SI GRUEN: Cornelia Boesch, Sie sind mitten in Zürich aufgewachsen. Waren Sie ein typisches Stadtkind?
Cornelia Boesch: Ja und nein. Wir haben vom Angebot und der Vielfalt der Stadt profitiert, ich war aber auch ein «Verussä-Chind». Mein Elternhaus, in dem ich heute mit meinem Mann und unserem Sohn lebe, befindet sich am Stadtrand, unweit des Waldes. Mein älterer Bruder und ich haben immer draussen gespielt, meine Eltern waren naturaffin und was den Umweltschutz anging, vermutlich ihrer Zeit sogar voraus.
Die Boeschs waren also grün.
Mein Vater würde dem bestimmt widersprechen, aber für damalige Verhältnisse lebten wir zumindest sehr bewusst. Noch bevor Abfalltrennen in aller Munde war, war das bei uns die Regel. Wir gingen möglichst zu Fuss, mein Vater war im Gegensatz zu anderen Vätern überhaupt kein Autofreak - das Ding musste einfach fahren. Meine Mutter hat die Lebensmittel auf dem Markt besorgt. Und meine Eltern gehörten vor bald dreissig Jahren zu den Ersten, die eine Erdsonde einbauen liessen.
Damals wusste man noch nicht, ob diese Wärmegewinnung Zukunft hat.
Ja, eben. Ich erinnere mich noch genau an die Öl-Lastwagen, die früher kamen, um das Heizöl nachzufüllen. Den Öl-Geruch fand ich immer schon schrecklich. Irgendwann klaffte dann ein tiefes Loch bei uns im Garten, und es hiess, dass wir bald kein Öl mehr brauchen. Ich dachte mir, wenn das nur gut geht … Heute finde ich es natürlich toll.
Haben Sie beim Einzug in Ihr Elternhaus einen Teil des Inventars behalten?
Nicht wirklich. Eigentlich liebe ich alte Möbel und den Charme des Gebrauchten. Aber das Haus ist sehr alt, und wenn man da auch noch alte Möbel reinstellt, kippt es, und man wohnt in einem Museum. Deshalb gilt bei uns: Weniger ist mehr. Die Einrichtung ist schlicht und modern, wir haben unsere eigene Geschichte ins Haus gebracht, kombinieren die mit schönen Erinnerungen.
Zuordnen kann mich selten jemand
Was für Erinnerungen?
Bei meiner Familie war das gemeinsame Essen an einem Tisch immer ganz wichtig. Wir haben das richtig zelebriert, jemand holte Kerzli, der andere deckte den Tisch. Das schöne Geschirr und Besteck habe ich geerbt, verwende es heute mit meiner Familie.
Und wer zaubert die Gerichte auf den Tisch?
Meistens koche ich - mein Mann ist eher so der Brunch-Typ, bäckt Zopf und lädt Leute zum Frühstück ein.
Schauen Ihnen die Leute manchmal ins Poschti-Chörbli, um zu sehen, was die «Tagesschau»-Lady so einkauft?
Nie! Ich werde privat auch kaum erkannt, weil ich dann die Haare gelockt trage, allgemein ein ganz anderer Typ bin. Manchmal fragen mich die Leute, ob sie mit mir vielleicht schon mal in einem Kurs waren - ich käme ihnen bekannt vor. Aber zuordnen kann mich selten jemand.
Wo kaufen Sie ein?
Häufig auf dem Markt. Und sonst versuche ich, im Laden saisonale und regionale Produkte zu kaufen. Wenn mein Sohn im Herbst Erdbeeren sieht, fragt er mittlerweile: «Mami, können wir die kaufen, oder wurden die mit dem Flugi hierhergebracht?»
Kommt auch Fleisch auf den Teller?
Meine Jungs mögen Würste oder Aufschnitt, beim Znacht hat es neben Brot und Käse deshalb oft ein Stück Trockenfleisch auf dem Tisch. Ansonsten essen wir - ausser in der Grillsaison - nicht oft Fleisch. Auch weil uns bewusst ist, wie viele Ressourcen so ein paar Gramm kosten. Nur wenn mein Mann und ich einen Babysitter organisieren, uns in Schale werfen und richtig schön essen gehen, dann darf es schon mal ein gutes Stück Fleisch sein.
Woher stammen die Kleider, die Sie kaufen?
Unterschiedlich. Mein Sohn hat zum Beispiel einen ziemlichen Hosenverschleiss, da spielt der Preis schon eine Rolle. Bei mir achte ich darauf, dass Kleider fair produziert wurden. Ich trag auch mal Gebrauchtes, mag es, wenn ein Mantel oder eine Tasche getragen wurde, jemand anderes das Stück schon gernhatte. Als Kind gingen wir oft in die Kleiderbörse. Ich erinnere mich genau an ein Nachbarsmädchen, das ich toll fand. Sie war zwei, drei Jahre älter als ich, und ich habe ihren Sternli-Pullover geerbt. Fantastisch!
Mit meinem Sohn fahre ich gern Zug - da hat man ein richtiges Reiseerlebnis
Wer denkt ökologischer, Sie oder Ihr Mann?
Ich. Er ist ja ein paar Jährchen älter, nutzt zwar auch oft öffentliche Verkehrsmittel, sagt aber von sich selbst, dass er ein «Motoräbueb» sei. Das ist so die Fünfzigerjahre-Generation, bei der es brummen und tönen muss (lacht).
Dann haben Sie einen Fuhrpark zu Hause.
Nein. Wir haben eine Autonummer und fahren entweder VW Käfer oder einen alten VW Sharan. Mein Mann spielt Schlagzeug, und das Ding kann man schlecht ins Tram nehmen. Ich persönlich fahre fast immer ÖV, höchstens am Wochenende nach der Spätausgabe nehme ich das Auto - und ab und zu die Vespa, die ich zu meinem vierzigsten Geburtstag geschenkt bekommen habe. Mit meinem Sohn fahre ich gern Zug - da hat man ein richtiges Reiseerlebnis, nimmt Proviant mit und ein «Spiili». Und die Seele reist mit. Beim Fliegen geht mir manchmal alles zu schnell.
Wohin fährt Familie Wild-Boesch denn in die Ferien?
Oft an den Neuenburgersee. Schon mein Vater liebte das Seeland. Mit meiner Familie bin ich nun viel auf der wilden Seeseite, gegenüber von Neuenburg, wo der riesige Schilfgürtel ist. Da kann man sich wunderbar verstecken und Vögel beobachten!
Ihr Berufsalltag ist herausfordernd, gerade in Zeiten, in denen man vor allem über Kriege und Katastrophen berichten muss. Haben Sie noch nie die Fassung verloren?
Eine professionelle Distanz braucht es. Aber es gibt schon Dinge, die auch bei uns auf der Redaktion Emotionen wecken. Bei den einen sind das vielleicht die Negativzinsen der Bank, bei mir sind es eher die Flüchtlingskrise und die Schicksale der Wehrlosesten, der Kinder, die davon betroffen sind. Natürlich darf man die politischen Dimensionen der Thematik nicht ausser Acht lassen, aber Empathie kann ich gerade als Mutter nicht abstellen. Und das ist gut so. In meinem Job darf man nie werten - emotionsfrei braucht man deshalb aber nicht zu sein.
Wie erklären Sie Ihrem siebenjährigen Sohn diese Themen?
Es gibt Themen wie atomare Abrüstung, die man einem Kind noch nicht zumuten kann. Der Klimawandel hingegen ist einfach erklärt - dass Autoabgase die Luft verschlechtern, leuchtet jedem Kind ein. Florian ist mittlerweile auch in einem Alter, in dem er Fragen stellt. Er will wissen, was ein Flüchtling ist. Da muss man dann wahnsinnig aufpassen, kein eindimensionales Bild zu malen - das machen schon genügend Leute. Es gibt nicht den Flüchtling, genauso wenig wie es einen einzigen richtigen Weg gibt, mit diesen Menschen umzugehen. Das versuche ich ihm beizubringen.
Erinnern Sie sich an Ihre letzten drei guten Taten?
Ich war mal Pfadfinderin, da macht man jeden Tag eine gute Tat (lacht).
Engagieren Sie sich für eine Hilfsorganisation?
Ich bin einfach Spenderin, eine relativ grosszügige - für unterschiedlichste Bereiche, sei es für den Naturschutz oder humanitäre Projekte. Wenn es einem gut geht - man muss jetzt nicht steinreich sein, das bin ich nicht -, sollte man einen Teil weitergeben. Und zwar einen, den man durchaus spüren darf, nicht nur schmerzfreie zwanzig Franken. So gibt man bewusst.
Ich bin definitiv besser im Singen als im Songschreiben
Aber Sie sind nicht Botschafterin eines Projekts.
Das Gesicht einer Organisation zu sein, würde mich zu fest einschränken. Aber wenn etwas Sinnvolles an mich herangetragen wird, setze ich mich mit Zeit oder Geld ein. Mit der Band Soul Jam, in der ich singe, treten wir beispielsweise immer mal wieder an speziellen Anlässen auf, haben auch schon Konzerte für Häftlinge gegeben.
Wenn Sie einen Weltverbesserer-Song schreiben müssten, wie würde der heissen?
O Gott...Ich bin definitiv besser im Singen als im Songschreiben. Zum Glück sind wir eine Coverband (lacht). Obwohl ich beim Fernsehen ja auch texten muss, fehlt mir für Lyrics das Selbstbewusstsein.
Sie haben also noch nie einen Song geschrieben?
Doch, doch, das weiss nur niemand (lacht). Das ist vermutlich das am wenigsten Nachhaltige, das ich mache: Wenn ich einen Song schreibe, verschwindet der für immer in der Schublade.