Es gab diesen Moment. Als Anna Maier, 40, sah, dass ihre Tochter zur Nanny lief anstatt zu ihr, nachdem sie umgefallen war und weinen musste. «Das ist mir eingefahren», sagt die Moderatorin. «Schliesslich bin ich nicht nur Karrierefrau, sondern auch sehr gerne Mama. Alle meine drei Kinder sind Wunschkinder.»
Nach einem Bandscheibenvorfall beschliesst die Zürcherin, ihrer Familie eine Auszeit zu gönnen. Sie kündigt ihre Stelle bei SRF und sucht sich eine Bleibe auf Mallorca, um ein paar Monate lang ausschliesslich Mama zu sein für Lena, 16, Julie, 6, und Nio, 5. «Das hat uns allen gutgetan», sagt Maiers Erstgeborene beim Mutter-Tochter-Fotoshooting. Lena ist eine wunderschöne junge Frau geworden, die vor der Kamera locker mit Mami mithalten kann. Aber Lena hat ganz andere Pläne.
Das Interview:
Anna Maier und Lena, sind Sie sich so ähnlich, wie es aussieht?
Lena: Man denkt das oft, weil wir beide lange dunkle Haare haben, aber ich finde, dass wir eigentlich völlig verschieden aussehen.
Anna Maier: Lena hat viel von ihrem Papa. Und auch vom Gemüt her ist sie anders als ich. Lena ist eine Überlegte, sie braucht Menschen um sich, dadurch ist sie sehr hilfsbereit und sozial.
Bedeutet das: Sie sind eine unüberlegte, asoziale Einzelgängerin?
(Lacht.) Nein so komplett verschieden sind wir dann doch nicht. Ich bin sicherlich die Risikofreudigere. Und ja, ich brauche immer wieder auch Zeit für mich.
Hat man die noch mit drei Kindern?
Ich nehme sie mir, häufig dann spätabends. Wenn alle friedlich schlafen, kann ich konzentriert arbeiten. Die meisten meiner Texte und Moderationen entstehen nachts, manchmal schreibe ich bis in die frühen Morgenstunden.
Lena: Dafür bist du immer müde.
Anna: Ja, aber trotzdem möchte ich momentan nichts daran ändern. Tagsüber will ich möglichst viel Zeit mit euch verbringen.
Geniesst du es, das Mama jetzt so viel da ist, Lena?
Es war ein Umgewöhnen. Als wir auf Mallorca plötzlich jeden Tag zusammen waren, wurde unsere Beziehung erst einmal ziemlich distanziert.
Anna: Lena sagte zu mir, sie habe sich immer gewünscht, dass ich mehr zu Hause bleibe, aber jetzt sei es schon fast zu viel. Das hat mich auch nicht erstaunt, wenn man plötzlich so aufeinandersitzt.
Wie ist Ihre Beziehung jetzt?
Lena: Sehr eng. Mami ist meine wichtigste Bezugsperson.
Anna: Ich glaube auch, weil ich so früh Mutter wurde, mit 24, und wir zehn Jahre lang häufig zu zweit unterwegs waren, haben wir eine enge Bindung aufgebaut. Ich möchte aber nicht die Freundin meiner Tochter sein, sondern bleibe gerne die Mutter.
Was kann deine Mama besser als alle anderen?
Vertrauen. Ich bin ein anstrengendes Kind gewesen.
Anna: Gewesen! (Zwinkert Lena zu.)
Lena: Doch, ich habe dich oft auf die Palme gebracht. Aber du hast nie aufgehört, mir zu vertrauen.
Hast du das nie missbraucht?
Doch, sicher. Früher dachte ich, ich könne meiner Mutter gewisse Dinge nicht erzählen, weil meine Freundinnen das ja auch nicht tun. Aber ich habe gelernt, dass ich mit ihr über alles reden kann.
Sind Sie keine strenge Mutter?
Ich bin strikt, aber nicht streng. Wenn Lena sich an die Regeln hält, darf sie viel. Aber auf Mallorca habe ich ihr zum Beispiel nicht erlaubt, in die Partyzentren zu gehen, obwohl einige ihrer Freundinnen das durften. Dazu ist sie einfach zu jung.
Haben Sie keine Angst, die uncoole Mutter zu sein?
Da bin ich total schmerzfrei. Ich finde es nicht uncool, das eigene Kind zu schützen. So habe ich es auch Lena erklärt: Es ist eine Sorge, die zum Ausdruck kommt. Ich weiss natürlich aus meiner Teenager-Zeit, wie doof man es findet, bemuttert zu werden. Aber auf Mallorca habe ich einen Fall mitgekriegt, wo K.-o.-Tropfen im Spiel waren. Ich wollte verhindern, dass Lena etwas Negatives erlebt, das sie fürs Leben prägt.
Aber sie muss im Haushalt mithelfen
Welche eigenen Erfahrungen möchten Sie Lena ersparen?
Auch wenn man als Mutter das Bedürfnis hat, den Kindern negative Erfahrungen zu ersparen, bin ich der festen Überzeugung, dass genau diese Erfahrungen unglaublich wichtig sind und aus jedem Tiefschlag etwas viel Stärkeres entsteht.
Übernimmst du schon Verantwortung für deine Geschwister, Lena?
Früher habe ich die beiden manchmal gehütet. Seit ich den ganzen Tag im Gymi bin und auch zu Hause viel lernen muss, bleibt mir nur wenig Zeit.
Anna: Ich erwarte auch nicht, dass Lena bei ihren Geschwistern Verantwortung übernimmt. Aber sie muss im Haushalt mithelfen.
Sie zahlen Ihrer Tochter einen Jugendlohn aus. Weswegen?
Weil ich es ein schlaues Konzept finde von Pro Juventute. Es ist beängstigend, dass in der Schweiz fast ein Drittel aller Jugendlichen verschuldet ist. Lena soll lernen, mit ihrem Geld auszukommen – und zu sparen.
Wie funktioniert das genau?
Wir haben ein Budget erstellt, was Lena für den Bus, das Handy-Abo, Kleider, Essen, aber auch Freizeitaktivitäten braucht. Einen kleinen Betrag pro Monat kann sie auch sparen. Lena muss übers ganze Jahr hinaus haushalten, sprich genau überlegen, was sie wann kauft. Das Mittagessen in der Schulmensa, das zwölf Franken kostet, kann sie sich zum Beispiel nicht jeden Tag leisten. Sie muss etwas von zu Hause mitnehmen.
Lena: Kürzlich ging die Kamera meines Handys kaputt, ich habe ausgerechnet, dass ich mindestens bis Weihnachten sparen muss, um mir ein neues zu kaufen.
Nerven Mamas Regeln manchmal?
Nur wenns um Desserts geht. Mama erlaubt das meistens nur an Wochenenden und Feiertagen. Das finden alle drei Kinder doof.
Anna: Ich glaube, es nervt die Kinder manchmal, dass ich darauf poche, sie über das Weltgeschehen auf dem Laufenden zu halten.
Lena: Wenn ich am Morgen mal keine News lese, gibts vielleicht Diskussionen!
Anna: Mit den Kleinen schaute ich kürzlich die politischen Leader in verschiedenen Ländern an. Sie interessierten sich dann aber vor allem für das Flugzeug des US-Präsidenten (lacht).
Nun haben Sie keine Nanny mehr, verdienen Ihren Lebensunterhalt aber immer noch mit Moderationen, haben ein Studium angefangen und führen einen journalistischen Blog*. Wie geht das?
Es ist streng, das muss ich ehrlich zugeben. Deswegen arbeite ich auch nachts. Aber auch die Väter der Kinder sind fester Bestandteil unseres Lebens. Und wenn ich einmal im Monat fürs Studium ein paar Tage ins Ausland muss, übernimmt oft auch mein jetziger Partner.
Sie sind wieder liiert. Was muss ein Mann mitbringen, damit Sie ihn Ihren Kindern vorstellen?
Mich gibt es nur im Viererpack. Ich mache keinen Unterschied zwischen mir als Partnerin und mir als Mutter. Aber schlussendlich gibts dafür keine Formel, nur das Bauchgefühl.
Lena: Und dieses hatte recht. Wir haben es wirklich super alle zusammen.
Sind Sie auf Social Media miteinander verknüpft?
Lena: Mama ist noch bei Facebook, und das nutze ich gar nicht.
Anna: Aber ich habe extra einen Instagram-Account eröffnet, um Lena zu folgen.
Lena: Am Anfang fand ich das blöd und fühlte mich kontrolliert.
Anna: Das war auch das Ziel (lacht).
Wieso die Kontrolle?
Nicht aus Neugierde, sondern weil junge Menschen mit einer ganz anderen Einstellung drauflosposten. Ohne daran zu denken, dass das Netz nie vergisst. Mit einem Klick sind Dinge im Umlauf, die man später vielleicht bereut.
Schlägt Lena nie über die Stränge?
Lena: Einmal kam ich nach Hause, und Mami fragte: Hast du geraucht?
Anna: Da sagte Lena: Nur einen Zug im Fall! Da musste ich lachen.
Lena: Dass du überhaupt nicht geschimpft hast, überraschte mich.
Anna: Ganz ehrlich? Natürlich fand ich es nicht so cool. Aber mir ist lieber, du traust dich, mich ins Vertrauen zu ziehen, vor allem, wenn mal etwas Dummes passieren sollte und du Hilfe brauchst.
Ist es cool, eine berühmte Mama zu haben?
Früher fand ich es komisch, wenn Mami auf der Strasse angesprochen wurde. Aber jetzt bin ich sehr stolz auf sie.
Wirst du in ihre Fussstapfen treten?
Das werde ich oft gefragt, ich kann ja so gut schwatzen.
Anna: Und du bist telegen!
Lena: Aber das ist nicht mein Ding. Ich will etwas Eigenes aufbauen.
Anna: Als Jugendliche willst du nie das machen, was deine Eltern tun. Ich denke, es könnte schlussendlich aber doch in eine musische Richtung gehen. Ich empfinde dich als extrem kreativ. Zeichnen, Singen – und wenn du am Klavier spielst, rührst du mich zu Tränen.
Wo siehst du dich, Lena?
Nicht als Musiklehrerin. Ich habe Angst, die Leidenschaft zu verlieren, wenn ich mein Hobby zum Beruf mache. Letztes Jahr besuchte ich ein Sommercamp in Schottland, da mussten wir in die Rolle von Menschenrechtsanwälten schlüpfen. Seither könnte ich mir vorstellen, Anwältin zu werden. Es reizt mich, Menschen helfen zu können. Auf jeden Fall will ich studieren.
Bei Ihnen tönt es nicht, als wäre das Teenageralter so schlimm, wie alle immer sagen.
Anna: Momentan ist es wirklich sehr harmonisch. Ich glaube, Mallorca hat schon etwas Gutes mit uns gemacht.