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Bekim Alimi aus Wil SG

Umstrittener Imam erhält Schweizer Pass

Im Auftrag von Doris Leuthard segnete Bekim Alimi den Gotthardtunnel ein. Seit 20 Jahren betet der Imam für die Integration der Muslime. Seine eigene Einbürgerung in Wil SG sorgte für rote Köpfe. Heute Donnerstag erhielt er dennoch den roten Pass.

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Bekim Alimi

An der Wand eine Koransure, in der Hand die Töff-Fibel: Bekim Alimi im Büro seiner Moschee in Wil. «Wer an Gott glaubt, dem öffnet er den Weg.»

Joseph Khakshouri

«Es muss nicht immer der Koran sein», sagt Bekim Alimi. Der Imam der Moschee von Wil blättert in einem Töffbuch – er besitzt eine Kawasaki Z 1000. «Im Sommer fahre ich bei schönem Wetter mit ihr zur Moschee.» Die «Schweizer Illustrierte» besuchte den Geistlichen im Vorfeld seiner Einbürgerung, welche das Wiler Stadtparlament heute Donnerstag mit 26 Ja- zu 10 Nein-Stimmen und einer Enthaltung gutgeheissen hat. Der Weg zum roten Pass war für den 45-Jährigen jedoch ein Spiessrutenlauf.

Bekim Alimi ist gebürtiger Mazedonier, in Kairo hat er Theologie und Philosophie studiert. Seit 20 Jahren lebt er in Wil, seit 1999 ist er Imam der örtlichen Moschee, fünfmal am Tag leitet er hier das Gebet. Bis 2017 gab er in Wil und im benachbarten Uzwil muslimischen Jugendlichen Religionsunterricht.

Mit Ehefrau Aishe, 42, und den Söhnen Vedat, 16, und Metin, 14, wohnt er in einer Mietwohnung im Stadtzentrum. «Ein offener, umgänglicher Mensch, der viel für den Dialog zwischen den Religionen und für die Integration von Muslimen tut», sagt Fredy Fässler, Regierungspräsident des Kantons St. Gallen. «Ich kann das Gschtürm um ihn nicht verstehen.» Was um Gottes willen ist passiert?

Erster Akt: Das Gesuch

Im Juni 2015 reicht Bekim Alimi beim Einbürgerungsrat der Stadt Wil ein Gesuch um den roten Pass ein – für sich, seine Frau und die beiden Söhne. Ein Jahr später erteilt der Rat der ganzen Familie das Gemeinde- und Ortsbürgerrecht.

Zweiter Akt: Ist der Imam eine Gefahr?

Dagegen gibts eine Einsprache. Absender: der frühere Wiler Stadtparlamentarier Mario Schmitt, 45. Mit umstrittenen Äusserungen hatte der SVP-Politiker schon mehr als einmal für Ärger gesorgt. Auf Facebook fragte er (es ging um Islamisten): «... wann wird diese Religion endlich ausgerottet?!?» Dafür wurde er wegen Rassendiskriminierung verurteilt. In seiner Einsprache bezeichnet er Alimi als Gefahr für die Sicherheit der Schweiz.

Dritter Akt: Der Nachrichtendienst schaltet sich ein

Die St. Galler Regierung erteilt im August 2017 nur der Mutter und den Söhnen das Schweizer Bürgerrecht. Schmitts Vorwürfe gegen den Imam werden von der St. Galler Kantonspolizei, dem Staatssekretariat für Migration und dem Nachrichtendienst des Bundes umfassend abgeklärt. Resultat aller Untersuchungen: Es liegen «keine Sachverhalte» vor, die «eine Ablehnung der Einbürgerung rechtfertigen». Schmitt hält an seiner Einsprache fest.

Bekim Alimi

Daheim: Alimis Ehefrau Aishe und die Söhne Vedat und Metin (v. r.) haben den Schweizer Pass seit 2017.

Joseph Khakshouri

Vierter Akt: Öffentliches Demütigung

Die GLP-Stadtparlamentarierin Erika Häusermann legt Alimi zuvor einen eigenen Fragenkatalog vor. Der Imam beantwortet ihn im «St. Galler Tagblatt» – dazu verpflichtet ist er nicht. Er akzeptiert die Mischehe, bei der Kopftuchfrage gelte die Selbstbestimmung der Frau, schreibt er. «Schauen Sie lieber, was eine Frau im Kopf und was sie im Herzen trägt.» Alimi empfindet den aussergewöhnlichen Ablauf seines Gesuchs wie auch die Fragen als demütigend. «Seit fast zwei Jahrzehnten engagiere ich mich in Wil fürs Gemeinwohl, in guter Zusammenarbeit mit Behörden und anderen Religionsgemeinschaften.»

Fünfter Akt: Das Misstrauen reisst nicht ab

Verena Gysling, ehemalige Stadtparlamentarierin der Grünen, stellt Alimi in einem offenen Brief noch mehr Fragen zu seiner Gesinnung. Sie hat eine «gesunde Portion Misstrauen». Sie findet: Die Einbürgerung von Alimi käme zu früh. «Er muss seinen Worten Taten folgen lassen.»

Sechster Akt: Alimi und die islamistische Szene

Die muslimische Menschenrechtsaktivistin Saïda Keller-Messahli wirft Alimi Verbindungen zur islamistischen Szene vor. Seine Reaktion: «Die Behauptungen sind nicht nachvollziehbar.» Zumal der Nachrichtendienst alles überprüft hat. 

Die St. Galler stehen zum Imam

Die Leserbriefspalten sind voll. Grundtenor: Ja zur Einbürgerung! «Als 77-jähriger Schweizer schäme ich mich für mein Land, wie mit Ihrer Einbürgerung umgegangen wird», schreibt ihm Oskar Schilling aus Jonschwil SG. Regierungspräsident Fässler: «Die Debatte wird missbraucht, Muslime und Gefährder gleichzusetzen. Ein fahrlässiger Umgang mit der Wahrheit.» Seit 14 Jahren arbeite er gut mit Alimi zusammen, sagt Roman Giger, katholischer Stadtpfarrer von Wil. «Ich wünsche ihm, dass er seinen überzeugenden Weg der Offenheit und Integration treu und mutig weitergeht.»

Bekim Alimi steht auf, es ist Zeit fürs Gebet. Er bittet oft um dasselbe wie bei der Eröffnung des Gotthardtunnels: «O Gott! Ich flehe um Deine Gnade in diesem Land, ich flehe um Sicherheit und Brüderlichkeit. O Gott! Lasse deren Einwohner sich brüderlich lieben und leben.»

Bekim Alimi Gotthard

Offiziell: Bei der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels am 1. Juni 2016 vertrat Bekim Alimi (2. v. l.) die Muslime in der Schweiz. Rechts Pater Martin Werlen bei der Einsegnung.

KEYSTONE/Gaetan Bally
Thomas Kutschera
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Von Thomas Kutschera am 5. April 2018 - 17:36 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 12:34 Uhr