Eins, zwei, Cha-Cha-Cha! Und vor und rück und Drehung. Füsse strecken, Brust raus, Bauch rein, saubere Armlinie. Und lächeln nicht vergessen! Ratlosigkeit macht sich auf dem Gesicht von Sänger Bo Katzman, 65, breit, sein nächster Schritt geht zur falschen Seite: «Können wir das noch mal machen?» Tochter Ronja, 26, lacht und zählt an: «Eins, zwei …»
Ab morgen Samstag treten die beiden gegen neun andere Schweizer Prominente an. Nur wer die Vorrunde der SRF-Tanzshow «Darf ich bitten?» übersteht, darf in den Halbfinal. Vom Tanzbär zum Tanzprofi?
Das erfordert vor allem eins: üben, üben, üben. Rund 200 Trainingsstunden investiert jeder Tanzneuling mit einem Coach für die vierteilige Show. Einen Tanz präsentieren die Kandidaten mit einem Freund oder Familienmitglied. Dazu muss die Choreografie aber vom Kopf in die Füsse. Erst tanzen, dann denken.
«Ich habe dünne Storchenbeine»
«Der gute Wille ist da, aber das Fleisch muss ich ein bisschen hinterherschleppen», sagt Katzman zu seinem Trainingserfolg. Er will in der Show mit einem Cha-Cha-Cha überzeugen. Seine Tochter Ronja ist ausgebildete Musicaldarstellerin und klar der Chef im Katzman’schen Tanzteam. Sonst stehen die zwei als Gesangsduo auf der Bühne, doch auch tänzerisch verstehen sie sich blendend. «Anfangs war mein Vater oft der Verzweiflung nahe.»
Doch Ronjas Geduld zahlt sich aus. Geschmeidig wie eine Katze huscht der Musiker nun übers Parkett, lässt sich den Muskelkater nicht anmerken. «Alles tut mir weh. Ich habe dünne Storchenbeine und muss jetzt plötzlich in die Hocke, Drehungen machen und die Damen umhertragen. Das spüre ich.» Seine ersten Tanzversuche machte der Musiker mit 16 Jahren – um Mädchen zu imponieren. Steife Tanzmeister, Damenwahl, drei Schritte Foxtrott. Katzman lacht. «Ich gab nach drei Lektionen auf und beschloss, die Frauen doch lieber mit Singen zu beeindrucken.»
Da ist es nicht verwunderlich, dass er die erste Anfrage zur Sendung prompt ablehnte. «Ich und tanzen? No way.» Diese Absage sorgte am nächsten Familienfrühstück für einen kollektiven Aufschrei der Katzman-Damen. «Was? Da musst du doch mitmachen!» Seine Frau Marianne, 63, und Ronja überredeten den Sänger. «Ich liess mich auf das Abenteuer ein, aber nur mit Hilfe von meinen Girls.» Bei der Zulosung der Songs hatte er sogar Glück, darf zu einer Eigenkomposition tanzen.
Jetzt möchte Katzman unbedingt in den Halbfinal, um dort seinen Liebling, den Paso doble, zu zeigen. Und ausserdem will er eins beweisen: Man kann in jedem Alter anfangen. «An alle tanzfaulen Ehemänner da draussen: Schaut, Jungs, es geht!»
Für Tonia Maria Zindel eine Herzensangelegenheit
Tanzen ist ein Gespräch zwischen Körper und Seele. Keine verkörpert diese Beschreibung besser als Schauspielerin Tonia Maria Zindel, 44. Schon als Kind konnte sich die Engadinerin in Melodien verlieren, erinnert sich mit leuchtenden Augen an den Kinderball am Chalandamarz mit Orchester und Kostümen. «Der Höhepunkt war immer die Polonaise. Ich tanzte mit dem Sohn meiner Patentante. Süss!» Wenn sich ein Tanzlehrer ins Engadin verirrte, stand sie als Erste auf dem Parkett.
Die Teilnahme bei «Darf ich bitten?» ist für sie eine Herzensangelegenheit: «Ich träumte schon immer vom Broadway. Jetzt kommt er zu mir.» In der Show wird sie zur feurigen Latina, zeigt mit ihrem guten Freund, den ehemaligen Turniertänzer und Tanzschulbesitzer Giuseppe Parlett, 32, einen Cha-Cha-Cha. Er treibt sie im Training an: «Mehr Füdli, mehr Balkon.» Im Paartanz ihre Weiblichkeit zu betonen, gefällt der Schauspielerin. Und sie wächst über sich hinaus. «Ich mache viele wagemutige Hebefiguren, von denen ich nie gedacht hätte, dass ich sie fertigbringe.»
Da bleiben kleine Unfälle nicht aus. Den einen oder anderen Ellbogen hat Giuseppe schon abbekommen. Mit ihm stimmt die Chemie, er gleicht mit seiner Geduld ihr hibbeliges Wesen aus. Alles wird trainiert, sogar der Gang auf die Tanzfläche mit Grazie und Anmut. «Da darf ich nicht hüpfen wie ein Gummiball», sagt Zindel lachend. Ihr Ziel für die Show? «Den Funken überspringen lassen und die Arena zum Kochen bringen.» Sie kämpft mit dem Lampenfieber. «Mein grösster Kritiker, meine Familie, wird im Publikum sitzen. Ich werde vor Aufregung wohl nicht mehr ansprechbar sein.»
Der Velorennfahrer hatte mit Tanzen nie etwas am Hut
Dass zum Tanzen mehr gehört als ein Paar feine Schuhe, merkte auch Ex-Radprofi Franco Marvulli, 39, schnell. Trotz Topform fordert ihn das Training, die Schulter zwickt. Bei sechs Stunden Dauertanzen mehrmals die Woche qualmt bei ihm aber eher der Kopf als die Socke. «Manchmal verwechsle ich die Tänze, aber ich kannte bisher auch nur zwei», sagt er mit einem Augenzwinkern.
Als ehrgeiziger Sportler will er stets das Maximum geben, ärgert sich, wenn ein Schritt einfach nicht klappen will. In solchen Situationen ist ihm Freundin Eva Breitenstein, 34, eine grosse Hilfe: «Sie ist super, sie baut mich immer auf.» Trotzdem wollte er schon nach 15 Minuten im ersten Training die Übung abbrechen. Viel schwerer als gedacht.
Nur Schritt für Schritt gehts voran. Das Pärchen steht sich dabei erstaunlich selten auf den Füssen. «Wir stossen uns eher die Knie», sagt sie. Inzwischen harmonieren die beiden perfekt. Im Wiener Walzer fliegen verliebte Blicke hin und her. Das Training ist für die zwei keine Beziehungsprobe, vielmehr geniessen sie ihre Zeit zu zweit. «Eva muss mich durch den Sport und meine Engagements schon oft entbehren. Da will ich die Trainings mit jemandem verbringen, den ich mag. Für mich war es nie eine Option, jemand anderen zu fragen.»
Die gemeinsame Herausforderung: der Ausdruck. Der lernt sich schwerer als jede Choreografie. Marvulli ist ehrlich: «Wir sind Mittelmass. Nicht talentfrei, aber auch nicht talentvoll. Wir ergänzen uns gut.» Sie verlassen sich aufeinander, die Performance sitzt. So konnte Franco seiner Eva auch die Angst vor einem Blackout auf der Bühne nehmen. Dabei fegt der ehemalige Radprofi zum ersten Mal übers Parkett, hatte mit Tanzen nie etwas am Hut.
Blut leckte er erst in seinem neuen Job als Referent und Moderator. «Letztes Jahr durfte ich den Dance Cup Switzerland moderieren. Das begeisterte mich total.» Die Tänze, die Regeln, die Kostüme: Für Marvulli eine faszinierende Welt.
Als ihm die Anfrage zu «Darf ich bitten?» ins Haus flatterte, sagte er ohne zu überlegen zu. «Ich war unglaublich neugierig aufs Tanzen.» In der Show will er authentisch sein und es in den Halbfinal schaffen. Lampenfieber? Keine Spur. «Es sind keine Olympischen Spiele», sagt er locker. «Fehler sind kein Drama. Es ist doch viel charmanter, wenn nicht alles perfekt ist.»