Der Altar der Kirche St. Martin in Olten war vollständig geschmückt mit weissen Rosen und Willi Melligers, †64, treuem Begleiter Calvaro. Über zwei Stunden dauerte der katholische Gottesdienst. Musikalische Beiträge gab es unter anderem vom Ostschweizer Hackbrett-Spieler und TV-Moderator («Potzmusig») Nicolas Senn, 28. Und natürlich kam auch die Familie des Verstorbenen zu Wort: «Du warst der beste und grosszügigste Papi, den man sich vorstellen kann. Du hast uns alles ermöglicht und wir werden dich nie vergessen», sagte Sohn Kay vor den rund 600 Anwesenden. Unter ihnen waren auch die Schweizer Spitzenreiter Pius Schwizer, 55, Steve Guerdat, 35, und Martin Fuchs, 25 und alte Weggefährte wie Walter Gabathuler, 63, Heidi Robbiani, 67, oder Hansueli Sprunger.
Als letztes Lied wurde «I believe I can fly» von R. Kelly gespielt. «Dieses Lied hatte Willi Melliger jeweils im Kopf, wenn er auf dem Rücken von Calvaro sass», weiss SI Chefreporter André Häfliger. Von ihm stammt auch der folgende Nachruf auf seinen langjährigen Freund.
Willi Melliger - eine Schweizer Sportlegende
Er und Calvaro haben den Reitsport in der Schweiz populär gemacht wie niemand vor ihnen: Über 20 Jahre gehörte Willi Melliger, †64, dem höchsten Schweizer Springreit-Kader an.
In der Nacht auf den 16. Januar 2018 ist der Jockey des legendären Traumschimmels Calvaro in einem Pflegeheim gestorben. Nach einem schweren Hirnschlag, den er am 13. Dezember 2017 erlitt, lag er fünf Wochen im Koma. Daraus ist er nie mehr erwacht.
Bereits vor einem Jahr hatte das Solothurner Ausnahmetalent einen Herzinfarkt erlitten. «Willi hinterlässt eine unendlich grosse Lücke», sagt seine frühere Ehefrau Nadja Melliger zur Schweizer Illustrierten. «Er wird für immer in unseren Herzen sein.» Willi Melliger – was für einen grandiosen, liebenswerten und fröhlichen Menschen haben wir verloren!
Die Zigarre im Mund war typisch für Willi Melliger
«Herr Gabathuler, können Sie mir bitte sagen, mit welchem Pferd Sie morgen starten?» Das war als Neuling der Szene meine erste Frage an ihn – im Sommer 1988 am CSIO in Luzern. Mit einem breiten Lachen im Gesicht und einer Zigarre im Mund antwortete er: «Sicher kann ich das. Mein Name ist übrigens Melliger, Willi Melliger.»
Was haben wir gelacht zusammen! 1993 etwa, am Vorabend der Europameisterschaft im spanischen Gijón. «Wenn ihr da eine Medaille holt, springe ich jedes Mal in den grossen Springbrunnen da vorne», hatte ich unserer Equipe, die in jenem Jahr zuvor kein einziges brauchbares Ergebnis abgeliefert hatte, zugerufen.
Fünfmal durfte ich reinhüpfen: Team-Gold des Schweizer Quartetts am Freitag und dann auch noch das Einzel-Gold von Willi auf Quinta am Sonntag. Dafür warf ich Melliger nach der Siegerehrung in den Wassergraben des Parcours – und da war das Wasser wesentlich schmutziger!
«Du musst entscheiden, ob ich es kaufen soll oder nicht»
Dann, ein paar Monate später: Willis Anruf um 23 Uhr. «Du musst sofort nach Neuendorf kommen!» Verdutzt frage ich: «Was ist los? Brennt der Stall?» Melliger: «Natürlich nicht! Ludger Beerbaum aus Deutschland hat mir ein Demovideo geschickt mit einem Pferd, das er nicht will. Du musst entscheiden, ob ich es kaufen soll oder nicht.» – «Aber ich verstehe doch nicht so viel», sage ich. «Eben, gerade darum», meint Willi nur.
Da bin ich also nach Mitternacht bei Melliger zu Hause. Und sehe den siebenjährigen, noch etwas grauen Calvaro im Video springen. Und staune: «Boaaa, ist der mächtig. Der bleibt ja eine Ewigkeit in der Luft schweben, bis er wieder runtergeht. Das habe ich noch nie gesehen, ich würde ihn kaufen.» Gut, sagt Willi, ich könne jetzt wieder gehen. Tags darauf gehört Calvaro Melliger und einem Partner. Preis: 500 000 Franken.
Häfliger war Willi Melligers grösster Fan
Was habe ich dann gezittert an Olympia 1996 in Atlanta! An Calvaros Hals hochgesprungen bin ich nach der glorreichen Silbermedaille, umarme das 1,85 Meter grosse Pferd, klammere mich an ihn. Plötzlich ein CNN-Mikrofon und eine Reporterin, die fragt: «Sind Sie der Besitzer dieses Pferdes?» Nein, sage ich lachend. «Aber vermutlich sein grösster Fan.» Nach dem Olympia-Team-Silber 2000 in Sydney bietet König Hussein von Jordanien fünf Millionen Dollar für Calvaro. Willi fragt mich mit zittriger Stimme: «Was soll ich machen?» Meine Antwort: «Halten!»
2003 weinen wir gemeinsam beim Calvaro-Abschied am CSI im Zürcher Hallenstadion – mit Rüebli von Martina Hingis, 37. Wenig später muss unser Liebling wegen akuten Meniskusproblemen eingeschläfert werden. Willi und ich begraben Calvaros Asche in einer kleinen Zigarrenschachtel mit roten Rosen vor seiner Pferdebox in Neuendorf.
Grüsse an Calvaro im Pferdehimmel
Jetzt bist auch Du gegangen, mein lieber Freund. Danke, Willi, für die vielen unvergesslich schönen Momente! Und tu mir einen Gefallen: Grüsse Calvaro von uns allen im Pferdehimmel. Wir sind unendlich traurig und schicken Deiner Familie ganz viel Kraft. Wir vermissen Euch und werden Euch nie vergessen.