Paris Bar, Berlin, 14 Uhr, bedeckter Himmel. Eine Frau betritt das Lokal. Grüner Mantel, die Augen hinter einer grossen Sonnenbrille versteckt. Hinter ihr ein grosser Mann. Martina Gedeck und Markus Imboden geben der «Schweizer Illustrierten» eines ihrer seltenen Interviews. Sie ist eine der profiliertesten Charakterdarstellerinnen Deutschlands. Er einer der erfolgreichsten Regisseure der Schweiz. Am 4. Oktober präsentieren sie ihren neuen Film am 9. Zurich Film Festival. «Am Hang» ist Liebesgeschichte und Thriller in einem. Die beste Gelegenheit, mit ihnen über grosse Gefühle zu sprechen.
Im Film schiesst der gehörnte Ehemann dem Liebhaber seiner Frau in den Bauch. Martina Gedeck, kennen Sie Eifersucht im echten Leben?
Ja. Selten, dafür irrational, völlig unbegründet. Als hätte ich eine Injektion bekommen mit einem seltsamen Virus drin. Na ja, Markus ist ein beliebter Regisseur. Ein sehr attraktiver Mann. Für mich ists halt durchaus vorstellbar, dass sich Frauen in ihn verlieben. Ich bin ja meist nicht da, wenn er dreht. Wenn ich dann auftauche, sind alle eher in Habtacht-Position. Ist ja immer so, wenn die Frau kommt (lacht).
Und wie geht die Eifersucht wieder weg?
Ich lasse mich von Markus beruhigen. Dann geht das ganz schnell weg. Aber aufpassen tue ich schon.
Herr Imboden?
Ich wäre im Fall der Fälle eher ein Felix.
Sie würden auch schiessen?
Das vielleicht nicht gerade. Aber treffen würde ich wohl.
Sie sind seit acht Jahren ein Paar. Wer hat den ersten Schritt gewagt?
Imboden: Ich. Obwohl ich eher scheu bin.
Gedeck: Du bist einfach einer, der das nur tut, wenn er sicher ist, dass es gewünscht ist.
Sie gelten als ungleiches Paar. Krass dargestellt: die Diva und der Brummbär. Sind Sie denn so unterschiedlich?
Gedeck: Brummbär?
Imboden: Diva?
Gedeck: Manchmal fühle ich mich ganz anders als er. Dann wiederum denke ich, es verbindet uns so viel…
Was denn?
...(Pause) Gedeck: Da dürfen wir jetzt nicht so lange nachdenken, Markus.
Imboden: Es gibt einfach nie Probleme. Zum Beispiel bei der Frage, was man jetzt an so einem Sonntag tun soll. Wir gehen spazieren. Oder fahren ins Berner Oberland. Das findet Martina schön und ich auch. Und wir müssen viel zusammen lachen.
Was haben Sie noch gemeinsam?
Imboden: Wir bewerten Filme ähnlich. Wir sind allergisch gegen gewisse Eitelkeiten, die uns in diesem Geschäft immer wieder entgegenschwappen, und versuchen, uns dem zu entziehen, haben zu dem Ganzen eher eine ironische Distanz. Und wir geniessen die traute Zweisamkeit in einem Lokal, in dem uns niemand kennt. Und ja… ich fasse Martina gerne an. Oder darf man das nicht sagen?
Gedeck: Doch.
Imboden: Also ich fühle mich ihr sehr nah.
Stimmt denn das Bild der Schillernden und des Manns im Hintergrund?
Imboden: In Deutschland, ja.
Gedeck: In der Schweiz ist es genau umgekehrt.
Sie haben schon mehrere Filme miteinander gedreht. Wie muss man sich das vorstellen? Sagen Sie abends beim Znacht: «Du Schatz, ich hätte da eine Rolle für dich»?
Imboden: Wenn ich ein Drehbuch lese, habe ich ja Vorstellungen, wen ich wie besetzen würde. Meine Vorschläge gebe ich den Produzenten weiter. Wenn es passt, dann fragt man - vielleicht ohne «Schatz» in der Anrede.
Dann verhandeln Sie über die Gage?
Imboden: Nein, mit Gagen und Terminabklärungen habe ich nichts zu tun. Das machen immer die Produzenten mit den Agenten der Schauspieler, das ist zwischen Martina und mir nicht anders. Ich finde es wichtig, dass wir Berufliches und Privates trennen können.
Warum wollten Sie Martina Gedeck in der Rolle der Valerie?
Weil ich die Beste wollte für den Film, da gibt es nicht viele.
Frau Gedeck, wie ist Markus Imboden als Regisseur und Partner?
Er hat ein grosses Empfinden für Schauspieler. Weiss, wann er ermutigen soll. Und wie man aus Sackgassen kommt. Markus hat eine wunderbare Fantasie, und im Umgang mit Menschen weiss er genau, was er will.
Herr Imboden, wie ist denn Frau Gedeck?
Pflegeleicht, sehr konzentriert, professionell, vorbereitet. Und überrascht immer wieder. Als Partnerin genau dasselbe (lacht). Mit dieser Antwort sind Sie jetzt sicher nicht zufrieden…
Ja, wie soll ich sagen…?
Es gibt schlicht keinen grossen Unterschied. Wissen Sie, für mich ist Regie führen etwas Normales geworden. Ich muss mich nicht verstellen, habe auch keine Angst mehr vor Schauspielern - ob sie jetzt gross sind oder ganz berühmt. Ich nehme mir einfach diese Selbstverständlichkeit heraus, die Welt in diesem Moment so zu gestalten, wie es für die Geschichte richtig ist. Das mache ich wie kochen, putzen, schreiben…
Sie putzen?
Ja. Es fällt zu meinem Leidwesen immer mal wieder was zu Boden.
Gedeck: ... (Lacht.)
Ich bin kein Anhänger von völlig symbiotischen Beziehungen. Das ist dann langweilig und unerotisch.
Was ist Ihnen wichtig in Ihrer Beziehung?
Gedeck: Dem anderen Freiraum zu geben. Jeder Mensch hat ja sich selbst gegenüber eine Verantwortung, nämlich die, sein Potenzial auszuschöpfen und der zu werden, als der er gemeint ist. Das muss der andere einem lassen. Wenn dieser Freiraum behindert wird, dann wird man sich irgendwann befreien. Und dass wir einander vertrauen und uns einander anvertrauen.
Machen Sie füreinander auch Kompromisse?
Gedeck: Natürlich. Das Schöne daran ist, dass man dabei Dinge entdeckt, die man noch nicht kennt, die einem aber Spass machen.
Imboden: Ich schwimme seit ein paar Jahren auch gerne in kaltem Wasser. Vorher bin ich unter 24 Grad nirgends rein. Bis an dem Tag auf der Insel, an dem ich Martina hinterhergeschwommen bin. Das Meer hatte höchstens 16 Grad.
Freiraum: Bei Ihnen heisst das konkret 850 Kilometer Distanz. Martina lebt in Berlin, Markus Imboden in Zürich. Sie scheinen viel Freiraum zu brauchen?
Imboden: Ich glaube, dass eine Beziehung eine gewisse Distanz braucht. Ich bin kein Anhänger von völlig symbiotischen Beziehungen. Das ist dann langweilig und unerotisch.
Frau Gedeck, können Sie sich trotzdem vorstellen, der Liebe wegen in die Schweiz zu ziehen?
Zurzeit nicht, meine Eltern sind hier, mein ganzes soziales Umfeld. Ich sage aber sicher nicht: «Nie!» Denn ich fühle mich mit den Jahren auch in der Schweiz zu Hause.
Geniessen Sie es, dort weniger erkannt zu werden?
Ja, natürlich. So viel zum Thema schillernd. Ich bin eher die Unschillernde.
Imboden: Ich würde Berlin dann aber vermissen, ich bin gerne hier! Zwar ist es eine kühle, kantige Stadt, die einen herausfordert als Mensch, und es dauert lange, bis man sich auskennt und wohlfühlt, aber dann liebt man sie plötzlich.
Träumen Sie nicht von einem Ferienhäuschen im Berner Oberland?
Gedeck: (Nicht ohne Ironie) O doch, darauf arbeiten wir hin.
Sie sind beide erfolgsverwöhnt. Kennen Sie Krisen?
Imboden: Es gibt immer Ups und Downs. Im Moment gehts mir sehr gut. Mit «Der Verdingbub» habe ich gelernt, dass es schön und wichtig ist, Filme zu drehen, die eine soziale Relevanz haben. Da gab es ein grosses menschliches Feedback.
Gedeck: Ich kenne vor allem die Sinnkrise. Ich spiele derzeit eine Richterin. Zur Vorbereitung war ich im Gericht. Ich dachte: «Mein Gott, die Leute machen das wirklich, die bewegen etwas.» Und ich habe mich mein ganzes Leben lang im Fiktionalen bewegt. Das kommt mir manchmal seltsam vor, es hat etwas Unwirkliches.
Filme sind doch was Schönes. Sie stimulieren unsere Fantasie, bringen uns zum Nachdenken. Haben Sie einen Lieblingsfilm?
Gedeck: Ich habe sogar zwei: «Manche mögens heiss» und «La Strada».
Imboden: Das wechselt bei mir dauernd. Der letzte Film, der mich gefesselt hat, war «Liberace», mit einem wunderbaren Michael Douglas - grossartig.
Und wer saugt nach dem DVD-Abend die Popcorn-Krümel aus den Sofa-Ritzen?
Imboden: Wir gucken keine Popcorn-Filme (lacht).
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«Am Hang» - der Film:
Der Thurgauer Schriftsteller Markus Werner landete mit dem gleichnamigen Roman 2004 einen Bestseller. Markus Imboden inszeniert die Liebeswirren um Valerie (Martina Gedeck), Felix (Henry Hübchen) und Clarin (Max Simonischeck) wie einen Thriller. «Am Hang» feiert nächste Woche am Zurich Film Festival Weltpremiere. Kinostart: 24. Oktober.