Seit ich die 70 überschritten habe, merke ich: Meine Haut bekommt Falten, meine Arme werden stellenweise «pfluderig». Aber das ist der natürliche Prozess des Alterns. Frustriert bin ich höchstens von den heutigen Kameras, die messerscharfe Bilder schiessen – darauf sehe ich manchmal aus wie 95!
Meine Neugier hält mich jung. Ich schwelge nicht in Erinnerungen, weil ich weiss, dann verpasse ich den Moment. Am Theater höre ich immer wieder, dass junge Kolleginnen und Kollegen über meine Offenheit für neue Interpretationen staunen. Aber mir würde sonst langweilig.
Als alleinerziehende Mutter habe ich gelernt, dem Leben zu vertrauen. Mein Sohn Volker war oft alleine – und mein schlechtes Gewissen riesig. Aber ich vertraute darauf, dass ihm nichts passiert. Denn: Wer überängstlich ist, verpasst auch viel.
Früher war ich eine Flirtkiste
Sorgen machen mir die sozialen Medien. Schrecklich, welche Intimitäten heute im Netz verbreitet werden – diese Bilder bleiben doch ewig gespeichert! Mein Rat an die jungen Frauen: Gebt euch nicht wie ein offenes Buch. Ihr seid nicht mehr spannend, wenn ihr keine Geheimnisse habt.
Ich wurde von Männern ein Leben lang verwöhnt. Nur einmal, mit 46, da bin ich wegen Liebeskummer ganz tief getaucht. Mein damaliger Partner hatte sich nach zehn wunderbaren Beziehungsjahren in eine andere verliebt. Bis dahin war immer ich die Herzensbrecherin gewesen, eine richtige Flirtkiste. Nun merkte ich zum ersten Mal, wie weh das tut, wenn man auf der anderen Seite steht. Was habe ich gelitten! Und doch hatte der Schmerz auch etwas Gutes. Ich lernte, verantwortungsvoll mit Beziehungen umzugehen. Heute nehme ich von Anfang an eine klare Haltung ein: Es ist unfair, Männern Hoffnung zu machen, wenn man längst weiss, dass es nichts Ernstes wird.
Mein jetziger Partner – ich sage lieber Begleiter – zeigt mir, was weise Gelassenheit ist. Unglaublich, wie ruhig er bleibt, wenns brennt. So weit bin ich nicht. Wenn ein Problem drängt, verbeisse ich mich rasch darin. Aber auch im Alter kann man noch lernen!
Anni Lanz, 73, Menschrechtsaktivistin
Als ich Kind war, sagte mein Bruder immer: «Du hast zu grosse, spitze Ohren.» Ich fühlte mich hässlich und wünschte mir, wie die anderen zu sein, zu gefallen. Auch darum blieb ich nach meiner Heirat zuerst zu Hause, habe geputzt wie eine Wahnsinnige – ich wollte eine vorbildliche Hausfrau sein. Meinem Mann Niklaus hat das gestunken: «Mach was Sinnvolles, geh studieren», sagte er. Ich selbst hätte mir das nicht zugetraut – es ist wichtig, dass man Menschen um sich hat, die an einen glauben.
Durch die Uni kam ich zur Frauen-, später zur Asylbewegung. Ob Mann oder Frau, ob Inländer oder Ausländer – am Ende geht es immer um die Gleichstellung aller Menschen. Dafür kämpfe ich bis heute. Das gibt meinem Leben Sinn und Freude. Ohne Lebenssinn wäre ich depressiv.
Letztes Jahr wurde ich dafür verurteilt, dass ich einen abgewiesenen Asylbewerber aus Afghanistan zu seiner Schwester in die Schweiz holen wollte – er war schwer krank. Damit verstiess ich gegen das Gesetz. Aber nicht gegen übergeordnete Rechtsgrundsätze!
Wer sich für Ausländer einsetzt, wird oft abschätzig behandelt. Seit ich 40 war, weiss ich aber: Mit Gefälligkeit erreichst du deine Ziele nicht! Darum rate ich jungen Frauen: Verbiegt euch nicht, ihr könnt eh nie allen gefallen.
Viele meinen, zu einem erfüllten Leben gehören Kinder. Für mich stimmt das nicht. Ich habe so viel anderes gemacht: Flüchtlingen Obdach gegeben, ihre Rechte verteidigt, in selbstverwalteten Betrieben gewirtet und Strassenaktionen organisiert.
Mein Mann hat mich immer unterstützt. Wir liessen uns gegenseitig viel Freiraum, hatten zwei Wohnungen, sahen uns meist nur am Wochenende. Das machte unsere Beziehung lebendig. Vor drei Jahren ist Niklaus gestorben, an einem Zeckenbiss. Im Lungenspital, wo es ihm besser ging, schickten ihn die Ärzte nach drei Wochen wieder weg. Kurz darauf starb er. Ich bereue, dass ich damals nicht insistiert habe, dass er noch länger bleiben darf. Andererseits hat mich das Leben gelehrt: Hadere nicht mit dem, was du nicht mehr ändern kannst.
Christine Egerszegi, 70, Alt Ständerätin FDP
Entweder man macht Politik – oder die Politik macht mit einem, was sie will, sage ich immer. Aber zugegeben: Als junge Frau war mir die Politik so lang wie breit. Ich wollte Sängerin werden. Leider reichte meine Begabung nicht aus. Stattdessen studierte ich Romanistik, heiratete, bekam zwei Kinder. Mein Mann Lajos war 22 Jahre älter als ich. «Gut möglich, dass du einst auf dich alleine gestellt bist», sagte er, «du musst einen Fuss im Beruf behalten.»
Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen, war nicht immer einfach. Egal wie gut man plant, im entscheidenden Moment ist eins der Kinder krank. Aber das kann auch ein Vorteil sein! Man lernt, immer wieder neue Wege zu suchen. Mir hat das später auch in der Politik geholfen.
Als ich mit 40 für den Stadtrat von Mellingen AG kandidierte, verlangte der Parteipräsident von den Bewerbern ein Bild – «in weissem Hemd, Krawatte und frisch rasiert». Da sagte ich: «Punkt eins und zwei erfülle ich problemlos, Punkt drei ist mir zu intim.» Ich bin froh, dass wir heute einen Schritt weiter sind.
In meinen 20 Jahren als National- und Ständerätin habe ich vor allem eines gelernt: durchzuhalten! Merkt euch, liebe Frauen: Ihr müsst nach einer Niederlage immer aufstehen, mit freundlicher Hartnäckigkeit, bis es den Gegnern verleidet. Gute Argumente helfen! Wer dossierfest ist, kann sich die Freiheit herausnehmen, auch mal gegen die eigene Partei zu stimmen. Das gibt vielleicht eine Schlagzeile – und die kann auch mal wehtun. Aber das muss man aushalten.
So sinnstiftend die Politik ist – eines schenkt sie dir nicht: Liebe und Geborgenheit. Dafür muss man Beziehungen pflegen. Das ist überhaupt das Wichtigste! Darum trage ich mir immer zehn ganz freie Wochen pro Jahr dick in die Agenda ein.
Ich war 56, als mein Mann an einem Hirntumor starb. Erst vor drei Jahren habe ich ein neues Schlafzimmer bezogen. Es tönt banal: Aber Zeit hilft, um über einen solchen Verlust hinwegzukommen – und natürlich die Familie und Freunde. Eine neue Beziehung ist schwierig, wenn ich mir vorstelle, nochmals einen geliebten Partner in den Tod zu begleiten.