Grosse Ehre für Dr. Beat Richner. Der König von Kambodscha, Norodom Sihamoni, 65, hat es gewünscht: Für den am 9. September verstorbenen Schweizer Kinderarzt, der in Kambodscha fünf Kinderspitäler gegründet hat, wurde zum ersten Mal eine Stupa (Grabmal) auf öffentlichem Boden errichtet, auf dem Rasen direkt vor dem Kinderspital in Siem Reap. Sonst gibt es Stupas nur bei Pagoden oder auf privaten Grundstücken.
Der König und die Königinmutter Norodom Monineath, 82, kamen am Donnerstagmorgen um 10.15 Uhr persönlich, «um Abschied zu nehmen von einem lieben Freund, einem grossen Helden, der Millionen von Kindern das Leben gerettet hat». Die Menschen nennen Richner «Doctor God».
«Er gehört hierher»
Am Mittwochmorgen brachten Richners Schwester Anna-Regula Lutz und Dr. René Schwarzenbach, Präsident der Kantha Bopha-Stiftung, die blaue Metall-Urne (Nr. 4657) aus Zürich nach Siem Reap, wo sie am Flughafen von Vize-Premierminister Kong Sam Ol, dem Gouverneur der Provinz, Khim BunSong, dem Chef-Mönch und von Richners Nachfolger, Dr. Peter Studer und den Chefärzten der Kantha Bopha Spitäler empfangen wurden. Für Anna-Regula Lutz war klar, dass ihr Bruder in Kambodscha beigesetzt werden musste: «Er gehört hierher. Hier kennen ihn alle, hier lebt er weiter.»
Auf einem mit Jasmin- und Lotusblüten geschmückten Prunkwagen wurde die Urne vom Flughafen durch die ganze Stadt zum Spital geführt, auf Händen getragen vom Chefarzt des Kinderspitals, Professor Chantana. Begleitet von Trommeln und Trompeten.
Die grösste Trauerfeier seit dem Tod des früheren Königs
Die abgesperrten Strassen von Siem Reap waren gesäumt von mehreren tausend Kindern, die sich mit gefalteten Händen und Lotusblumen vor dem verstorbenen Arzt verneigten. Eine emotional starke Ehrung. Viele von ihnen waren selbst in Dr. Richners Spitälern behandelt worden. «Seit der Trauerfeier für den alten König Norodom Sihanouk hat es noch nie eine so grosse öffentliche Trauer gegeben», sagt Dr. Denis Laurent, der administrative Direktor der Kantha Bopha-Spitäler, «alle Menschen liebten ihn, alle kannten ihn.»
Zur buddhistischen Abschiedsfeier am Mittwoch im Kongresszentrum des Spitals kamen 700 Mönche und viele Ärzte und Krankenpersonal.
Die Zeremonie wird vor Sonnenaufgang durchgeführt
Am Donnerstagmorgen, um 4 Uhr früh, wurde die Urne in die Stupa gestellt und mit einer Marmorplatte eingeschlossen. Eine Zeremonie mit zahlreichen Mönchen, Musik und einem grossen Teil des Spitalpersonals, ganz in schwarz und weiss gekleidet. Die Tradition will, dass dies vor Sonnenaufgang geschieht.
Der Vize-Premier liess einen kleinen Teil der Asche aus der Urne nehmen, um sie nachts von der grossen Brücke zum Tempel von Angkor Wat ins Wasser zu streuen. Ein heiliger Akt für Buddhisten. Am Empfang des Königs und seiner Mutter um 10 Uhr nahm wiederum eine riesige Menschenmenge teil, die Schweiz war offiziell durch ihren Botschafter Ivo Sieber vertreten, der Richner «einen grossen Schweizer» nannte, «der viel für das Ansehen unseres Landes getan hat.»
Dr. René Schwarzenbach fasste die Persönlichkeit von Beat Richner kurz zusammen: «Er war ein Künstler, ein hervorragender Arzt und ein sehr guter Organisator, in dieser Kombination ein wahres Genie!» Richner hat vor drei Jahren seine Vision niedergeschrieben: «Dass im ganzen Land alle Kinder geheilt werden können und ich mit siebzig nicht mehr dafür Geld sammeln muss.» Er hat es geschafft - und dafür sein Leben geopfert. Kaum war seine Vision erfüllt, ist er gestorben.
Ein Knabe sah in Richner einen zweiten Vater
Der Vater eines 16-jährigen Knaben, der als Einjähriger in Richners Spital wegen Tuberkulose gepflegt und geheilt wurde, meinte: «Mein Sohn hat mir gesagt, ich habe zwei Väter, Dich und Dr. Richner.» So denken heute viele hunderttausend Kinder in Kambodscha. Und alle wissen, dass das Werk von Dr. Richner nur dank den vielen Spenden aus der Schweizer Bevölkerung möglich war.
Noch bis am 15. Dezember dauert die Trauerperiode, die normalerweise sieben Tage beträgt, aber für Dr. Richner offiziell auf 100 Tage verlängert wurde. Bis dahin kriegt er noch jeden Morgen sein Lieblingsfrühstück, zwei Spiegeleier, ein Brötchen, ein Orangensaft und eine Tasse Kaffee, serviert auf einem kleinen Tischchen in der grossen Spitalhalle. Denn während der Trauer ist er zwar verschieden, aber sein Geist ist noch da. Und vielleicht hungrig.
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