Es habe alles mit dem Kuss eines Mannes angefangen, im Sommer 2017. «Der erste, den ich mit einem Mann erlebte. Dabei lernte ich Gefühle kennen, die mir bis anhin verborgen blieben.» So offen erzählt der ehemalige Kunstturner Lucas Fischer, 28, im «Sonntagsblick» von seinem Gefühlsleben, dem er sich auch in seinem neuen Song «So wie du bist» widmet.
Der Kontakt zu dem Mann sei nur von kurzer Dauer gewesen - doch die Welt, die sich Fischer auftat, ein «endlos schönes, für mich bis anhin verborgenes Universum.»
Früher liebte er nur Frauen
Doch wie mit diesen neuartigen Gefühlen umzugehen ist, darüber war sich Fischer nicht im Klaren, «da ich nie infrage gestellt habe, ich könnte ein anderes Geschlecht lieben und begehren als das weibliche.»
Dann an der «Pride», dem Protest-Marsch der schwul-lesbischen Gemeinschaft, am 16. Juni dieses Jahres lernte Fischer erneut einen Mann kennen. «Als ich ihn sah, war ich wie vom Blitz getroffen. Er hat mir mein zweites Auge geöffnet, dass ich wirklich auf Männer stehe.» Dies wolle er nicht mehr verschweigen oder verlieren. «Daher ist es für mich wichtig, jetzt in aller Öffentlichkeit zu sagen: Ich bin schwul.»
Daher ist es für mich wichtig, jetzt in aller Öffentlichkeit zu sagen: Ich bin schwul.
Viele Gerüchte, wenig Klarheit
Der ehemalige Kunstturner, der 2013 Vize-Europameister am Barren wurde, sei während seiner Studienzeit in Magglingen BE immer wieder damit konfrontiert worden, er sei doch schwul oder solle sich «nicht so schwul» benehmen. Er sei einfach anders gewesen als die Kollegen, erzählt Fischer. «Homosexualität ist im Spitzensport nach wie vor ein grosses Tabu. Wenn von schwul gesprochen wird, dann entweder im Witz oder als Beleidigung.» Fischer glaubt heute, dass er auch deswegen nie zugelassen habe, erotische Gefühle für einen Mann aufkommen zu lassen.
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Das «Jahrhunderttalent» des Kunstturnens musste seine aktive Karriere vor drei Jahren aufgrund seiner Epilepsie beenden. Seither ist Lucas Fischer als Artist unterwegs und macht Musik - Ende 2017 stand er im Finale von «Das Supertalent», dieses Jahr tourt er mit dem «Family Circus» in «Das Zelt» durchs Land. Dadurch änderte sich sein Umfeld: Homophobe Sprüche waren plötzlich nicht mehr zu vernehmen, Fischer fühlte sich nicht mehr gedrängt, ständig von seiner Freundin, die er damals hatte, zu erzählen. Im neuen Umfeld - bestehend aus Künstlern, Homosexuellen und vielen toleranten Menschen - sei er auch immer wieder darauf angesprochen worden, ob er nicht schwul sei, erzählt Fischer. «Es sei meine feminine Art und mein Stil, dass man das denken könne. Es wurde zum Glück nicht mehr gewertet, einfach angesprochen.»
Die Familie weiss Bescheid
Vor dem öffentlichen Outing informierte Lucas Fischer seine Familie über seine sexuelle Orientierung, erzählt er im «Sonntagsblick». «Ich hatte schon ein bisschen Angst vor diesem Gespräch, vor allem darauf, wie mein Vater reagiert.» Dieser habe dann einmal leer geschluckt und ihm gesagt, dass das Wichtigste für ihn sei, «dass ich glücklich sei», sagt Fischer. Die Mama habe gestrahlt: «Sie freut sich mit mir. Dass meine Eltern, mein Bruder und auch mein Grossmami so cool reagieren, ist mir besonders wichtig und freut mich sehr.»
Das Outing macht Fischer alleine - sein Freund habe ihn vor Kurzem verlassen: «Ich glaube, ich war ihm zu intensiv», sagt der Artist. Doch das stört den Aargauer nicht: «Ich mache das Outing für mich und für alle, die damit ringen, es zu tun - den vielen, die wissen, wie sie fühlen, sich aber nicht trauen, es laut auszusprechen oder auszuleben, möchte ich auf den Weg geben: Lasst euch von niemandem sagen, was oder wie ihr sein sollt. Lebt und liebt, wen immer ihr lieben wollt.»