Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch und Schwedisch - Bernhard Russi, 66, kann sich als Sprachtalent auf der ganzen Welt durchschlagen. Als ehemaliger Ski-Rennfahrer (u. a. Olympiasieger 1972) hat der Urner viele Länder bereist und ist in diverse Kulturen abgetaucht. Momentan verlässt der technische Berater und Pistenarchitekt für alpine Rennstrecken seinen Wohnort Andermatt öfter in Richtung Osten. Seine Ferien gehören jedoch der Familie: seiner Gattin Mari, 52, den Kindern Ian, 34, und Jennifer, 22, sowie den Enkeln.
SI Travel: Bernhard Russi, woher stammt Ihr letzter Pass-Stempel?
Bernhard Russi: Südkorea. Ich mache, wie bereits in Sotschi, die Pistenplanung für Olympia 2018.
Das war beruflich. Wann waren Sie das letzte Mal privat im Ausland?
Vergangenen Oktober machte ich erstmals vier Wochen am Stück Ferien. Meine Frau Mari und ich reisten mit ein paar Kollegen durch Bhutan, Südasien.
Reisen Sie oft mit Freunden?
Eigentlich nicht. Ferien sind Familiensache. Im Sommer waren wir mit unseren Kindern Jennifer und Ian - und jetzt sogar mit den Enkeln Johnny und Glenn - in Schweden, der Heimat von Mari.
Streiten Sie und Ihre Frau sich auch mal in den Ferien?
Meistens herrscht Harmonie. Zwar haben wir ab und zu verschiedene Interessen - in New York geht sie an der Fifth Avenue shoppen, ich dafür ins Fitnessstudio. Grundsätzlich lieben wir aber beide Sport und Natur.
Bevorzugen Sie Ferien im Ausland?
Nein. Im Winter und in den Oster- und Weihnachtsferien bleibe ich sogar in meinem Wohnort Andermatt. Ferien zu Hause sind schön.
Ihre letzte Nacht im Zelt?
Vor drei Jahren mit Tanja Frieden. Seither habe ich nie mehr gezeltet. Aber das heisst nicht, dass ich nicht im Freien übernachtet habe.
Sie schlafen also unter freiem Himmel?
Letzten Herbst verbrachte ich eine sternenklare Nacht vor meiner Hütte am Wildenmattensee. Die Temperatur spielt dabei keine Rolle. Schlafsack, Kappe - Hauptsache, mein Kopf hat warm.
Und am Morgen nackt schwimmen...
...logisch, das ist bei uns obligatorisch! Aber man muss ein bisschen aufpassen. Im Zürichsee schwimme ich nicht nackt oder wenn am Bergseeli eine Familie sitzt. Aber ich bin ein Bergler und nehme nicht die Badehosen mit auf den Gipfel. Wenn ich nach einer Wanderung an einem See vorbeikomme, springeni ine.
Wer packt Ihren Koffer oder den Rucksack?
Immer ich! Und zwar bin ich ein Schnellpacker. Ich packe stets am Abreisetag. Eine Stunde muss reichen.
Wie packen Sie?
Ich habe ein System: Ich ziehe mich in Gedanken an. Im Winter beginne ich bei den Unterhosen und höre beim Helm auf.
Was haben Sie schon vergessen?
Einiges. Als Athlet reiste ich schon ohne Skischuhe an ein Rennen. Ich fuhr dann mit Mietschuhen zum Sieg. Wenn ich im Auto sitze, wegfahre und sicher bin, dass ich Pass und Kreditkarte dabeihabe, ist alles in Ordnung.
In welcher Flugklasse reisen Sie?
Fürs Business fliege ich Business. In meinem Vertrag mit Südkorea ging ich sogar einen Schritt weiter und verlangte erste Klasse, dafür ist mein Honorar tiefer. Es ist mir wichtig, dass ich ausgeruht ankomme, dafür gleich mit der Arbeit loslegen kann. Privat brauche ich das nicht.
Fünf-Sterne-Hotel oder einfache Bleibe?
2013 machten wir eine Weltreise. Diese ging vom Dschungelcamp - sprich ohne Schlafsack im Urwald in Borneo - über Massenschlag bis hin zum Hotel. Letzteres muss nicht luxuriös sein, aber nach Nächten im Freien gönne ich mir das.
Das Wichtigste im Hotelzimmer?
Es muss sauber sein, und ich habe gern ein grosses Bett.
Was geht gar nicht?
Ein Raucherzimmer bringt mich auf die Palme.
Was gehört zu Ihren Ferien dazu?
Mir ist wichtig, dass ich die Kultur spüre. Ich bin sehr anpassungsfähig und esse im Ausland das, was die Einheimischen essen - auch wenn mir jemand sagt, dass es faule Schnecken sind.
Nie Magenprobleme?
Nein, ich vertrage Spezialitäten wie Schlange oder verrottete Sojabohnen. Diese gab es in Japan nach einer Party zum Frühstück. Sie stinken extrem!
Erinnern Sie sich noch an Ihre ersten Ferien ohne Eltern?
Die waren sehr spät, denn mein Geld brauchte ich, um Ski zu kaufen. Im Frühling 1970 verbrachten wir mit dem Ski-Team Tauchferien in Kenia. Das gibt es wohl heute nicht mehr, schon gar nicht Mädchen und Buben zusammen.
Die perfekte Mischung für einen Ferienflirt...
Nein, damals war ich mit meiner ersten Frau verheiratet. Den ersten Ferienflirt hatte ich dafür schon mit zwölf Jahren. Im italienischen Cattolica verbrachten meine Mutter und ich klassische Ferien: Hotel in der dritten Strassenreihe, jeden Morgen das Badetuch auf dem Strandliegestuhl platzieren, am Abend die anderen Kinder am Glacestand treffen. Ein deutsches Mädchen hatte es mir angetan. Ich dachte, es gibt nichts anderes mehr auf der Welt. Ihren Namen und ihre Adresse weiss ich nicht mehr, nur dass sie älter war.
Sie hatten eine Brieffreundschaft?
Ja klar! Das dauerte viel länger als heute mit Facebook, war aber spannender.
Stellen Sie Ferienfotos auf Facebook?
Ich habe weder Facebook noch Twitter. Ich bin eher der Whatsapp-Typ und habe verschiedene Chat-Gruppen mit Familie, Velofahrern, Bergsteigern, Golfern. Aber ich bin sehr zurückhaltend und glaube auch nicht, dass ich immer erreichbar sein muss. «Z Berg» gehe ich oft ohne Handy. Ich bin kein Kontrollfreak und lasse den Dingen gern ihren Lauf.
Reisepannen gab es aber bestimmt auch bei Ihnen.
Klar, 1973 waren wir mit der Mannschaft in Santiago de Chile, als das Militär den Präsidenten Salvador Allende putschte. Unser Hotel lag 200 Meter Luftlinie vom Präsidentenpalast entfernt. Wir hörten Schüsse, sahen Panzer auf den Strassen und durften nicht raus. Aber wir wussten nichts darüber und waren naiv-pragmatisch. Ein Kollege ging in den Ausgang, wir anderen jassten im Hotel.
Ihre schönste Reise?
Island mit der Familie vor etwa acht Jahren. Wir hatten einen Wohnaufsatz auf dem Truck und ein Zelt dabei. Das war absolute Spitze. Aber wer nach Island reist, muss schlechtes Wetter und Regen mögen. Du musst dir einreden, dass das schön ist. Dafür ist der erste Sonnenstrahl nach dem Regen göttlich.
Was ist bei Ihnen in den Winter-Skiferien fehl am Platz?
Besoffene, die trotzdem fahren. Ich habe nichts gegen Glühwein oder «Kafi fertig», doch auf der Piste sollte jeder vernünftig sein.
Wie stehen Sie als ehemaliger Ski-Profi zu Après-Ski?
Das stört mich nicht, solange ich in Österreich österreichische Musik höre, in Italien italienische und in der Schweiz Ländlermusik. Ich will auch beim Après-Ski die Kultur spüren.
Wann lassen Sie in Sachen Reise-Knigge auch mal die Fünf gerade sein?
Nasse Socken auf der Heizung sind erlaubt. Es ist ohnehin besser - das hört sich jetzt komisch an - wenn man am nächsten Tag mit dreckigen Socken in Ski- und auch Wanderschuhe steigt. Für eine längere Wanderung trage ich die Socken drei Tage ein, denn saubere sind nicht geeignet. Und: Spätestens nach 48 Stunden ist der Schweissgeruch weg.
Zurück daheim, wann werden die Koffer ausgepackt?
Das geht nicht so schnell wie das Packen und kann auch mal ein, zwei Tage warten. Das Auspacken übernehme ich, aber wenn ich nicht muss, wasche ich nicht selber. Mari weiss besser Bescheid.
SI Travel erscheint als Beilage der «Schweizer Illustrierten» (Nr. 2 vom 5. Januar 2015).