Der Ururururgrossvater von Prinz William und Prinz Harry war Schweizer und heisst Auguste Louis de Senarclens. In der siebten Generation stammen der britische Thronfolger und sein Bruder vom Landadligen aus der Waadt ab.
In Genf leben noch heute zahlreiche Verwandte aus der Familie ihrer Schweizer Vorfahren. Françoise de Senarclens, 70, ist eine grosse, humorvolle Dame, die mit ihrem Mann Richard in Chêne-Bougeries, dem vornehmsten Quartier Genfs, in einem romantisch verschachtelten Haus mitten in einem dichten Märchenwald inklusive Teich, Papagei, Tauben, Fröschen und zwei wirbligen französischen Bulldoggen, Tom und Lilli, lebt. Sie kann die Verbindung der Senarclens mit den englischen Royals bestätigen.
Bei unserem Besuch holt sie ein dickes, 400-seitiges Buch ihres Schwiegervaters hervor: «Da muss es drinstehen!» Der Rechtsanwalt und Historiker Jean de Senarclens (1916–2005) hat die 800-jährige Geschichte seiner Familie akribisch aufgezeichnet. Tatsächlich! Auf den Seiten 229 bis 232 seines Wälzers zeigt er, wie aus den Senarclens in direkter Linie die von Battenbergs und aus den von Battenbergs die Mountbattens geworden sind: also die Familie der Prinzen Philip, Charles, Harry und William.
In der Familie von Françoise de Senarclens bildet man sich aber nichts auf diese berühmte Blutlinie ein. «Wissen Sie, sechs Monate nach meiner Heirat mit Richard hat mir jemand gesagt: ‹Sie tragen aber den Titel Baronesse sehr gut.› Ich fragte meinen Mann, was der komische Kauz wohl gemeint hat. Er sagte mir nur, ach ja, eigentlich sind wir Barone. Vor der Heirat hat er mir davon nichts gesagt!»
So cool sind Schweizer Adlige heute. Françoise de Senarclens arbeitet täglich als Erwachsenenbildnerin, Kommunikationsberaterin und Sterbebegleitern für Exit, fährt mit dem Scooter in die Stadt und hat eben einen spannenden Roman veröffentlicht: «Histoire de la petite fille morte». Eine untypische Adlige: «Viel Arbeiten ist für die Adligen nicht so wichtig, ich selbst stamme von italienischen Immigranten ab und verkörpere eher den protestantischen Arbeitsethos», lacht sie. Aus der gleichen Familie de Senarclens stammt übrigens auch der bekannte welsche Chansonnier Michel de Senarclens, der sich Sarcloret nennt, und eine freche Humoristin, die oft am Radio zu hören ist, Coline de Senarclens.
Die britischen Prinzen haben also ein paar Tropfen echtes Schweizer Blut, denn ihr Vorfahre Auguste Louis de Senarclens kommt aus dem Dörfchen Senarclens bei La Sarraz VD, dem Ort, der auch «Milieu du Monde» genannt wird, weil dort die Wasserscheide zwischen Rhein und Rhone liegt. Aber nicht nur die englischen Royals stammen von ihm ab! Auch die russische Zarenfamilie hat Blut von diesem Auguste Louis. Und andere Königshäuser.
Und das kam so: Auguste Louis de Senarclens kam am 19. August 1794 in Schloss Etoy am Genfersee zur Welt. Er machte zunächst Karriere als Offizier der Schweizergarde am französischen Königshof, dann diente er in der persönlichen Garde des Grossherzogs Ludwig II. von Hessen-Darmstadt, wo er zum Generalmajor und Oberhofstallmeister befördert und schliesslich 1830 mit dem Erbtitel Freiherr von Hessen-Darmstadt belohnt wurde.
Er war verheiratet mit Louise von Otting-Fünfstetten, die ihm drei Knaben und drei Mädchen schenkte. Doch jetzt wird es interessant: Er hatte eine Liaison mit der Grossherzogin von Hessen, einer geborenen Wilhelmine von Baden, die von ihrem Mann, dem Grossherzog, getrennt lebte, weil er nicht zeugungsfähig war. Da die Nachkommenschaft aber unbedingt gesichert werden musste, tolerierte, ja begrüsste der Grossherzog diese Liaison und anerkannte die von Auguste Louis gezeugten Kinder als legitime Glieder der Familie von Hessen. Zwei dieser Kinder des Waadtländers wurden zu Stammeltern zweier Königshäuser.
Eine Tochter, Prinzessin Marie (1824–1880), wurde die Frau des Grossherzogs und späteren Zars Alexander II. von Russland unter dem Namen Maria Alexandrovna. Einer der Söhne, Prinz Alexander (1823–1888), hat ebenfalls einen märchenhaften Aufstieg erlebt. Er begleitete zunächst seine Schwester Marie an den Zarenhof, wurde Offizier der kaiserlichen Garde, heiratete eine Hofdame der Zarin, die Österreicherin Julia Hauke, verliess mit ihr Russland erst Richtung Österreich, dann nach Darmstadt, wo er in die Dienste des Grossherzogs von Hessen eintrat.
Diesem gefiel es, Alexanders Ehefrau Julia den Titel Gräfin von Battenberg zu verleihen. Aus dieser Ehe sind fünf Kinder hervorgegangen, ein Knabe, Alexander, wurde später König von Bulgarien. Der Älteste, Ludwig A. von Battenberg (1854–1921), trat in die Dienste der englischen Krone, heiratete seine Cousine, die Prinzessin von Hessen, eine Enkelin von Queen Victoria. Ein dritter Sohn, Prinz Heinrich von Battenberg, heiratete Prinzessin Beatrice von Grossbritannien, die letzte Tochter von Queen Victoria.
Die Deutschen standen zu Beginn des Ersten Weltkriegs nicht mehr hoch im Kurs, und so verenglischte Ludwig von Battenberg seinen Namen in Mountbatten. Sein Sohn, Lord Louis Mountbatten von Burma (1900–1979), war der letzte Vizekönig von Indien, heiratete die Enkelin des reichen Bankiers Sir Ernest Cassel, der sich auf der Riederfurka eine Ferienresidenz baute, die heute noch steht.
Eine Schwester des Lords heiratete König Gustav VI. Adolf von Schweden, eine andere, Victoria Alice, den griechischen Prinzen Andreas. Sie war die Mutter des heutigen Prinzgemahls Philip, Herzog von Edinburgh, 97, der sich Philip Mountbatten nennt. Auch sein Sohn und seine Enkel nennen sich Mountbatten. Sind also direkte Nachkommen der von Battenbergs, also der Senarclens. So zählen zahlreiche Königshäuser einen Waadtländer Landadligen zu ihren Vorfahren, den legendären Auguste Louis de Senarclens, der selbst vom Schlossherr von Vufflens VD, Pierre-Daniel de Senarclens, abstammte. Die Prinzen William und Harry sind also vom Blut her Waadtländer.
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