1. Home
  2. People
  3. Swiss Stars
  4. Sänger Jack Savoretti: «Lugano ist immer noch Zuhause für mich»
Der Sänger wuchs im Tessin auf

Jack Savoretti: «Lugano ist immer noch Zuhause für mich»

Seit mehr als zehn Jahren bezaubert der Singer-Songwriter Jack Savoretti mit seinen Liedern und seiner unvergleichlichen Stimme die Fans. Am 15. März erscheint sein neues Album «Singing To Strangers». Am 6. Mai spielt Savoretti in Zürich, tags darauf erstmals in seiner Heimatstadt: Aufgewachsen ist der Brite mit italienischen Wurzeln in Lugano, wo sein Vater immer noch wohnt. SI online hat ihn im Tessin getroffen.

Artikel teilen

Jack Savoretti

«Ich fühle mich sehr europäisch»: Singer-Songwriter Jack Savoretti.

Nik Hunger

Zum Gespräch im Hotel Principe Leopoldo hoch über Lugano kommt Jack Savoretti, 35, – der eigentlich Giovanni heisst – ohne Presseagent oder Manager, dafür mit seinem Papa. Er bestellt einen Espresso, lässt den Blick über die imposante Aussicht schweifen und plaudert munter drauflos – mal in Italienisch, mal in Englisch: «Da drüben bin ich aufgewachsen, da war unser Haus. Und dort unten bin ich zur Schule gegangen. Das war eine tolle Zeit. Ich komme leider viel zu selten hierher. Dabei lieben meine Kinder die Gegend hier genauso wie ich.»

Jack Savoretti, einer Ihrer grössten Hits heisst «Home». Sie sind in London geboren, in der  Schweiz aufgewachsen, Ihr Vater ist Italiener, Ihre Mutter hat deutsche und polnische Wurzeln, heute leben Sie mit Ihrer Familie in der Nähe von Oxford. Wo fühlen Sie sich eigentlich zu Hause?
Ich fühle mich sehr europäisch. Ich bin stolz auf diesen Mix und fühle mich privilegiert, so viele Kulturen in mir zu vereinen. Ich schätze mich glücklich, dass ich in einem der schönsten Länder der Welt aufwachsen durfte. Aber Heimat ist ein Gefühl, kein Ort. Es ist dort, wo man sich geliebt fühlt. Als Kind war das dort, wo meine Eltern waren, heute ist es da, wo meine Kinder sind.

Jack Savoretti

Ist in Lugano aufgewachsen: Jack Savoretti.

Nik Hunger

Ist Lugano trotzdem noch «Home» für Sie?
Absolut! Ich liebe Carona, wo ich aufgewachsen bin, über alles!

Sie waren acht Jahre alt, als Sie aus London ins Tessin zogen …
Ja, das war nicht ganz einfach. Mein Vater hat zuvor nicht oft Italienisch mit mir und meiner Schwester gesprochen, weil er Englisch lernen wollte, so war die Sprache nach dem Umzug eine Herausforderung für mich. Und die Schule war ganz anders. In London ging ich an eine Jungen-Schule, hier waren plötzlich Mädchen in der Klasse und niemand trug eine Schuluniform. Aber als Kind lebt man sich zum Glück schnell ein.

Wie hat Ihre Kindheit in der Schweiz Sie geprägt?
Lustigerweise habe ich das erst vor ein paar Jahren gemerkt. Ich lebte zehn Jahre lang in London, und etwas hat mich immer gestört. Erst nach dem Umzug aufs Land habe ich gemerkt, was es war: Die Natur, die Luft, die Weite, die ich aus meiner Kindheit kannte, und in der Grossstadt vermisst hatte.

Was waren Sie für ein Teenager?
Ich war sehr scheu. Zum Glück hatte ich gute Freunde. In der Oberstufe besuchte ich die amerikanische Schule in Lugano, das war toll, weil so viele Kulturen aufeinandertrafen, aber auch, weil jede Art von Kunst gefördert wurde. Ich war kein besonders guter Schüler, aber dort zählten eben nicht nur Mathe oder Geografie, sondern auch Poesie oder Musik, so fand ich heraus, worin ich gut bin und wurde sehr viel selbstbewusster.

Jack Savoretti

War sehr scheu als Teenie: Jack Savoretti.

Nik Hunger

Wann entschieden Sie, Musiker zu werden?
Ich glaube, das war gar nie ein Plan. Ich wusste nicht mal, dass es eine Musikindustrie gibt. Nach der Schule ging ich in die USA, um Film zu studieren. Songs schrieb ich nebenher. Als ich zurück nach London kam, wo meine Mutter und meine Schwester leben, traf ich auf viele Künstler und realisierte, dass Songs zu schreiben tatsächlich ein Job sein kann.

Ihr neustes Album haben Sie nun aber nicht in London, sondern in Rom aufgenommen.
Vor drei Jahren zog ich aufs englische Land – und ich kam mir noch nie so blöd vor. Die Leute haben ganz langsam Englisch mit mir gesprochen, weil sie dachten, ich sei Italiener. Das machte mir aber bewusst, dass ich eine sehr starke italienische Seite habe und dass es Dinge an mir gibt, von denen ich nicht mal wusste, dass sie echt italienisch sind.

Zum Beispiel?
Jede Mutter auf die Wange zu küssen, wenn ich meine Kinder zur Schule brachte. Ich war eine Weile lang das Dorfgespräch. (lacht) Jedenfalls fiel mir da auf, wie italienisch ich auch im Vergleich mit meiner Frau und meinen Kindern bin. Sie sind alle drei sehr britisch, wie aus Mary Poppins entsprungen. Ich realisierte, wie stolz ich auf meine Wurzeln bin und dass ich diese Italianità nicht verlieren möchte. Ich hörte wieder vermehrt italienische Musik, und die neuen Songs sind sehr von dieser beeinflusst. So entstand der Entscheid, das Album in Rom aufzunehmen.

Ich war eine Weile lang das Dorfgespräch

Es gibt einen sehr speziellen Song auf dem Album: Der Text zu «Touchy Situation» stammt von Bob Dylan, der Ihnen die Erlaubnis gab, ihn zu vertonen. Hat er je auf den Song reagiert?
Er hat mir die Erlaubnis gegeben, ihn zu veröffentlichen, also gehe ich davon aus, dass er ihn okay findet. Ich bin sehr stolz darauf.

Und dann gibt’s noch das Duett «Music’s Too Sad Without You», das sie mit Kylie Minogue geschrieben haben. Ein ziemlich grosser Unterschied zu Bob Dylan!
Vermutlich ist «Singing To Strangers» tatsächlich das einzige Album der Welt, auf dem Bob Dylan und Kylie Minogue mitgeschrieben haben. Trotzdem ist der Unterschied nicht so gross, wie man denken mag. Dylan und Kylie glauben an das, was sie tun. Wenn Kylie im Studio ist, meint sie jedes Wort, das sie singt, und das ist sehr selten.

Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?
Ich machte den Soundtrack für einen kleinen irischen Film, dessen Regisseur ein guter Freund von Kylie ist. Er fragte sie, ob sie für diesen ein Duett mit mir singen würde. Ich glaube nicht, dass sie wusste, wer ich bin, als sie zusagte. Es sollte eigentlich ein Cover von «Rivers of Babylon» von Boney M. sein, aber als wir einander trafen, hatten wir beide nicht wirklich Lust darauf. Also schrieben wir selbst einen Song. Es geht unter anderem darum, dass Kylie einen Teil ihrer Unschuld an die Musikindustrie verloren hat.

Ihnen ist das nicht passiert?
Doch, klar. Wer Musik um der Musik Willen und nicht ausschliesslich für den Erfolg machen möchte, wird irgendwann desillusioniert.

Ihnen sind Verkaufszahlen, Hitparadenplatzierungen und ausverkaufte Konzerte also egal?
Natürlich nicht, Erfolg ist grossartig – wenn ich ihn mit der Musik habe, die ich machen möchte. Aber nur die Musik zu machen, von der ich denke, dass sie mich in die Charts bringt, ist nicht das, was ich möchte.

Das Album heisst «Singing To Strangers». Das klingt nach einem einsamen Job.
Das stimmt. Die Idee stammt von meiner Tochter, die Freunden erklärte, womit ihr Daddy sein Geld verdient: «Er singt für fremde Leute.» Das ist zuweilen einsam, aber nicht nur für mich, sondern auch für die Leute im Publikum. Denn obwohl man in einer Menge steht, konzentriert man sich auf den Künstler auf der Bühne, den man eigentlich nicht kennt. Aber am Ende des Tages bin ich einfach ein Entertainer, und ich hoffe, ich unterhalte die Leute gut.

Jack Savoretti

Findet Erfolg grossartig - und Lugano ebenso: Der Sänger posiert oberhalb Luganos. 

Nik Hunger

Nehmen Sie Ihre Familie mit auf Tour?
Nein, die Kinder müssen zur Schule und meine Frau hasst es! Verständlich. Warum sollte sie es toll finden, in einem Tourbus mit zwölf Typen rumzureisen und in einem Etagenbett zu schlafen. Das Tourleben ist nicht sehr glamourös. Aber irgendwann möchte ich die Kinder mitnehmen, sie lieben Musik und finden den Tourbus lustig.

Ihre Frau Jemma Powell ist Schauspielerin. Sind Ihre Kinder eher schauspielerisch oder musisch begabt?
Connie ist sieben, Winter drei, und sie sind definitiv zwei kleine Schauspieler! Mein Sohn ist ein kleiner Comedian und das Leben meiner Tochter scheint zuweilen eine einzige Tragödie! (lacht). Aber ich glaube, jedes Kind ist ein Künstler. Wir pushen sie nicht. Bei uns zu Hause stehen jede Menge Instrumente rum, aber sie haben keinen Unterricht. Sie sollen selbst entscheiden, was sie wollen. Ich hoffe, sie werden beide Ärzte!

Und wenn sie Musiker werden möchten?
Dann hoffe ich, sie fallen so schnell wie möglich auf die Schnauze. Denn das ist der beste Weg zu lernen. Je jünger du bist, desto schneller stehst du wieder auf. Dann weisst du später, wie das geht.

Im Mai treten Sie zum ersten Mal in Lugano auf.
Darauf freue ich mich extrem!

Wird Papa in der ersten Reihe stehen?
Das hoffe ich doch. Dabei bin ich nicht mal sicher, ob die Leute wirklich wegen mir kommen, er kennt die ganze Stadt!

Haben Sie noch alte Freunde in Lugano?
Ja, es gibt einige Schulfreunde, die hier geblieben sind und eine Familie gegründet haben. Ich hoffe natürlich, sie kommen zum Konzert.

Familienbloggerin Sandra C.
Sandra CasaliniMehr erfahren
Von Sandra Casalini am 23. Februar 2019 - 15:17 Uhr