Er warf seinen Superman-Umhang über, schritt mit der Kanone in die Manege und wollte ein «lässer Cheib» sein. Und er hätte sogar zugelassen, dass ihm sein Hund die Show stiehlt. Claudio Zuccolinis Einstand auf der Tournee mit dem Circus Knie ist aber nicht der eines Supermans. Im Gegenteil: «Bei Zuccolini gibts nichts zu lachen.» - «Zuccolini fiel bei allen durch.» - «Knie setzt Ultimatum.»
Keiner musste 2013 medial so unten durch wie der Bündner Komiker, 43. «Wie gern hätte ich mich da mit der Kanone aus dem Zirkuszelt geschossen. Irgendwohin, wo ich meine Ruhe habe», erinnert er sich. Aber es gab kein Entrinnen: täglich bis zu drei Vorstellungen - «und jeder im Publikum hatte sich doch zuvor schon seine Meinung gemacht über mich».
Jetzt sitzt er am Strand von Landaa Giraavaru. Ein kleines Eiland auf den Malediven. Hier erwartet niemand einen Gag von ihm. Dafür treibt Tochter Lilly ein Spässchen und verpasst ihm mit ihrem Spritzkännchen eine Meeresdusche. Im November ging die Tournee-Tortur zu Ende. Nach über 200 Vorstellungen in sechs Monaten sagt Zuccolini lachend: «Ich habe mich noch nie so reif für die Insel gefühlt.»
Lilly, 5, zieht ihren Vater ins Wasser. In den vergangenen Monaten hat sie den Krebs, das Seepferdchen und das Fröschli gemacht. «Jetzt kann sie schon schnorcheln!», sagt Vater Claudio stolz. Kein Wunder, denn die Tage auf den Malediven verbringen Zuccolinis im Privatpool ihrer Ferienvilla. «Traumhaft. Da musst du dir morgens keinen Liegestuhl reservieren!», schwärmt Zucco vom Luxus im Four Seasons Resort.
Zur «Humor-Krise» im Knie äusserten sich im Frühling 2013 alle. Rolf Knie erklärte aus Mallorca das Geheimnis einer Pointe, Hunderte Leserbriefschreiber wussten es besser - und zu guter Letzt erklärte auch noch Hunde-Trainerin (und Playmate) Andrea Vetsch: «Bulldogge Ivo leidet mit.» Derweil sass Zuccolini in seinem Wohnwagen, ass Confischnitte mit und Confischnitte ohne Aufschnitt und schrieb sein Programm neu. Ivo schlief in seinem Körbchen und versuchte all die Elefantenbiscuits zu verdauen, die er im Sägemehl der Manege aufgestöbert hatte.
Alexzandra, 41, rotierte zu Hause im Zürcher Reihenhaus. Für Lilly, 5, und Emily, 1, quasi alleinerziehend und für ihren Mann als emotionale Stütze. «Ich habe Claudio noch nie so niedergeschlagen gesehen. Er hatte zum ersten Mal überhaupt Angst vor dem Auftreten. Fing an zu grübeln und zu zweifeln.» Selbst Lilly hatte begriffen, dass es dem Papi nicht so gut geht. Eines Tages fragte sie ihre Mutter: «Gäll, Mami, es isch, will sich dä Papi mit dä Kanone nöd cha ufeschüsse.»
Nach und nach - mit jeder Änderung an seinem Programm - wurden die bösen Stimmen leiser. Und die aufmunternden mehr. «Ein Humorist, bei dem es ‹nichts zu lachen› gibt, ist immerhin eine Weltpremiere», schrieb zum Beispiel Kolumnist Peter Rothenbühler. Zum Glück, denn Zuccolini erklärt: «Ich hatte richtige Existenzängste. Ja hei no mal! Da hast du dir zehn Jahre etwas aufgebaut. Und innert Tagen wirst du einfach abgeschrieben!»
Dabei sei Humor doch so etwas Individuelles! Lustig sein für ein Firmenteam zum Beispiel sei auch absolut nicht das Gleiche, wie in der Manege den Clown zu spielen für 2000 Zuschauer. «Da erwartet jeder etwas ganz anderes von seinem Zirkusbesuch.» Seinen Humor hat er schon x-mal bewiesen. In der Manege biss er sich dann durch, schwitzte und probte. Ein anderer hätte wohl den Bettel hingeworfen. Zuccolini hat sich in seinem Superman-Kostüm im Sägemehl gewunden, bis seine Nummern sassen. Und er wieder Freude bekam, im Rampenlicht zu stehen.
Es war ein intensives Jahr für Zuccolinis. Aber auch eins mit tollen Momenten. «Lilly hat es riesigen Spass gemacht, ihre Sommerferien bei mir im Wohnwagen zu verbringen», sagt Zuccolini. Das kleine Mädchen hat über dreissig Vorstellungen gesehen. Jetzt am Strand weiss sie auf die Frage, was ihr denn am besten gefallen habe in der Manege, sofort eine Antwort: «Alessio Fochesato!» Zuccolini reagiert grinsend: «Der Artist mit den Papageien. Er liess halt sogar seine Vögel auf ihrem Kopf landen.»
Der Komiker hat die Kritik richtig persönlich genommen. «Ich musste mich schon fragen: ‹Wem habe ich denn etwas zuleide getan?›» Die Zeit aber relativiere alles. Und inzwischen ist ihm auch klar, was er anders hätte machen sollen. «Massimo Rocchi hat mich gefragt: ‹Warum gehst du mit neuen Spielern in die Champions League? Da musst du doch mit den Stammspielern hin!›» Das treffe den Punkt. «Ich habe zu viel gewollt und extra ein Programm geschrieben, dabei hätte ich meine publikumserprobten Pointen aus der Schublade ziehen sollen.»
Den Humor hat er wieder gefunden. Jetzt muss nur noch das eine oder andere Konfibrötlikilo wieder runter. 2014 wird Zuccolini mit einem neuen Programm auf Tournee gehen. Die eine oder andere Pointe liefert ihm bestimmt der Zirkus um seine Person.