Er ist schwarz an den Zürcher Hauptbahnhof gefahren. Aber nur eine Station. Fussballlegende Gilbert Gress reiste mit dem Auto von Strassburg nach Zürich, um am ersten Schweizer Digitaltag teilzuehmen. Die letzten Meter fuhr er mit dem Tram. «Wie löst man hier eigentlich ein Billett?», fragt der 75-Jährige mit einem Lausbuben-Grinsen. Er benutze sonst nie den öffentlichen Verkehr, so seine Entschuldigung.
Das Billett müsste er entweder an einem Automaten lösen oder per App. Letzteres ist für den ehemaligen Nati-Trainer kein Thema. «Ich schreibe mit meinem Smartphone höchstens SMS. Ab und zu lese ich darauf Sportnachrichten. Das wars dann aber.»
«Uli Hoeness schreibt auch keine E-Mails»
Gilbert Gress ist ein Genie, wenns um Fussball geht. Doch im digitalen Leben sitzt er höchstens auf der Ersatzbank. Für das Treffen mit ihm versuchten wir, einen Termin übers Internet zu vereinbaren. Doch wir mussten erfahren, dass Gress per E-Mail nicht zu erreichen ist. «Das benutze ich nicht. Es gibt ja noch die Post», sagt er. «Ich habe einmal gehört, dass der Präsident von FC Bayern München, Uli Hoeness, keine Mails schreibt. Dann brauche ich das auch nicht.»
Immerhin sei er nicht in einer digitalen Welt gross geworden, gibt Gress zu bedenken. «Und heute habe ich schlichtweg nicht die Motivation, um all das Neue zu lernen.» Worauf der schweiz-französische Doppelbürger jedoch nie verzichten möchte, ist sein GPS im Auto. «Mein Orientierungssinn ist Katastrophe!»
Die Fussball-Karriere hat Gress verwöhnt
Vor seiner Fussballkarriere absolvierte Gress zwar eine Lehre als Buchhalter. Doch in den 50er-Jahren ging es da noch nicht sehr digital zu und her. Seit seinem 18. Lebensjahr hat der gebürtige Strassburger nie mehr in der Privatwirtschaft gearbeitet. Das sei wohl ein auch ein Grund dafür, dass er nicht mit dem digitalen Trend mitging, vermutet Gress. «Ich war als Fussballer und Trainer natürlich ein wenig verwöhnt. Es war ja immer jemand da, der mich abgeholt und alles für mich organisiert hat. Da musste ich nicht viel studieren.»
Der bald 76-Jährige staunt nicht schlecht, als er im Hauptbahnhof dem menschenähnlichen Roboter Pepper begegnet. Der Humanoid gibt Antworten auf einfache Fragen, reicht einem die Hand und gibt sogar Umarmungen. Gress probierts aus und testet Pepper auf sein Französisch. Doch auch die Sprache wechseln kann Pepper ohne Problem.
«Offside versteht wohl wirklich nur ein Roboter»
Der ehemalige Fussballtrainer wird nachdenklich: «Wie sieht unser Leben wohl in zehn Jahren aus? Arbeiten dann überhaupt noch Menschen wie Sie und ich?» Schon seine Co-Trainer hätten die Spieler jeweils ganz genau über Bildschirme beobachtet. Gress bevorzugte den Blick durch seine undigitale Brille.
Beim Thema Fussball fällt ihm höchstens ein Bereich ein, der von Maschinen profitieren könnte: «Kein Schiedsrichter auf der Welt versteht aktives und passives Offside. Das kann wohl wirklich nur ein Roboter.»
So nützlich die technologischen Fortschritte auch sind, Gilbert Gress hat nicht das Gefühl etwas zu verpassen. «Vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich gar nicht weiss, was ich alles am verpassen bin», scherzt er. Einer Sache ist er sich jedoch sicher: Auf den menschlichen Kontakt im realen Leben möchte er trotz Fortschritt niemals verzichten.
Sehen Sie Gilbert Gress im Video-Interview: