Lieber Polo. Du und wir alle wussten es ja. Du hast uns vorbereitet. Du hast dich verabschiedet. «Es isch schön gsy. Tschou zäme!»
Doch jetzt, wo du gegangen bist, ist es doch so ganz anders, als wir dachten, es werde sein. Du hast es früher auch schon einmal erlebt. «Öppis wüsse und öppis gschpüre isch äbe nid z Gliche», sagtest du damals. Wie wahr! Deine Frau, die dich begleitet hat, erfährt es jetzt, und wir fühlen mit.
«Es isch schön gsy. Tschou zäme!» In aller Klarheit hast du es uns angekündigt.
Du warst nicht der Alpenrosensoftie, als der du jetzt beschrieben wirst
Du bist immer klar und deutlich gewesen. Einigen auch zu klar. Es stimmt nicht, dass du für alle da gewesen wärest, dass du allen gefallen habest, wie man jetzt hört. Du warst nicht der Alpenrosensoftie, als der du jetzt beschrieben wirst. Du hattest Ecken und Dornen und nahmst dir die Freiheit zu sagen, was du fühltest. Das hat uns ja zusammengebracht.
Als du dich für die Legalisierung von Cannabis eingesetzt und dazu Heroin verdammt und Haschisch angepriesen hast, wusste ein Staatsanwalt nichts Gescheiteres, als dich wegen Aufforderung zu Drogenkonsum anzuklagen. Er wollte dich doch tatsächlich ins Gefängnis bringen.
Eigentlich bin ich ihm für diese Sturheit noch heute dankbar, denn sie hat uns zusammengebracht: Ich durfte dich verteidigen. Du hast den Prozess politisch genutzt, um der Schweiz die Straffreiheit von Cannabis nahezulegen. Du hast in der damals ideologisch aufgeheizten Stimmung die Freiheit der Meinungsäusserung reklamiert. Mit Erfolg. Du wurdest freigesprochen.
Es war einer der politischen Prozesse jener Zeit. Du warst ein politischer Zeitgenosse oder, um es so direkt wie du zu sagen, ein linker Eidgenosse, der sich sehr konkret eingesetzt hat. Das war nicht das unverbindliche Gesäusel, welches sich in Liedern wie «Ein bisschen Freiheit, ein bisschen Frieden» und anderen unverbindlichen Gemeinplätzen erschöpfte.
Du hast dem Rock eine schweizerische Eigenständigkeit gegeben
Du wagtest es, zu umstrittenen politischen Tagesfragen Stellung zu nehmen. Damit hast du dich auch Attacken ausgesetzt, wie das politisch Engagierten geschieht. Auf solche Angriffe hast du polosophisch reagiert: «Ersch we me di nid mau me ignoriert, muesch dr Sorge mache.»
Du hast dich zur Offenheit unseres Landes bekannt und fuhrst denen an den Karren, die uns abschotten wollen: «Es wird Früelig. Bliib gschider im Huus, d Böim schlö uus!» So hast du sie verspottet. Du kämpftest gegen Aids: «Im Minimum e Gummi drum.» Gegen die Raser hast du dich eingesetzt, «die Taliban vor Strass», «Arschlo.ch» hast du sie betitelt.
Du hast nicht nur andere angegriffen, du hast uns allen Mut gemacht.
Du hast dem Rock eine schweizerische Eigenständigkeit gegeben. «Schweizerisch», das muss ja gar nicht Verklemmtheit bedeuten, das kann nämlich auch Offenheit sein. «Schweizerisch», das heisst ja gar nicht «sich verkriechen», das heisst auch «sich einsetzen».
Du zeigtest dein Leben lang: «Schweizerisch», das ist auch Mut und Fröhlichkeit. Du hast so viele Junge zur Musik gebracht, ihnen Hoffnung gegeben, du hast gegen Abgelöschtheit und Resignation einiges mehr geleistet als viele politische und moralische Missionare. «Tugende si gschpiut, Laschter si ächt.» Deine Worte.
Zur Wahl in den Bundesrat hast du damals nicht viel gesagt, aber 15 Jahre später hast du mir freudig zum Rücktritt gratuliert
Deine Worte bildeten eine demokratische Sprache, nicht nur wegen dem Berndeutsch. Du hast in der normalen Sprache, so wie wir uns tagtäglich ausdrücken, gedichtet und gesungen. Du hast mit der Mundart nicht eine neue künstliche und unzugängliche Literatur geschraubt. So hast du auch Bob Dylan zu uns gebracht und uns mit deinen feinfühligen Übersetzungen die ganze Poesie dieser Gedichte erfahren lassen. Du hast dich das auch etwas kosten lassen.
Wie von anderen, warst du auch von dieser Mission beseelt, uns die Poesie der Alltagssprache fühlen zu lassen. So können wir entdecken, was in uns, unserer Sprache, unserer Heimat schlummert. Dies schafft wahre Selbstständigkeit und Unabhängigkeit, nicht Abschottungsparolen. Du glaubtest an diese Offenheit. «Du chasch dr Tröimer erschiesse, aber nid der Troum!»
Viele in unserem Lande fühlten und dachten wie du, auch ich. Mit dir ist ein Teil von mir gegangen, denn vieles hat uns verbunden, und unsere Wege haben sich immer wieder gekreuzt.
Zur Wahl in den Bundesrat hast du damals nicht viel gesagt, aber 15 Jahre später hast du mir freudig zum Rücktritt gratuliert! «Jetz bisch frei!» Beinahe gejubelt hast du für mich. Die Freiheit hat dir immer sehr viel bedeutet. «I bi gwundrig, wie dr Schritt uf die anderi Site wird si.»
Geniesse sie, Polo, wo immer du jetzt bist, die Freiheit!