«Die Queen Elizabeth II. ist im Alter von 96 Jahren friedlich auf Schloss Balmoral in Schottland eingeschlafen», schreibt der Buckingham-Palast in einer kurzen Meldung am Donnerstag, 8. September 2022, um zirka 19.30 und bestätigt damit die schlimmsten Befürchtungen. Königin Elizabeth II., die seit 70 Jahren auf dem englischen Thron sass, ist tot.
Fleissig, diszipliniert und ausdauernd - diese Attribute passen zu Queen Elizabeth wie die Faust aufs Auge. So lange wie sie hat keine Monarchin reagiert, so viele Premierminister wie sie hat niemand überdauert (Theresa May war die 13. Regierungschefin, die ihr begegnen durfte) und sie hat wie keine andere unzählige politische Konflikte und Krisen überstanden. Sie hat den Zweiten Weltkrieg erlebt, die Auflösung des Britschen Weltreichs und die Zeit, als die Monarchie nach dem Tod von Lady Diana, †36, infrage gestellt wurde. Doch der Reihe nach.
Elizabeth Alexandra Mary oder «Lilybet», wie sie von ihren engsten Verwandten genannt wird, wird am 21. April 1926 am frühen Morgen um 2.40 Uhr in London geboren. Sie kommt per Kaiserschnitt im Geburtshaus ihres Grossvaters zur Welt und wird drei Jahre später am 29. Mai 1929 in der Privatkapelle des Buckingham-Palasts getauft. Das Interesse an der kleinen Lilybet ist gross, das Magazin «Time» setzt sie im April 1929 zum ersten Mal auf die Titelseite.
Als sie auf die Welt kommt, sitzt ihr Grossvater, König George V, auf dem Thron. Sie ist demnach nur Dritte in der Thronfolge. Nach dessem Tod im Januar 1936 übernimmt ihr Onkel und wird zu König Eduard VIII. Doch dessen Liebe zu Wallis Simpson, einer zweifach geschiedenen Amerikanerin, und sein Wunsch, sie zu heiraten, zwingen Eduard bereits wenige Monate später im Dezember 1936 zur Abdankung. Elizabeth Vater übernimmt als König George VI das Zepter und macht aus der Zehnjährigen von einem Tag auf den anderen eine Thronfolgerin. Eine Rolle, der sie sich schnell zu fügen scheint. Im Alter von 14 Jahren hält sie bereits ihre erste Rundfunkrede in der «Children's Hour» («Kinderstunde») und richtet sich an Kinder, die während des Zweiten Weltkrieges Evakuierungen miterleben mussten.
Zwei Jahre später, an ihrem 16. Geburtstag, hat sie ihren ersten Auftritt in der Öffentlichkeit. Sie mag zwar in einem goldenen Käfig aufgewachsen sein, doch Elizabeth lernt es auch zu arbeiten. Als junge Thronfolgerin schliesst sie sich 1945 dem Auxiliary Territorial Service, der Frauenabteilung des Britischen Heeres, an. Dort wird sie zur Lastwagenfahrerin und Automechanikerin ausgebildet. Sie ist in Camberley, Surrey, im Südwesten Londons stationiert und trägt die Dienstnummer 230873. Es heisst, sie habe grösste Freude daran gehabt, Dreck unter ihren Fingernägeln und Öl an ihren Händen zu haben.
«Wie kann ich der Königin je untreu werden?»
1947 wird die Verlobung zu Prinz Philip von Griechenland und Dänemark bekannt gegeben. Die Liebe aber beginnt schon viel früher - genau genommen als Elizabeth 13 Jahre alt ist. Damals soll sie sich in den fünf Jahre älteren attraktiven Marineoffizier, den sie 1934 an der Hochzeit des Herzogs von Kent erstmals erblickte, verliebt haben. Von der Verbindung sind nicht viele begeistert - trotz Prinzentitel ist Philip zu wenig vermögend und aufgrund seiner Vorfahren darüber hinaus zu deutsch. Für die künftige Königin kein Hindernis, ihrem Traumprinzen am 20. November 1947 das Ja-Wort zu geben.
2000 Gäste waren bei der Trauung in der Westminster Abbey dabei. Lady Pamela Hicks, Prinz Philips Cousine, sagt einmal: «Die Prinzessin [Elizabeth; Anm.d.Red.] war geblendet von Philip, als sie ein kleines Mädchen war. Und als sie älter wurde, fand sie ihn immer noch sehr attraktiv, sehr lustig - sein Charisma zog Leute in seinen Bann. Er nahm sie ernst, als er realisierte, dass seine kleine Cousine eine junge Frau geworden ist - eine hübsche junge Frau.» Und die Queen meint später über ihren Ehemann: «Er ist, ganz einfach, seit all den Jahren meine Stärke und mein Halt.»
Ihr Gemahl gilt als Mann, der - so heisst es - wilden Tänzen von schönen Frauen nicht abgeneigt war. Nicht selten wird ihm eine Affäre unterstellt, doch Beweise gibt es nicht. Einmal sagt er im Hinblick auf einen Seitensprung: «Die Art, wie die Zeitungen über mich schreiben - warum habe ich es eigentlich nicht gemacht? Doch wie kann ich der Königin je untreu werden? Sie könnte sich doch nie mit gleicher Münze wehren.»
Sie ist 23, als ihr Vater im Februar 1952 stirbt und aus Elizabeth Mary Königin Elizabeth II wird. Die offizielle Krönung findet ein Jahr später in der Westminster Abbey statt - die erste, die im Fernsehen übertragen wird und den Verkauf von TV-Geräten in vielen Ländern ankurbelte. Zu jener Zeit ist die Monarchin bereits zweifache Mutter - Prinz Charles erblickt am 14. November 1948 das Licht der Welt, Prinzessin Anne folgt am 15. August 1950. Zehn Jahre verstreichen, ehe am 19. Februar 1960 schliesslich Prinz Andrew und am 10. März 1964 Prinz Edward geboren werden.
Ihre Regentschaft ist geprägt von einem grossen Umwandlungsprozess, der Entkoloniolisierung - aus dem British Empire wird der bis heute bestehende Commonwealth of Nations. Sie zählt zu den am weitesten gereisten Staatsoberhäuptern der Geschichte. Allein 16 Mal ist sie schon nach Australien gereist, deren 23 Male nach Kanada. Von insgesamt über 100 Staatsbesuchen ist die Rede. In den letzten Jahren vor ihrem Tod mag Elizabeth zwar viele der langen und weiten Reisen Prinz Charles respektive seinen Kindern überlassen haben, untätig aber bleibt sie nicht. Bis zu 300 Termine pro Jahr stehen in ihrer Agenda. Kein Wunder trägt sie den Übernamen «Königin der Disziplin».
«Königin der Überraschungen» ist sie seit 2012, als sie an der Seite von «James Bond»-Darsteller Daniel Craig für die Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in London eine kleine Filmrolle übernimmt.
Adelsexperte Rolf Seelmann-Eggebert dazu: «Vor 30 Jahren wäre so eine Geschichte undenkbar gewesen. Und es ist immer noch unvorstellbar, dass es passiert ist.» Auch ihre Enkel hätten ihr das nicht zugetraut. «Aber man weiss eben nie, welche Freiheiten sich ältere Damen erlauben», so Seelmann-Eggbert. Sie selbst sei «sehr glücklich» gewesen, lässt ein Palastsprecher damals verlauten, «bei so etwas Aussergewöhnlichen mitgewirkt zu haben». Ein Beweis auch, wie beliebt die Königin beim Volk ist.
Das ist nicht immer so. 1997, als Lady Diana bei einem Autounfall in Paris ums Leben kommt, wird die Monarchie erschüttert und die Queen infrage gestellt. Sie wird als kalt, herz- und gefühlslos bezeichnet im Umgang mit Dianas Tod. Doch sie hat ihre Gründe und erklärt sich - für viele nur viel zu spät - in einer Live-Videobotschaft vor dem Volk. Sie habe ihre Enkel beschützen wollen, ihre Pflichten als Grossmutter den Pflichten einer Monarchin vorgezogen und sei deshalb nicht gleich von Schottland nach London zurückgekehrt, als die Tragödie passiert.
Nun trauern die Königsfamilie, der Hof, ganz England und Royal-Fans überall auf der Welt um einen aussergewöhnlichen Menschen. Um eine Königin, die wie keine andere die Monarchie geprägt hat.