Mit nassgeschwitztem T-Shirt steht Ignazio Cassis, 56, mitten im Regenwald von Kamerun. «Schau, du musst seinen Mund etwas mehr öffnen», erklärt Dr. Cassis Dominique Rinderknecht, 28. Zusammen verabreichen sie den Kindern der Baka-Pygmäen die Polio-Impfung. «Bonne chance!», sagt Cassis mit aufmunterndem Lächeln zu einer Mutter und reicht ihr das Kind.
Vor drei Jahren begleitete die Schweizer Illustrierte Ignazio Cassis und die damals amtierende Miss Schweiz Dominique Rinderknecht nach Kamerun. Seit dieser Reise engagiert sich Cassis bei der Entwicklungshilfeorganisation Fairmed als Stiftungsrat. «Diese armen Menschen hier sind dringend auf medizinische Unterstützung angewiesen», sagt der ehemalige Tessiner Kantonsarzt.
In Kamerun übernachtet Cassis in einem Zimmer, auf dessen Boden fette Kakerlaken umherkrabbeln, und teilt sich die Dusche mit sieben anderen Leuten –ohne mit der Wimper zu zucken. «Nach 900 Tagen Militärdienst bin ich es gewohnt, dass es nicht immer komfortabel ist, und da ich ein Badezimmer mit drei Schwestern teilen musste, bin ich in der Lage, lange zu warten.»
Die Schweiz gewinnt einen aussergewöhnlichen Bundesrat
Dominique Rinderknecht ist beeindruckt: «Ignazio ist ein toller Mensch, er meistert jede Situation souverän, und vor allem ist er immer so gut gelaunt!» Etwa am Empfang des Gouverneurs, als Cassis zu einer spontanen Rede ausholt: «Die Sonne bei euch in Afrika ist gross, wir aber haben euch einen Strahl der Schweizer Sonne, die Miss Schweiz, mitgebracht! – Vive le Cameroun!»
Auf der Fahrt durchs Land begegnet Cassis dem Leprakranken Gilbert, 15, dessen Finger schwer verstümmelt sind. Cassis hält ihn an beiden Armen und spricht beruhigend auf ihn ein: «Wir werden Ihnen helfen, Sie bekommen Medikamente gegen Ihre Krankheit.» Gilbert ist noch nicht behandelt gegen Lepra, also ansteckend, doch Cassis hat keine Berührungsängste. «Unglaublich, dass dieser schöne junge Mann so verstümmelt ist und niemand etwas unternommen hat, als er die ersten Lepraflecken bekam.»
Entwicklungshilfe beurteilt Cassis als sehr wichtig: «Könnten die Schweizer nur zehn Prozent ihrer Überversorgtheit den Afrikanern geben, ginge es beiden besser.» Mit der Wahl in den Bundesrat legt er sein Amt bei Fairmed nieder. Geschäftsleiter René Stäheli bedauert das, sagt aber: «Die Schweiz gewinnt einen aussergewöhnlichen Bundesrat!»