Sie ist auf einem Bauernhof im Thurgau aufgewachsen und hatte keine Ahnung vom Fernsehmachen. Heute ist Mona Vetsch, 42, eine erfolgreiche Moderatorin und Allzweckwaffe des Schweizer Radio und Fernsehens. Ein weiter Weg vom Buuremeitli über den Punk bis zum TV-Star.
Mona Vetsch, wie muss man sich Sie in Klein vorstellen?
Ich bin Mona, für alle!
Gut, Mona, wie warst du als Kind?
Ich habe schon damals viel geredet, gezeichnet und konnte sehr früh lesen.
Erinnerst du dich an ein spezielles Erlebnis?
An meinem 5. Geburtstag bin ich durchs ganze Dorf gerannt und habe gesungen: «Ich ha hüt Geburtstag!» Frau Schindler, eine Frau aus dem Dorf, hat mir drum einen kleinen Ball geschenkt. Ich war so glücklich – bis ich damit nach Hause kam. Meine Mutter hat mich ausgeschimpft, dass man keine Geschenke schinden darf. Das vergesse ich nie!
Auf einem Bauernhof gibts immer viel Arbeit. Hast du gern geholfen?
Ganz klar, nein! Ich fand es zwar super, auf einem Bauernhof aufzuwachsen, aber ich hatte kein Flair für all die Arbeiten. Ich weiss noch, wie ich während der Gymi-Zeit in den Landdienst musste. Meine Mutter bat mich eindringlich, dort auf keinen Fall zu erzählen, dass ich selber von einem Bauernhof komme. Als Bauerntochter war ich einfach ein hoffnungsloser Fall.
Du warst eine gute Schülerin …
Da kann man nichts dafür oder dagegen. Das ist ein Geschenk. Aber ich war damals schon sehr vorlaut und hab mal von einer Lehrerin ein Rechnungsheft auf den Kopf bekommen, bääm!
Hattest du einen langen Schulweg?
Für heutige Verhältnisse einen sehr langen Weg, und das zu Fuss. Der Schulweg war unser Spielplatz. Da gabs vom Schneehüttenbauen bis hin zu den obligaten Schlägereien alles. Später kam das Rollbrett in Mode. Da sind wir oft zu zweit den Hang runter, und manchmal hat es uns furchtbar überschlagen.
Heute würde man seine Kinder nicht mehr allein über Feldwege in die Schule schicken …
Auf dem Land schon noch. Aber ich bin in einer Zeit aufgewachsen, wo in der Schweiz viele Kinder verschwunden sind. Unter anderem auch eins aus dem Thurgau, etwa in meinem Alter damals. Das hat mich sehr beschäftigt. Ich denke heute noch manchmal, wie diese Familie wohl mit diesem Schicksal fertig geworden ist?
Dein Lieblingsfach?
Deutsch. Aufsätze schreiben.
Und Sport?
Ich war nicht untalentiert. Und wollte gar mal Sportlehrerin werden. Doch mein Jugendtraum platzte, als mein Kreuzband bei einem Surfkurs riss und ich im Teenageralter lange keinen Sport mehr treiben konnte.
Handarbeit?
Das war ganz schlimm! Ich wusste zwar stets, wie es aussehen sollte, hatte aber nie die Geduld. Ich bin ein «Pfuddli». Wenn ich stricke, ist eine Masche gross, die nächste klein. Ich möchte mich an dieser Stelle bei meiner Handarbeitslehrerin entschuldigen. Sie hatte es nicht leicht mit mir. Ich es aber auch nicht mit ihr …
Gabs einen Schulschatz?
Im Kindergarten haben gar zwei Jungs um mein Herz gebuhlt. Ich hielt mir beide warm, wie man das so macht … Nein, ich fand einfach beide toll und konnte es nicht verstehen, dass sie meinten, dass das nicht geht. Natürlich geht das!
Wann kam deine «Rebellierphase»?
Ich hatte nie das Gefühl, dass ich rebelliere. Ich habe einfach Musik entdeckt, die ich super fand, hatte einen Kleiderstil, der mir entsprach. U2 war eine meiner ersten Lieblingsbands, und der Gitarrist The Edge trug damals immer einen schwarzen Herrenhut. Den fand ich super. Also kaufte ich einen ähnlichen und ging nicht mehr ohne aus dem Haus. Eskaliert ist es, als ich diesen Hut zu meiner Konfirmation tragen wollte. Zum Glück hat mein Götti vermittelnd eingegriffen und den Familienfrieden wiederhergestellt.
Warst du die Exotin im Dorf?
Im Dorf sind doch alles Exoten. Jeder ist auf seine Weise speziell. Das ist das Coole am Dorf. Egal, wie anders du bist, man kommt irgendwie miteinander klar.
Was hast du an deinem Aussehen als Erstes radikal verändert?
Meine Haare, die plötzlich nicht mehr nach unten hingen, son-dern nach oben standen. Ich fand das aber nie radikal, eher lustvoll. Die Frisur so hinzukriegen, ist eine grosse Kunst. Als Erwachsener denkt man immer, dass die Kinder das machen, um bei uns etwas auszulösen. Aber es ist viel schlimmer, denen sind wir schlichtweg egal.
Und deine Eltern?
Sie haben es nicht verstanden und sich Sorgen gemacht. Sie fanden, dass ich katastrophal aussehe. Trotz allem hatten sie ein Grundvertrauen in mich und mir nie etwas verboten.
Bist du deshalb früh ausgezogen?
Wir haben einfach gemerkt, dass es besser ist, wenn wir uns nicht so oft sehen. Als glücklicher Umstand kam uns entgegen, dass ich das Gymi in Frauenfeld besuchte. Da wir im Dorf keinen ÖV hatten, blieb ich die Woche über im Schülerwohnheim. Das war eine der besten Zeiten meines Lebens.
Deine grösste Jugendsünde?
Eine Dauerwelle, das machst du ein Mal und nie wieder! Und eine rosarote Brille. Das war viel schlimmer als meine Punkfrisur.
Ausgang – ein Thema?
Früh, viel, gerne, lang und intensiv. Ich habe es exzessiv genossen. So sehr, dass ich es nach meiner Gymi-Zeit nicht mehr brauchte. Danach fand ich den Kick bei der Arbeit.
Du hast das Wirtschaftsstudium in St. Gallen abgebrochen. Warum?
Ich habe schon während der Gymi-Zeit meinen Unterhalt selber verdient und für die «Thurgauer Zeitung» geschrieben, später beim Radio Thurgau gearbeitet. Als ich dann studierte, suchte das Schweizer Fernsehen für ein neues Jugendprogramm Leute. Ich habe mich beworben und mir wurde ein Job als Moderatorin angeboten. Also musste ich mich entscheiden: Job oder Studium.
Auch als «Oops!»-Moderatorin hast du kein Blatt vor den Mund genommen …
Ich wusste ja gar nicht, wie man Fernsehen macht. Man liess uns einfach mal machen, und wir waren kompromisslos. Manchmal gut, manchmal schlecht. Auf der Strasse sprechen mich heute noch Leute darauf an: «Ich bin mit dir gross geworden.» Dann fühle ich mich wie Mäni Weber, richtig alt.
2006 hast du deinen ersten Journalistenpreis erhalten, den Radio- und Fernsehpreis der Ostschweiz.
Wenn man dort ausgezeichnet wird, wo man herkommt, hat das eine besondere Bedeutung. Darum hat mich dieser Preis speziell gefreut.
Plötzlich konntest du dich vor Angeboten kaum retten. Ein Bekenntnis – zum seriösen Journalismus?
Das hat weniger damit zu tun, was man sich selber zutraut, als damit, was andere Leute in dir sehen. Jemand hat in mir das Potenzial erkannt, dass ich mehr im Kasten habe als farbige Haare. Ich bin extrem dankbar, weil ich immer wieder auf Menschen treffe, die mir eine Chance geben.
Das bringt auch Druck mit sich ...
Schlaflose Nächte gehören dazu. Man muss leiden für das, was man macht. Man muss sich stets fragen, kann ich das? Kann ich damit umgehen, wenn es schiefgeht? Diese Möglichkeit besteht, und man scheitert öffentlich.
Vor acht Jahren hast du geheiratet, bist Mutter geworden. Ein Wendepunkt in deinem Leben?
Ich sehe mein Leben mehr als Fluss. Der wendet nicht, der wechselt manchmal die Richtung, fliesst um ein Hindernis herum, breitet sich aus, dann wirds wieder etwas eng. Aber zurück zur Heirat und zu meinen Kindern. Es hat sich nichts wirklich verändert. Mein Leben ist dadurch einfach noch reicher geworden. Ich gehöre nicht zu den Frauen, die sich sicher waren, dass sie eine Familie gründen wollen. Ich hätte mir auch ein anderes Lebensmodell vorstellen können. Ich war da offen. Aber jetzt könnte ich nicht mehr ohne – das ist klar.
Du hast mal gesagt: Es war die beste Entscheidung meines Lebens.
Ich wusste einfach in dem Moment, es stimmt. Stephan ist der richtige Mann, mit dem funktioniert das, und ich selber bin auch so weit. Er brachte seinen Sohn Matteo mit in unsere Ehe und war daher schon darauf vorbereitet, Job und Familie miteinander zu organisieren. Heute teilen wir uns die Kinderbetreuung und haben zum Glück beide einen Beruf, in dem das gut geht.
Interessieren sich deine Kinder für deinen Job?
Wenn ich beruflich im Ausland bin, skype ich oft mit Matteo, Dimitri und Antonin. Wenn sie dann zum Beispiel einen Emu oder riesige Eidechsen sehen, wollen sie alles genau wissen und erzählen auch ihren Freunden davon. Das finden sie spannend.
Nach 17 Jahren ist jetzt Schluss mit deiner Radio-SRF3-«Morgenshow».
Man soll dann gehen, wenn es noch etwas wehtut. Es war eine unvergessliche Zeit, und meine Abschiedsparty war unglaublich. Ich habe unzählige Mails von Hörern bekommen und versucht, alle zu beantworten, aber ich bin kläglich gescheitert. Ich wollte auch keine Standard-Antworten schreiben. Es kamen so viele persönliche Geschichten: Im Gebärsaal, bei der Geburt unseres ersten Kindes, warst du dabei bis zum Start ins Berufsleben ... Das bedeutet mir sehr viel. Mehr als jede Auszeichnung.
Am 5. Oktober startet deine neue Fernsehsendung auf SRF 1 – «Mona mittendrin». Für einmal bist du nicht im Ausland unterwegs, sondern in der Heimat. Was erwartet uns?
Ein sehr persönlicher Blick auf den Schweizer Alltag. Ich werde in jeder Sendung ins kalte Wasser geworfen. Ich weiss nicht, wohin ich gehe, auf wen ich treffe und was mich erwartet. Alles, was ich weiss, ist, dass ich für drei Tage packen muss. Das ist ein extremer Kick. So lande ich im Gefängnis, an einem Schlagerfestival oder auch im Viererzimmer des Asylheims. Ich bin zum Teil recht überfordert und am Anschlag. Eine ganz neue Erfahrung für mich.