Es ist ein typischer Jacinda-Moment: Kaum 24 Stunden nach dem Anschlag auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch steht Jacinda Ardern, 38, am Ort des Geschehens. Ein schwarzes Kopftuch umrahmt ihr Gesicht, Stirnfalten durchziehen ihre kalkweisse Haut.
Sie umarmt Musliminnen und Muslime, die um ihre Angehörigen trauern – 50 Menschen hat ein rechtsextremer Attentäter am 15. März erschossen. Ardern fühlt ihren Schmerz, hört ihnen zu. «Neuseeland ist in Trauer vereint. Wir sind in Trauer vereint», sagt sie später vor den Kameras.
Jacinda Ardern ist Neuseelands Premierministerin – nach Barack Obama, Justin Trudeau und Emmanuel Macron der neuste politische Popstar an der Spitze eines Staates.
Während Amtszeit Mama geworden
Aber vor allem ist Ardern ein Mensch: nahbar, verletzlich, offen. Sie hat oft ein Lachen, das über das ganze Gesicht geht, warm und ansteckend.
Mit 37 wird sie 2017 zur Premierministerin Neuseelands gewählt. Sie ist die zweite Regierungschefin weltweit, die während ihrer Amtszeit ein Kind zur Welt bringt – Tochter Neve Te Aroha, heute 9 Monate alt.
Ihr Lebensgefährte Clarke Gayford, 41, moderiert eine Fernsehsendung übers Fischen. Aber sein Hauptjob ist die Kinderbetreuung. Die Schwangerschaft hat das Paar über Instagram verkündet – mit einem Foto, das zwei grosse und einen kleinen Angelhaken zeigt.
Ardern hat früher in Clubs Platten aufgelegt, bei ihrer Vereidigung spielte die neuseeländische Band Fat Freddy’s Drop. Sie trinkt gerne Whisky und liebt Katzen – für den rothaarigen Paddles, der nur jährig wurde, erstellte sie gar den Twitter-Account «First Cat of New Zealand».
Von der Suppenküche an die Spitze
Diese kurzweiligen Fakten dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, wie ernst es der Premierministerin mit der Politik ist. Ardern kommt 1980 auf der Nordinsel von Neuseeland in Hamilton City zur Welt. Ihr Vater ist Polizist, ihre Mutter arbeitet in der Kantine einer Schule, beide sind Mormonen. Mit 17 tritt Jacinda der Arbeiterpartei bei.
Sie studiert Politikwissenschaften und Kommunikation, arbeitet für die ehemalige neuseeländische Premierministerin Helen Clark. Sie jobbt in einer Suppenküche in New York. Später landet sie im Beraterstab des britischen Premierministers Tony Blair. Seit 2008 sitzt sie im neuseeländischen Parlament.
2017 schaffte es Ardern mit einem fulminanten Wahlkampf, die Arbeiterpartei aus einem schier aussichtslosen Rückstand an die Macht zu bringen. Mit ihr wird das unmöglich Scheinende möglich: eine Koalition aus Rechtspopulisten, Grünen und ihrer eigenen sozialdemokratischen Partei.
«Unsere Waffengesetze werden geändert»
Ardern hat ehrgeizige Pläne für ihr Land: soziale Gerechtigkeit, Armutsbekämpfung und Naturschutz, aber auch eine Verschärfung der Einwanderungsbestimmungen. Sie selbst hat sich den Titel «Ministerin für Kinderarmutsreduktion» gegeben – Neuseeland ist zwar eines der reichsten Länder der Welt, trotzdem lebt hier fast jedes dritte Kind in Armut.
Ganz nebenbei ist Ardern auch ein Vorbild für Frauen weltweit. Nach ein paar Stunden im Amt als Parteichefin, fragte sie ein Radiomoderator, ob sie Kinder plane. Ihre Antwort sorgte für Aufsehen: «Das ist heutzutage keine Frage, die einer Frau am Arbeitsplatz gestellt werden sollte.» Ob eine Frau Kinder wolle oder nicht, dürfe nicht ihre Chancen im Job bestimmen.
Klare Worte findet sie auch nach dem Anschlag in Christchurch: «Unsere Waffengesetze werden geändert», kündigte sie an. Keine Woche später liess Ardern Sturmgewehre und halbautomatische Waffen verbieten - per sofort! Im nächsten Monat wird das Parlament die Gesetzgebung dazu ausarbeiten. Jacinda Ardern tut, was sie sagt – so schafft sie Vertrauen. Und das ist, was das von Terror geschüttelte Land momentan am meisten braucht.