Sie sagen, Sie seien wie eine Familie bei Gotthard. Wer hat da welche Rolle? Wer ist der Papa?
Leo Leoni: Gegründet haben die Famile Steve Lee und ich, demzufolge wären wir Mama und Papa (lacht). Aber Familie ist ein weiter Begriff, es braucht nicht zwingend Grosseltern, Eltern, Kinder. Das können auch Geschwister, Onkel, Tanten sein.
Aber Sie sind das Baby, Nic Maeder?
Nun ja, ich bin der Jüngste, das stimmt, und als letzter zu dieser Familie gestossen. Aber ich denke, dass es diese Band nach 25 Jahren noch gibt, mit wenigen Wechseln und nach einem grossen Schicksalsschlag, ist nur der Tatsache zu verdanken, dass sie wie eine Familie funktioniert.
Sie sind seit 6 Jahren bei Gotthard. Fühlen Sie sich immer noch als „der Neue“?
Nic Maeder: Klar, ich bin mir bewusst, dass ich als Letzter dazustiess. Aber die Jungs haben mir von Anfang an das Gefühl gegeben, Teil der der Familie zu sein.
Traditionelle Werte wie Familie und Sicherheit sind heute wichtiger denn je.
Mit Gotthard feiern Sie dieses Jahr Silberhochzeit. Können Sie sich auch vorstellen, 25 Jahre mit einer Frau zusammen zu sein?
Leo Leoni: Mit meiner Ex-Freundin war ich 17 Jahre lang zusammen, das ist ja schon mal nicht schlecht.
Nic Maeder: 25 Jahre! Aber klar, warum nicht? Nichts ist unmöglich.
Hena Habegger: Meine Frau und ich sind seit 21 Jahren zusammen. Da fehlt nicht mehr viel. Ich denke, das schaffen wir.
Leo Leoni: Ich finde, gerade in der heutigen Zeit, wo alles so schnell ist, sich die Dinge täglich ändern und jeder eine Million Möglichkeiten hat, sind traditionelle Werte wie Familie und Sicherheit wichtiger denn je. Und dazu gehört auch, dass man in einer Beziehung versucht, zusammenzubleiben.
Ihre Beziehung ist allen Bemühungen zum Trotz in die Brüche gegangen?
Leo Leoni: Das kann man nicht immer verhindern. Wir haben uns getrennt – nicht ich mich von ihr oder sie sich von mir – und das heisst nicht, dass wir davor keine gute Beziehung hatten. Aber man muss auch nicht um jeden Preis zusammenbleiben.
In langen Beziehungen lebt man sich auseinander – egal, ob als Paar oder in einer Band ...
Hena Habegger: Man muss an jeder Beziehung arbeiten.
Wie macht man das?
Leo Leoni: Das Wichtigste ist, dass der Respekt nie verloren geht.
Hena Habegger: Man muss miteinander reden, Probleme ausdiskutieren und lösen, nicht einfach gären lassen. Das gilt auch für die Band. Jeder darf seine Meinung haben und diese auch kundtun, und am Schluss wird so diplomatisch wie möglich entschieden.
Ich sehe, dass Hena sehr glücklich ist. Das ist toll.
Was hat sich verändert, seit es in der Gotthard-Familie ein Baby gibt?
Leo Leoni: Für mich nichts. Ich schlafe nach wie vor in der Nacht durch und wechsle keine Windeln. (Gelächter) Klar, vorher sagte Hena nach den Proben öfter mal: «Ich möchte noch auf ein Bier, wer kommt mit?» Jetzt heissts: «Ich muss nach Hause, zum Kind.» Ich gehe trotzdem mein Bier trinken!
Nic Maeder: Ich sehe, dass Hena sehr glücklich ist. Das ist toll. Er teilt jede Entwicklungsstufe mit uns: «Sie dreht sich jetzt um.» «Sie hat zum ersten Mal gelächelt.»
Das nervt doch!
Leo Leoni: Überhaupt nicht. Hena hat dieses glückliche Funkeln in den Augen, das ist wunderschön.
Was hat sich für Sie geändert, Hena Habegger?
Ich habe noch mehr Verantwortung. Vater sein ist ein Gefühl, das man sich gar nicht vorstellen kann, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Da ist ein kleines Wesen, das dir wichtiger ist als du selbst, und das dich unendlich glücklich macht, wenn du ihm nur in die Augen schaust oder es dich anlächelt.
Die Prioritäten ändern sich mit einem Baby.
Hena Habegger: Das stimmt. Aber meinen Job muss ich trotzdem machen. Ich gehe halt, wie gesagt, etwas weniger mit auf ein Feierabendbier. Drei Tage in der Woche passe ich auf meine Tochter auf, und da kommt mir die Band entgegen.
Wenn Sie auf Tour sind, so wie jetzt, ist Ihre Frau allein mit dem Baby.
Hena Habegger: Dann kommt öfter ihre Mutter vorbei, um sie zu unterstützen.
Ihre Frauen und Freundinnen müssen Sie immer mit der Band und den Fans teilen.
Nic Maeder: Meine Freundin wusste von Anfang an, worauf sie sich einlässt. Wir sind seit gut drei Jahren zusammen.
Leo Leoni: Bei uns anderen sind die Frauen, Freundinnen oder Exen sozusagen mitgewachsen. Es ist ja nicht so, dass man von heute auf morgen zum Rockstar wird.
Ein einziges Baby in 25 Jahren – das ist nicht wirklich eine Rockstar-Bilanz! Warum gabs bei Ihnen nicht früher und mehr Kinder?
Leo Leoni: Ich kann nur für mich reden, aber ein Kind auf die Welt stellen, nur um eins zu haben, macht keinen Sinn. Es gibt schon zu viele Kinder auf der Welt, deren Väter kaum präsent sind. In jüngeren Jahren war ich für diese Präsenz nicht bereit, da ich alles in die Band investierte. Meine Ex-Freundin brachte eine Tochter mit in die Beziehung, für sie war ich 17 Jahre lang der Stiefvater. Diesen «Job» habe ich gut gemacht, denke ich.
Heute verzichten wir auch mal auf ein Angebot zugunsten unserer Liebsten.
Aber für Sie ist es möglich, als Vater präsent zu sein, obwohl Sie um die Welt touren, Hena Habegger?
Wir sind heute in einer ganz anderen Situation als vor zwanzig Jahren. Wir können auswählen, was wir machen möchten und was nicht. Früher waren wir zwei, drei Monate am Stück unterwegs, heute verzichten wir auch mal auf ein Angebot zugunsten unserer Liebsten. Ausserdem werden wir älter und werden sicher nicht ewig durch die Welt touren.
Könnten Sie sich vorstellen, in Ihrem jetzigen Leben Kinder zu haben, Nic Maeder?
Ich wollte schon immer Kinder, und möchte immer noch sehr gern welche. Es ist immer eine Frage des richtigen Zeitpunktes.
Der kommt nie.
Nic Maeder: Das stimmt – und ich realisiere das immer mehr, ich werde ja auch älter. Aber Kinder stehen definitiv noch auf meiner «Wunschliste». Und wenn man sich richtig organisiert, ist sicherlich vieles möglich.
Bereuen Sie es, keine eigenen Kinder zu haben, Leo Leoni?
Nein. Ich habe eine grossartige Familie und tolle Freunde. Es gibt immer mehrere Wege im Leben, und man muss sich für einen entscheiden.
Wie ist es, im Rock-Business älter zu werden?
Leo Leoni: Das müssen Sie die anderen fragen, ich fühle mich nicht alt. (lacht)
Nic Maeder: Ich fühle mich alt genug, um diese Frage zu beantworten. (lacht) Im Ernst: Es gibt eine Menge Bands, die Musik machen und touren, die älter sind als wir. Solange die Leidenschaft da ist, gibt es keinen Grund, aufzuhören.
Wir haben mit Steve Lee nicht einfach unseren Sänger verloren, sondern einen Freund.
Wenn Sie auf diese 25 Jahre zurückschauen, würden Sie etwas ändern?
Leo Leoni: Ja. Wenn ich könnte, würde ich den 5. Oktober 2010 ungeschehen machen. Das ist das einzige. (Anmerkung der Redaktion: Gotthard-Sänger und Mitbegründer Steve Lee kam an jenem Tag bei einem Motorrad-Unfall in den USA ums Leben.)
Hena Habegger: Wir haben mit Steve Lee nicht einfach unseren Sänger verloren, sondern einen Freund. Wenn er die Band verlassen hätte, andere Pläne gehabt hätte, wäre das vollkommen in Ordnung gewesen. Aber er ist tot.
Leo Leoni: Und dieser Unfall war nicht sein eigenes Verschulden. Aber seine Geschichte war geschrieben, und das Ende auch. Man muss das akzeptieren.
Nic Maeder: Steve Lee ist ein riesiger Teil der Geschichte dieser Band, und er wird immer ein Teil von ihr bleiben.
Wo wollen Sie in 25 Jahren sein?
Hena Habegger: Noch am Leben. Wenns geht gesund. Ein Geschwister für Melodie wäre schön.
Wer Gotthard live sehen möchte, hat diesen Sommer in der Schweiz noch zweimal die Gelegenheit: Am 22. Juli am Moon & Stars in Locarno und am 11. August am Rock Oz Arénes in Avenches.