Vor der Küste der Costa Smeralda taucht eine Frau mit einem Kopfsprung von einem schnittigen Boot in die glitzernden Fluten. Es ist Prinzessin Diana, die da sorglos im Wasser planscht, die Ex-Frau des englischen Thronfolgers Charles, 68, Mutter der Prinzen William und Harry. Während Diana unbeschwert schwimmt, wird sie unbemerkt von Paparazzi fotografiert.
Diana ist nicht allein. Ihr Freund Dodi ist bei ihr. Erfrischt klettert Diana wenig später ins Boot und lässt sich mit Dodi zurück zu dessen 63-Meter-Luxusjacht «Jonikal» bringen. An Deck setzt sich die Prinzessin auf den Ausleger und geniesst die letzten Sonnenstrahlen. Es ist Freitag, der 29. August, etwa halb acht Uhr abends.
«Mummy, ich will nur eines – dass du glücklich bist.»
Zeitgleich geniessen 2600 Kilometer weiter nördlich von Sardinien die Prinzen William und Harry, damals 15 und 12 Jahre alt, ihre letzten Ferientage auf Schloss Balmoral in Schottland. Ihre Mutter haben sie seit fast vier Wochen nicht mehr gesehen. Aber sie haben oft mit ihr telefoniert.
Diana will dabei von ihrem Ältesten wissen, was er vom Presserummel um sie und Dodi hält. Er hat den neuen Freund seiner Mutter wenige Wochen zuvor kennengelernt – ebenfalls auf der «Jonikal». Dodis Vater Mohamed Al-Fayed, 88, hatte Diana und ihre Söhne auf die Jacht eingeladen. William versichert seiner Mutter: «Mummy, ich will nur eines – dass du glücklich bist.»
Die traurige Prinzessin ist wieder verliebt
Diana ist glücklich. Es ist wahr geworden, was sie nach der Scheidung von Kronprinz Charles in einem Interview verkündet hatte. «Wenn ich mich wieder verliebe, werden die Funken fliegen.» Die geschiedene, traurige Prinzessin ist wieder verliebt. In Dodi Al-Fayed, 42. Einen ägyptischen Filmproduzenten und Geschäftsmann, Sohn des milliardenschweren damaligen Besitzers des Londoner Nobelkaufhauses Harrods und Eigentümer des Pariser Luxushotels Ritz, Mohamed Al-Fayed.
Dodi gilt als ewiger Tunichtgut und alternder Playboy, Stammgast des legendären «Studio 54», wo er in den 80er-Jahren die Nächte durchfeierte. «Dodi liebte Betäubungsmittel, gutes Kokain und heisse Frauen – und davon hatte er immer reichlich», erinnert sich der Besitzer des New Yorker Promi-Lokals, Mark Fleischmann.
«Ich freue mich so auf euch»
Wenige Stunden nach ihrem Badeausflug sitzt Diana mit Dodi im Privatjet nach Paris. Was sie nicht wissen: In Windeseile hat sich auf dem europäischen Paparazzi-Netz verbreitet, dass das Paar auf dem Weg in die Stadt der Liebe ist. Als ihre Maschine am Samstag, 30. August, um 15.20 Uhr in Le Bourget landet, lauern dort bereits die Paparazzi. Diana und Dodi können sie durchs Flugzeugfenster sehen.
Dodi regt sich fürchterlich auf. Die Fotografen sollen verschwinden. Das Paar will nur eine Nacht in Paris bleiben, am nächsten Tag nach London weiter. Diana möchte noch ihre Buben sehen, ehe diese wieder ins Internat nach Eton zurückkehren. Sie hat mit beiden telefoniert. «Am Sonntag bin ich zurück in London. Ich freue mich so auf euch.»
Die Jagd ist eröffnet
Das «Ritz» schickt zwei seiner Fuhrpark-Wagen zum Flughafen: einen dunkelgrünen Range Rover und einen schwarzen Mercedes. Einer der Fahrer ist der stellvertretende Chef des Sicherheitsdienstes des Hotels: Henri Paul holt oft VIP-Gäste am Flughafen ab. Jetzt steht er mit seinem Kollegen neben den Wagen auf dem Vorfeld – und wartet. Irgendwann weist Dodi die beiden via Handy an, zu ihnen zum Flugzeug zu fahren. Schnell verschwindet das Paar im Mercedes und braust davon.
Die Jagd auf die Prinzessin und ihren Geliebten ist eröffnet. Schon nachmittags kommt es zu einer kritischen Situation. Auf ihrer Fahrt vom Flughafen zur Villa Windsor, der Ex-Residenz der Windsors, die Dodis Vater seit 1987 für eine Jahresmiete von einer Million Franc gepachtet und aufwendig restauriert hat, zwängt sich im dichten Verkehr ein kleiner schwarzer Peugeot an die Seite des Mercedes, zieht abrupt nach rechts, was den Fahrer der Limousine zu einem Bremsmanöver zwingt. Im selben Augenblick fährt ein Motorrad nahe an den Mercedes heran, und ein auf dem Sozius sitzender Fotograf knipst durchs Fenster ein Foto von Diana und Dodi.
Ein hektischer Abend
Übernachten will das Paar nicht in den ehemaligen Windsor-Gemächern. Nach einer halben Stunde lassen sich Diana und Dodi ins «Ritz» chauffieren, wo sie die Suite Impériale beziehen: antike Möbel, Doppelschlafzimmer, Salon und Esszimmer, das Badezimmer aus Marmor, schwere Leuchter an den Decken und kostbare Bilder an den cremefarbenen Wänden. Vom Balkon aus ein Traumblick auf die Place Vendôme. Preis pro Nacht: 15 000 Franken.
Es wird ein hektischer Abend. Vom Hotel fährt das Paar zu Dodis Pariser Wohnung, um sich umzuziehen, von da wollen sie weiter zum Abendessen ins «Benoit» – der Tisch ist reserviert. Doch vorm Haus lauern schon wieder Paparazzi. Dodi storniert den Tisch bei Starkoch Alain Ducasse, er will stattdessen mit seiner Liebsten ungestört im «Espadon», dem Hotelrestaurant des «Ritz», essen.
Als Dodi in Cowboy-Stiefeln, Jeans, hellgrauem Hemd und braunem Veston und Diana in weissen Slacks-Hosen, schwarzem Top und Jackett Platz nehmen, werden sie von anderen Gästen angestarrt. Das Paar hat genug. Und verzieht sich in seine Suite, um dort ohne neugierige Blicke und Getuschel in Ruhe zu essen.
Mehr als 50 Fotografen
Das «Ritz» ist im Belagerungszustand. Vor dem Hotel lungern mehr als 50 Fotografen herum. Dianas Leibwächter Trevor Rees-Jones tüftelt mit einem Kollegen und Henri Paul an einem Plan, wie man die Paparazzi abschütteln könnte, wenn Diana und Dodi nach dem Essen zurück in Dodis Wohnung wollen.
Ihre Idee: Sie lassen vier Wagen als Köder vorfahren, darunter den Range Rover, der zuvor am Flughafen zum Einsatz gekommen ist. Die Paparazzi aber lassen sich nicht so leicht übertölpeln. Einige von ihnen behalten auch den Hintereingang des Hotels im Blick. Die Stimmung ist hektisch, sie haben den nahenden Redaktionsschluss der britischen Boulevardblätter im Hinterkopf.
«Dieses Mal erwischt ihr uns nicht»
Kurz nach Mitternacht nimmt das Unheil seinen Lauf. Dodi und Diana wollen aufbrechen. Die Sicherheitstruppe des «Ritz» lässt am Hintereingang des Luxushotels einen S280 vorfahren. Als Dodi und Diana aus dem Hintereingang kommen, nehmen sie im Fond Platz, während sich ihr Sicherheitsmann neben Fahrer Henri Paul auf den Beifahrersitz setzt.
Keiner weiss, dass Paul getrunken, zuviel getrunken hat. Aufgekratzt ruft er den Paparazzi noch zu: «Dieses Mal erwischt ihr uns nicht», tritt aufs Gaspedal und braust davon. Die Seine-Schnellstrasse ist zwar ein Umweg auf dem Weg zu Dodis Wohnung, dafür bietet sie die Möglichkeit, Verfolger abzuhängen. Paparazzi, die sich an den Wagen gehängt haben, berichten später, dass die Limousine schon bei der Place de la Concorde 100 Stundenkilometer schnell fuhr.
«Der Wagen fuhr zickzack»
Der Seine-Tunnel am Pont de l’Alma, ganz in der Nähe des Eiffelturms, ist bei vielen Autofahrern gefürchtet. Beim Tunneleingang gehts leicht bergab in eine Kurve. Henri Paul hat weit mehr als 100 Stundenkilometer drauf, als er in den Tunnel rast.
Augenzeuge François Lévy, der mit seiner Frau auf dem Heimweg nach Rouen ist, sieht im Rückspiegel, wie die Scheinwerfer des Wagens hinter ihm plötzlich zu tanzen beginnen. «Der Wagen fuhr zickzack, dann gab es einen lauten Knall, wie eine Explosion.»
Henri Paul, Dodis und Dianas Chauffeur, sitzt genau auf der Seite des Mercedes, die in den Brückenpfeiler Nummer 13 kracht. Er ist wohl sofort tot. Die Kühlerhaube rollt sich zurück, und der Motor wird mit solcher Wucht nach hinten gedrückt, dass der Kühler im Beinraum des Fahrers landet.
«Reden Sie nicht Französisch mit ihr, reden Sie Englisch!»
Ein schlimmer Anblick bietet sich Frédéric Mailliez. Der Arzt ist zufällig auf der Gegenspur unterwegs. Er sieht die Unfallstelle, hört die Hupe des Mercedes ununterbrochen tönen. Mailliez hält an, wählt den Notruf und meldet den Unfall. Es ist 0.25 Uhr. Dann eilt er zu dem Autowrack.
Die Tür auf der Beifahrerseite des Unfallwagens ist abgerissen. Aus dem Rahmen hängt der blutüberströmte Körper von Dianas Leibwächter Trevor Rees-Jones. Er ist als Einziger angeschnallt. Neben ihm liegt Henri Paul mit dem Gesicht auf dem Lenkrad. Er ist tot. Auf dem Rücksitz seitwärts verdreht liegt Dodi, auch er tot.
Diana ist bewusstlos, liegt zwischen Vorder- und Rücksitz. Ihr Kopf ist mit dem Kinn zur Brust gepresst, sie hat unter dem linken Auge eine kleine Schramme. Diana stöhnt und murmelt Unverständliches. Mailliez hebt ihren Kopf an, um ihr das Atmen zu erleichtern. Rund um den Ersthelfer herum blitzt es. Die Fotografen rufen ihm zu: «Reden Sie nicht Französisch mit ihr, reden Sie Englisch!»
Gegen 4 Uhr morgens wird Prinzessin Diana offiziell für tot erklärt
Etwa 15 Minuten nach dem Notruf von Mailliez sind die Rettungsdienste am Unfallort. Die Feuerwehr schneidet das Dach des Mercedes auf, um Diana herausholen zu können. Sie hat innere Verletzungen und hat viel Blut verloren. Im Autowrack finden die Retter auch einen Ring. Dodi hatte ihn zehn Tage zuvor bei Juwelier Alberto Repossi für Diana bestellt – für 300 000 Franken! Ein Freundschaftsring? Ein Verlobungsring? Darüber wird später viel spekuliert, das Geheimnis indes nie gelüftet.
Zeitgleich im Unispital Pitié-Salpetrière: Bei Professor Bruno Riou schlägt der Piepser Alarm. Der Chefarzt der Intensivstation weiss, dass bald eine Ambulanz mit einem Notfall eintreffen wird. Er macht sich mit seinem OP-Team bereit. Als Diana in den OP-Saal rollt, wird es zwei OP-Schwestern schlecht. Verzweifelt kämpfen die Ärzte um Dianas Leben. Doch das Herz der Königin der Herzen bleibt stehen. Die Ärzte können nichts mehr tun. Einige weinen. Gegen 4 Uhr morgens wird Prinzessin Diana offiziell für tot erklärt.
«People's Princess»
Prinz Charles erfährt die Todesnachricht nur wenig später telefonisch vom britischen Botschafter in Paris via Telefon. Er weckt William und Harry, um ihnen den Tod ihrer Mutter beizubringen. Die BBC verkündet wenig später die Tragödie im Radio und am TV. Englands Premierminister Tony Blair prägt nach der Todesnachricht das Wort von der «People’s Princess».
Nachmittags fliegt Charles mit Dianas Schwestern Jane und Sarah nach Paris, am Abend kehren sie mit dem Leichnam der Prinzessin nach London zurück. Tausende Briten legen Blumen vorm Buckingham Palace ab. Die ganze Welt trauert und weint um Prinzessin Diana.
«Auf Wiedersehen, Rose von England»
An Dianas Beerdigung wächst die Queen über sich hinaus: Sie lässt den Union Jack auf ihrem Palast erstmals in der Geschichte Grossbritanniens auf Halbmast setzen. Und: Sie hat doch noch eingewilligt, dass Elton John in der Westminster-Abtei die Tote mit seinem Lied «Candle in the Wind» ehren darf. Der Popstar singt: «Auf Wiedersehen, Rose von England. Für immer sollst Du in unserem Herzen blühen. Nun bist Du im Himmel, und die Sterne rufen Deinen Namen. Und für mich hast Du Dein Leben gelebt wie eine Kerze im Wind. Auf Wiedersehen, Rose von England. Von einem Land, das verloren ist ohne Deine Seele...»
William und Harry lassen ihren Tränen freien Lauf, und sogar ihre Grossmutter, Königin Elizabeth II., presst mit geröteten Augen ihr Taschentuch vor den Mund. 1900 geladene Trauergäste nehmen Abschied, darunter Amerikas First Lady Hillary Clinton, die Schauspieler Tom Hanks und Tom Cruise mit Gattin Nicole Kidman. Selbst die TV-Kommentatoren bleiben stumm, als der Sarg Dianas zu einer schwarzen Limousine getragen wird.
Dianas letzte Reise führt nach Althorp bei Northampton. Auf dem Familiensitz der Spencers findet sie ihre letzte Ruhestätte. Ihr Bruder Charles, um den sie sich als junges Mädchen so rührend gekümmert hatte, sagt: «Die wohl grösste Ironie ihres Schicksals war, dass die Frau, der der Name der antiken Göttin der Jagd gegeben worden war, am Ende zur meistgejagten Person der modernen Zeit geworden ist.»
Diana wird unsterblich
Unzählige Verschwörungstheorien ranken sich um sie. So soll der britische Geheimdienst MI5 den Unfall inszeniert haben, weil Dianas Beziehung zu dem Muslim Dodi dem Königshaus missfiel. Diana soll gar von ihm schwanger gewesen sein. Sie selbst soll Wochen zuvor geäussert haben, dass «jemand einen Unfall mit meinem Wagen plant». Die Landminen-Lobby? Ihr Ex-Mann? Gar die Queen?
Es ist vor allem Dodis Vater Mohamed Al-Fayed, der immer neue mysteriöse Theorien befeuert, ja sogar das Königshaus verklagt. Beweise für seine Anschuldigungen gibt es keine. Verbittert verlegt Al-Fayed 2003 seinen Wohnsitz von England in die Schweiz und zieht 2005 weiter nach Monaco, wo er seither zurückgezogen lebt. Diana hingegen, die schon zu Lebzeiten eine Legende war, wird durch ihren tragischen Tod unsterblich.