzen Sie den Wert dieser Märchenhochzeit für das Königshaus ein?
Der Anlass ist wichtig, denn in dieser Generation gibt es nur zwei Hochzeiten. In der Generation von Prinz Charles waren es noch vier. Das Königshaus will diese zwei Hochzeiten würdig feiern. Alle hoffen für Prinz Harry und Meghan, dass Hochzeit und Eheleben so gut funktionieren wie bei seinem Bruder William und Herzogin Catherine.
Führt die Hochzeit zu mehr Zuspruch beim Volk?
Die Hochzeit ist eine Projektion, ein würdiger, schöner, emotionaler Anlass. Sein eigenes Land so zu sehen, sorgt bei den Briten für Freude und Stolz. So wie auch wir Schweizer bei besonderen Anlässen stolz auf unser Land sind. Ich glaube, dass die Hochzeit die Stellung des Königshauses weiter festigt, gerade auch bei den jüngeren Generationen.
Wie steht es generell um das Ansehen des Königshauses bei den Briten?
Das Land ist undenkbar ohne Monarchie. Der Zuspruch ist riesengross. Und die Queen geniesst einen noch höheren Zuspruch als die Monarchie. Die meisten Gegner sind eher junge Leute, die oft aber ihre Meinung mit dem Älterwerden ändern.
Wieso ist die Queen so beliebt?
Die meisten Menschen kennen nur sie als Monarchin – das geht mir genauso! Sie symbolisiert das Langanhaltende, zudem sind ihre Rolle und ihre Person einzigartig. Es gibt wenige, die ihr Amt so lange und vollkommen ausfüllen, wie sie es tut. Dabei liegt die Genialität der Queen darin, dass sie es geschafft hat, in über 60 Jahren apolitisch zu bleiben. Sie verkörpert das Gemeinsame in der grossen Diversität des Königreiches.
Sie sind der Queen bereits dreimal begegnet.
Ja, dank meiner Funktion. Gerade gestern habe ich mich zuletzt mit ihr bei ihrer Garden Party unterhalten. Es ist jedes Mal sehr beeindruckend. Sie hat hellblaue, wache Augen, viel Witz, strahlt Festigkeit aus. Sie hat ein freundliches Gesicht mit lachenden Augen. Sie strahlt viel Wohlwollen und Warmherzigkeit aus, trotz ihrer königlichen Würde und Distanz.
Wie steht es mit ihren Nachfolgern?
Im direkten Kontakt wirkt Prinz Charles sehr sympathisch. Der britische Humor ist bei ihm allgegenwärtig. Die beiden jungen Prinzen machen es tiptop. Von Prinz William bin ich sehr beeindruckt. Er hat viel Talent und ist gut vorbereitet. Mit ihm habe ich mich bereits zweimal unterhalten. Prinz William und Catherine haben ein ausgezeichnetes Auftreten und arbeiten viel im Dienste des Landes, wie es die Krone verlangt. Dieser Ethos des Dienstes, der so deutlich von der Queen und dem Prinzgemahl kommt, geht bis zu ihren Enkeln durch. Auch bei Prinz Harry und Meghan ist dies erkennbar.
Wird in der Thronfolge eine Generation übersprungen?
Nein, da bin ich mir persönlich sicher. Nach Queen Elizabeth folgt Prinz Charles. Auch das Commonwealth hat bereits beim diesjährigen Gipfeltreffen entschieden, dass Charles der nächste Chef dieser internationalen Organisation werden wird. Die Königin hatte diesen Beschluss ausdrücklich so gewünscht, denn für das Commonwealth gibt es keine eigentliche Erbfolge. Und unter den Briten finden Sie niemanden, der die Thronfolgeregelung ernsthaft infrage stellt. Ich glaube auch nicht, dass die Queen jemals abdanken wird.
Wie empfinden Sie die Monarchie?
Die Monarchie als solche ist meiner politischen Kultur völlig fremd. Wir Schweizer sind zutiefst republikanisch. Unser politisches System ist darauf ausgerichtet, dass niemand höhergestellt ist. Aber ich sehe, dass die Monarchie in der politischen englischen Kultur wesentlich und unabdingbar ist. Die Diversität des Landes ist riesig – kulturell, regional, sozial, wirtschaftlich, konfessionell. Zudem existiert ein politisches System, das sehr konfrontativ und konfliktreich ist. Und über dem allem, als Dach des Ganzen, prangt das unparteiische Königshaus, das Kontinuität wahrt und für alle da ist. Die Diener des Landes. Das wusste ich zwar, bevor ich als Botschafter nach London kam, aber jetzt spüre ich es auch.
Bei welchen Anlässen gibt es Berührungspunkte zwischen der Schweizer Botschaft und dem Königshaus?
Es ist Tradition, als neu ankommender Botschafter der Queen das sogenannte Beglaubigungsschreiben des eigenen Staates zu überreichen.
Dieser Akt, bei dem auch meine Frau dabei war, findet in einem Saal des Buckingham Palasts statt. Die Begegnung dauert fünfzehn Minuten und findet im Stehen statt.
Über was wird geredet?
Der Botschafter überbringt die besten Wünsche seiner Regierung und man unterhält sich über Gott und die Welt. Aber die Queen gibt den Takt der Konversation vor. Sie fängt an, beginnt die Themen, stellt Fragen und signalisiert das Ende des Gesprächs. Der Ablauf wird zuvor mit dem Protokollchef des Hofes geprobt. Dennoch habe ich ihr spontan zur Platinhochzeit gratuliert.
Wie lange sind Sie und Ihre Gattin Nicole verheiratet?
29 Jahre und in zwei Wochen werden es dreissig.