Das Thermometer an der Türkischen Riviera zeigt bereits dreissig Grad. Dabei ist es erst neun Uhr morgens. Skirennfahrerin Lara Gut, 18, ist auf Betriebstemperatur. «Ich liebe heisses Wetter, auch wenn ich Wintersportlerin bin. Na ja, vielleicht gerade deshalb», sagt sie und lacht. Während andere Urlaubsgäste verschlafen zum Frühstücksbuffet schlurfen, powert sich der 1,60 Meter grosse Wildfang bereits durch das Sportangebot des Robinson Clubs Camyuva bei Kemer.
Mit von der Partie: Laras Freundin und Berufskollegin Anna Fenninger, 20, aus Österreich. Die Dritte im Frauen-Bund, Laras Mutter Gabriella, 48, steht den beiden in Sachen Aktivismus in nichts nach: «Ich habe heute Morgen beim Joggen den Sonnenaufgang genossen», sagt sie. Die gelernte Sportlehrerin räkelt ihren durchtrainierten Body als Erste an der Sonne.
Für eine Woche tauscht Lara die Skischuhe mit den Flipflops und den Renndress mit dem Bikini. Die Nachmittage verbringt die zweifache Silbermedaillen-Gewinnerin der Ski-WM in Val d’Isère am Strand und liest den Anti-Mafia-Bestseller «Gomorrha» von Roberto Saviano.
Bücher sind neben dem Sport Laras grosse Leidenschaft. «Vor allem historische Bücher, beispielsweise über den Zweiten Weltkrieg oder die Geschichte Afrikas.» Ihr Lieblingsautor: Wilbur Smith, ihr Lieblingsbuch: «Der Schatten des Windes» von Carlos Ruiz Zafón. «Das habe ich gleich drei Mal gelesen!»
Training steht zwar auch in der Türkei auf dem Programm, «aber mit hohem Spassfaktor», sagt Lara. Konkret: Tischtennis spielen Lara und Anna mit drei Bällen gleichzeitig. Beim richtigen Tennis schreien und stöhnen sie wie die Williams-Schwestern. Und im Meer tauchen die beiden Freundinnen um die Wette. «Nur die Übungen im Kraftraum bringen wir so schnell wie möglich hinter uns», sagt Lara.
Anna ist von der Power ihrer Freundin beeindruckt. «Krass, wie weit sie für ihr Alter ist, in jeder Hinsicht.» Die Frage, was Lara ihrer Meinung nach im Skisport erreichen könne, beantwortet die österreichische Spitzenfahrerin sec: «Alles.»
Die Tessinerin wollte bereits nach dem Ende der vergangenen Saison im März verreisen. «Aber stattdessen hatte ich eine ziemlich stressige Zeit.» Sie rannte von Termin zu Termin. «Und der Pöstler brachte täglich sicher 40 Fan-Briefe nach Hause», sagt Gabriella.
Zudem nahm Lara das Projekt Führerschein in Angriff. Bereits zehn Tage vor ihrem 18. Geburtstag bestand sie die Theorieprüfung. «Und an meinem Geburi gabs keine Party, sondern fünf Stunden Fahrtraining. In strömendem Regen.» Dafür hatte Lara nach rekordverdächtigen 22 Tagen das «Billett» im Sack! Der A4 von Sponsor Audi bedeute für sie ein Stück Unabhängigkeit: «Vorher war ich auf meine Eltern angewiesen, jetzt bin ich endlich mobil.»
Als Teil eines Loslösungsprozesses will sie das aber nicht verstanden wissen: «Glauben manche Leute denn immer noch, ich sei ein kleines wehrloses Mädchen unter den Fittichen von überehrgeizigen Eltern?», fragt sie und lacht. «Vater und Mutter sind genial, sie wissen, dass ich 18 bin. Wenn ich um drei am Morgen nach Hause komme, gibts keine Diskussionen.»
Bauen andere Skirennfahrerinnen auf den Ski-Verband, setzt Lara aufs Familien-Band. Vater Pauli ist neu auch ihr Coach – unterstützt von Trainer-Legende Karl Frehsner. Auch Mutter Gabriella wird vorläufig nicht mehr als Turnlehrerin in Comano TI arbeiten. Sie ergänzt das Privat-Team im kommenden Winter vollamtlich.
«Ferien mit meiner Mutter? Ich kann mir keine bessere Begleitung vorstellen!»
«Schliesslich wird die Arbeit nicht weniger», sagt sie. Denn während die Gut-Frauen am Meer entspannen, steht Pauli Gut mit Laras jüngerem Bruder Jan, 14, auf dem Gletscher in Saas-Fee. Auch er gilt als Riesentalent. Spätestens jetzt wird das Familienprinzip ersichtlich: Eine(r) für alle, alle für eine(n). Für Lara ist das nur logisch: «Wem kann man besser vertrauen als seinen Nächsten?»
Fast alles dreht sich bei Lara um den Skisport. Aber die 18-Jährige – sie spricht fünf Sprachen! – hat noch anderes im Kopf: «Wenn es die Zeit erlaubt, lerne ich für meine Matura. Und irgendwann würde mich ein Studium reizen … doch das lässt sich kaum mit der Profi-Karriere vereinbaren.»
Seit Kurzem engagiert sie sich auch für die Laureus-Stiftung Schweiz als Athleten-Botschafterin. «Ich hatte viele Anfragen für ein Engagement, die meisten aus dem Ausland. Aber es gibt auch in der Schweiz viele Kinder, die physisch oder sozial benachteiligt sind. Und weil Laureus in diesem Bereich tolle Projekte hat, helfe ich mich mit.» Indirekt tut sie das bereits mit ihrer Reise: Die Robinson Clubs gehören dem Reiseveranstalter TUI – und der spendet für jede gebuchte Reise einen Franken an die Stiftung.
Sport und Sonne machen schön. Je länger die Woche dauert, desto stärker leuchten die azurblauen Augen in Laras braun gebranntem Gesicht. Das entgeht abends an der Bar auch den männlichen Touristen nicht. Sonnenschein Lara schaltet auf cool, und nippt seelenruhig an ihrem Lieblingsgetränk, einem Strawberry Dream (ohne Alkohol). «Auf einen Ferienflirt kann ich verzichten!» – Wegen eines Freundes? – «Ich bin glücklich.» – Als Single oder in festen Händen? – «Verrate ich nicht. Ich bin einfach glücklich.»