Auf den ersten Blick ist er ein wandelndes Klischee!
Andri Silberschmidt, 23, Chef der Jungfreisinnigen Schweiz und Jungbanker. Die Haare sind nach hinten gegelt, das hellblaue Hemd passt wie angegossen, und die Hornbrille sitzt perfekt auf der Nase.
Zudem wohnt der Jungpolitiker mit dem geschmeidigen Auftreten in einer WG am Zürichberg und studiert Finanzmanagement.
Letzten Sonntag verfolgt er zusammen mit Maja Freiermuth, Generalsekretaerin der Jungfreisinnigen, die Abstimmungsergebnisse zur Rentenreform.
KeystoneDoch Andri Silberschmidt ist mehr als nur ein Stereotyp. «Viele Menschen neigen dazu, andere auf etwas zu reduzieren. Da ist es naheliegend, dass man das auch bei mir macht», sagt er und fügt hinzu: «Ich finde das lustig.»
«Man muss Humor haben, um in der Politik zu überleben.»
So zieht er bei öffentlichen Auftritten auch T-Shirt statt Anzug an und amüsiert sich dann, wenn die Medien darüber berichten. «Man muss Humor haben, um in der Politik zu überleben.»
Vergangenes Wochenende feiert der Präsident der Jungfreisinnigen seinen bisher grössten politischen Erfolg: das Nein zur Rentenreform. «Für uns kein Grund zur Freude, wir haben einfach Schlimmeres abgewehrt», so der Nachwuchspolitiker.
«Wenn man gesund ist, kann es auch schön sein, so lange zu arbeiten.»
«Die Arbeit geht erst jetzt los.» Seine Lösung für das AHV-Dilemma sieht so aus: gleiches Rentenalter für Mann und Frau, Mehrwertsteuer erhöhen und das Rentenalter schrittweise hinaufsetzen.
«Ich werde wohl erst mit 70 Jahren in Pension gehen, also 2064», sagt er. «Wenn man gesund ist, kann es auch schön sein, so lange zu arbeiten.»
Dass er arbeiten kann, hat er in den letzten Monaten bewiesen: Zum 90-Prozent-Pensum bei der ZKB und seinem Masterstudium an der Fernuniversität in London hat er vier Stunden täglich in seine politische Arbeit investiert.
Als Banker bei der Zürcher Kantonalbank verwaltet Andri Silberschmidt 600 Millionen Franken.
PASCAL MORASeit diesem Frühling mischt Silberschmidt zudem die Zürcher Gastronomie auf: Mit fünf Freunden eröffnet er beim Zürcher Hauptbahnhof den Pop-up-Store Kaisin und verkauft Sushi-Burritos.
Die Idee dazu kam den Kumpeln in den Ferien in Bangkok, wo sie die Rollen entdeckten. «Wir mussten die Sushi-Burritos unbedingt nach Zürich bringen.»
«Als wir noch kein Personal hatten, bin ich in meiner Mittagspause hinter der Kasse gestanden»
Gesagt, getan! «Als wir noch kein Personal hatten, bin ich in meiner Mittagspause hinter der Kasse gestanden», erinnert sich der Banker. Heute ist er für die Finanzen zuständig. Die Rechnung ist aufgegangen: Bis Ende Jahr sind zwei feste Standorte für die Sushi-Burritos in Zürich geplant.
Mit einem Start-up für Sushi-Burritos feiert er erste Erfolge als Jungunternehmer.
PASCAL MORASilberschmidt ist mit einer älteren Schwester in Gossau im Zürcher Oberland aufgewachsen. Sein Vater ist Sportlehrer und die Mutter Verkäuferin. Die Passion für die Politik hat er nicht in die Wiege gelegt bekommen.
«Als Gymi-Schüler war ich verhängt und habe ab und zu mal eins gekifft.» Auf Schule hatte er oft keine Lust, mit Latein einige Mühe.
Dann kam die Wende: Andri Silberschmidt schmiss das Gymnasium und fing eine Banklehre an. Mit 17 Jahren wurde er unter allen Lehrlingen ausgewählt, die 1.-August-Rede zu halten. «Da habe ich mir zum ersten Mal Gedanken über Politik gemacht.» Kurz darauf ist er den Jungfreisinnigen beigetreten.
«Als Gymi-Schüler war ich verhängt und habe ab und zu mal eins gekifft.»
Warum die FDP? «Die Weltanschauung der Juso widerspricht dem, was ich sinnvoll finde, und die SVP ist mir zu konservativ.»
«Andri hat neuen Schwung bei den Jungfreisinnigen gebracht und ist ein guter Werbeträger für die Partei», sagt Benjamin Fischer, 26, von der Jungen SVP. Tamara Funiciello, 27, von der Juso, sieht inhaltlich keinen gemeinsamen Nenner mit Silberschmidt, dafür zwischenmenschlich: «Wir können beide über uns selber lachen.»
Als er vor eineinhalb Jahren Präsident der Jungfreisinnigen wird, verlässt er das Hotel Mama: «Ich kann ja nicht die ganze Zeit von Eigenverantwortung reden, während meine Mutter mir die Wäsche macht.»
«Ich kann ja nicht die ganze Zeit von Eigenverantwortung reden, während meine Mutter mir die Wäsche macht.»
Er zieht in eine Männer-WG mit zwei Freunden vom Studium. «Für uns war es die erste eigene Wohnung – das heisst, wir hatten am Anfang Rambazamba», sagt Silberschmidt und grinst.
Für eine Männer-WG sieht die Wohnung überraschend sauber und aufgeräumt aus. Nichts liegt rum, kein Schnickschnack und nicht mal ein Kissen auf der grossen Ledercouch im Wohnzimmer.
Eine grosse Rolle im Leben von Silberschmidt spielt seine Freundin Janine Paumann, 21. Er liebt die PR-Sekretärin seit einem halben Jahr. «Wir sehen uns zwei- bis dreimal in der Woche», sagt die Aargauerin. «Und wenn wir Zeit für uns haben, ist Andri auch ganz bei der Sache.»
Mit seinem Schatz Janine Paumann ist Andri Silberschmidt seit einem halben Jahr zusammen.
PASCAL MORABeim Nachtessen etwa legen beide das Smartphone zur Seite. Das frisch verliebte Paar plant momentan die erste grosse gemeinsame Reise. «Kuba oder Zentralamerika wär cool.»
Nächstes Jahr wird Silberschmidt für den Gemeinderat der Stadt Zürich kandidieren. «Und wenn alles gut läuft, kann ein Mandat im Nationalrat später auch Thema werden.»
Einfach rumhängen kommt für ihn nicht infrage: «Selbst wenn ich Fussball schaue, beantworte ich nebenbei meine Mails.»
PASCAL MORAVom unmotivierten Gras-Raucher ist bei Andri Silberschmidt heute nichts mehr zu erkennen. Als typischer Jungpolitiker ist sein Tag vollgepackt. Oft ist er an den Abenden an Apéros und knüpft an Veranstaltungen neue Kontakte.
Drei- bis viermal in der Woche steht er bereits kurz nach fünf Uhr auf, um noch vor der Arbeit ins Fitnessstudio gehen zu können.
Und da zeigt es sich dann doch wieder: das wandelnde Klischee.