Seit seinem dritten Lebensjahr ist Prinz Charles britischer Thronfolger - und wird schon sein ganzes Leben lang auf eine Rolle vorbereitet, die ihm vor allem in den Jahren seiner Kindheit missfiel. Charles Philip Arthur George erblickte am 14. November 1948 im Buckingham-Palast das Licht der Welt. Damals sass noch sein Grossvater König George VI. auf dem Thron. Mit dessen Tod Mitte Februar 1952 rückte Charles' Mutter Queen Elizabeth II., 92, nach. Und für Charles begann eine lange Leidenszeit.
Der kleine Charles war ein scheues, zurückhaltendes Kind, wurde oft von Gleichaltrigen gehänselt - wegen seiner Rolle und den abstehenden Ohren. Entsprechend mochte er die öffentliche Aufmerksamkeit nicht. Viel lieber hätte er die Aufmerksamkeit seiner Eltern gehabt. Nach der Thronbesteigung aber hatte seine Mutter Elizabeth kaum mehr Zeit für ihren Sohn. Im Kindergartenalter durfte Charles sie nur zweimal am Tag sehen - quasi für eine kurze Audienz. In seiner Biografie erinnert sich Charles an ein einziges Mal, als seine Mutter etwas länger bei ihm blieb, während er von einem Kindermädchen gebadet wurde. «Sie tauchte ihre Hände nicht in das Badewasser, aber zumindest schaute sie zu.»
Kein Weg führt an Schottland vorbei
Kein Wunder also, dass der Herzog von Cornwall rückblickend von einer «elenden Kindheit» spricht. Gesten der Zuneigung? Fehlanzeige. Auch nicht seitens seines Vaters Prinz Philip, 97. Ihm hält er bis heute vor, dass er ihn nach Schottland in ein Internat geschickt hat. Bereits in der Primarschule, die Charles nur etwas mehr als eine Autostunde von London enfernt besuchte, litt Charles an Heimweh. Queen Mum setzte sich deshalb dafür ein, dass der Thronfolger anschliessend eine Schule nicht weit weg von Schloss Windsor besuchen darf. Ohnehin hatte Charles zu seiner Grossmutter die engste Beziehung. Entsprechend nah ging ihm auch deren Tod im Jahr 2002 im Alter von 101 Jahren.
Aber auch Queen Mum konnte nichts gegen die Pläne von Charles' Vater unternehmen. Dieser setzte sich durch und schickte seinen ältsten Sohn in den hohen Norden in die Schule Gordonstoun. Jene Schule, die Philip selbst auch schon besucht hatte.
Die absolute Hölle
Am 8. Mai 1962 beschrieb das deutsche Magazin «Spiegel» in seiner Ausgabe, wie Philip seinen Charles eine Woche zuvor höchstpersönlich nach Schottland in die Schule Gordonstoun geflogen hatte. Das strenge Regime am Internat aber widerstrebte dem sensiblen Prinzen, der damals 13 Jahre alt war, von Beginn an. Der «Spiegel» etwa zeigt einen strikten Tagesablauf, wie er auf dem Internat geherrscht haben soll. Um sieben Uhr war täglich ein Morgenlauf vorgesehen - egal bei welchem Wetter. Morgens und abends wurde kalt geduscht. Und während den zwanzig Minuten Mittagspause mussten die Schüler still auf dem Rücken liegen, während ein Lehrer ihnen vorlass oder Musik gespielt wurde.
Mit 13 anderen Jungs musste Charles damals in einem Zimmer schlafen. Mobbing war an der Tagesordnung - der Prinz alles andere als beliebt. In einem Brief nach Hause während seines ersten Schuljahres schrieb Charles: «Ich schlafe kaum, da ich schnarche und ständig auf den Kopf geschlagen werde. Es ist die absolute Hölle.» Sein Vater aber hatte kein Erbarmen. Er blieb bei seiner Meinung, dass Charles die Schule gut tun würde, er selbständiger und selbstsicherer werden würde.
Bis zu seinem 18. Lebensjahr - mit einem halbjährigen Unterbruch - musste Charles in der Schule verbleiben. Später nannte er die Zeit eine «Gefängnisstrafe». Und auch seine Eltern sahen die Wahl der Schule gemäss der Biografin Rebecca Star Brown irgendwann als Fehler ein.
Die Geschwister als Stütze
Ein Lichtblick in seiner Kindheit dürften für Charles seine drei Geschwister gewesen sein. Gyles Brandreth schreibt in seinem Buch «Charles & Camilla: Die Geschichte einer grossen Liebe», dass er sich in der Gesellschaft seiner jüngeren wilden Schwester Prinzessin Anne immer wohl gefühlt habe. Diese kam rund zwei Jahre nach ihm zur Welt. «Er bewunderte ihren Elan, ihre Energie, ihren Sinn für Spässe und ihren Mut.» Und auch in Andrew und Edward, die beide zwölf beziehungsweise 16 Jahre jünger sind, soll er ganz vernarrt gewesen sein. «Nach eigenem Bekunden spielte Charles in den Schulferien Stunden um Stunden mit seinen kleinen Brüdern im königlichen Spielzimmer.»
Trotzdem muss es Charles wohl auch geschmerzt haben, war doch Anne immer das Lieblingskind von Prinz Philip. Kommt hinzu, dass Queen Elizabeth nach einigen Jahren auf dem Thron sich nun mehr Zeit für Edward und Andrew nehmen konnte - und vielleicht auch einiges wieder gut machen wollte, was sie bei Charles verpasst hatte.
Selbst die Militärkarriere reichte nicht
Nach der Schule studierte Charles Archäologie, Anthropologie und Geschichte in Cambridge. In diese Zeit fällt auch die offizielle Einsetzung von Charles als «Prince of Wales». Ein Titel, den die meisten britischen Thronfolger seit dem 14. Jahrhundert tragen. Anschliessend absolvierte der Kronprinz zwischen 1971 und 1976 eine Militärausbildung, diente unter anderem in der Royal Navy und ist einer der einzigen Fünf-Sterne-Offiziere unter den Royals. Eine Karriere, die seinen Vater Philip eigentlich hätte begeistern sollen: Schliesslich diente auch er jahrelang mit Freude in der Armee. Selbst dies aber konnte die Wunden der Kindheit nicht mehr kitten.
Bis heute ist das Verhältnis zwischen Charles und seinen Eltern schwierig. Da spielt wohl auch die Geschichte rund um Diana, †36, und Camilla, 71, eine Rolle. Die Queen, so wollen mehrere britische Zeitungen wissen, hält ihren ältesten Sohn für wehleidig und exzentrisch. Prinz Philip wiederum soll ihn hinter vorgehaltener Hand als «Spinner» und «Schwächling» bezeichnen. Öffentlich spricht er von «unterschiedlichen Charakteren». So soll er einmal gesagt haben: «Er ist ein Romantiker, ich dagegen bin eher pragmatisch. Das heisst, wir betrachten Dinge unterschiedlich. Und weil ich nicht die Sichtweise eines Romantikers teile, bin ich gefühlskalt.»
Was Charles selber für Gefühle gegenüber seinen Eltern hegt, bleibt unklar. In der Öffentlichkeit zumindest hält er sich zurück. Erst kürzlich, anlässlich des 92. Geburtstags der Queen, sprach Charles sie als «Mummy» an - wohl das höchste der Gefühle für die britischen Monarchen. Zumindest aber sollen sich Vater und Sohn inzwischen miteinander arrangiert haben. Schliesslich ist inzwischen auch einige Zeit vergangen seit der schlimmen Kindheit des künftigen Königs von England.
Lesen Sie im zweiten Teil: Alles zum Kennenlernen und der Ehe zwischen Prinz Charles und Lady Diana