A Star is born, das schrieb Janika Sprunger am 1. März dieses Jahres auf ihre Facebook-Seite. Es ist der Tag, an dem Janika zusammen mit Stute «Bonne Chance», das erste Turnier, einen Grand Prix auf der Sunshine-Tour in Spanien, gewinnt. Es ist der Moment, an dem die Springreiterin verblüfft feststellt: «Bonnie und ich, das funktioniert. Bei ihr ist plötzlich ein Knoten geplatzt. Ich stand mit offenem Mund da, ich hätte nie gedacht, dass sie so schnell so grosse Fortschritte macht.» Die leisen Zweifel, ob die erst neunjährige Stute nach dem ersten Exploit auch die nötige Konstanz hat, eine ganze Saison erfolgreich zu springen, schwinden von Turnier zu Turnier.
An der EM in Aachen Ende August läuft es nach Wunsch: Janika und Bonnie tragen einen grossen Teil zu EM-Bronze im Team und der Olympiaquali für Rio bei. «Wir sind schlecht gestartet, konnten uns dann aber zusammenraufen», erzählt Janika. «You are my little hero», du bist mein kleiner Held, freut sich Janika auf Facebook über den EM-Erfolg und überlässt ihrer Bonnie erneut das Rampenlicht. Was für Sprunger mindestens so wichtig ist wie Medaillen und Platzierungen: Das gute Gefühl ist zurück, die spezielle Bindung zwischen Pferd und Reiterin. «Wenn wir uns gegenseitig verstehen und vertrauen. Wenn sie auf mich eingeht, auf meine Hand hört und auf meine Sitzhilfe reagiert. Das ist ein unbeschreibliches Gefühl.» Wenn Janika über diese starke Verbindung spricht, leuchten ihre Augen. Man spürt, wie sehr sie sich danach gesehnt hat. Denn Janika weiss, wie es ist, wenn Mensch und Tier perfekt harmonieren.
DAS MILLIONENANGEBOT
Schon vor zwei Jahren ritt Janika Sprunger mit dem Wallach «Palloubet d’Halong», den sie seit jungen Jahren aufgebaut und geritten hatte, auf einer Erfolgswelle. Mit Pallou sprang sie am prestigeträchtigen Grand Prix von Aachen auf den zweiten Platz und damit mitten in die Weltspitze. Danach wurde ihr Höhenflug abrupt gestoppt: Ihr Pallou wurde für 11 Millionen Franken an einen holländischen Pferdehändler und später nach Katar verkauft. Ein Angebot, das Janikas Sponsor und Besitzer des Pferdes, der Unternehmer Georg Kähny, nicht ausschlagen konnte.
Der Verlust ihres Pferdes hatte für die talentierte Reiterin sportliche Konsequenzen: Wegen des guten Rankings in der Weltrangliste wurde sie nach wie vor an die besten Turniere eingeladen. «Da versuchte ich mein Bestes, aber ich wusste auch, dass ich gar keine Chance habe. Das war schon frustrierend.» Denn ein guter Reiter oder in diesem Fall eine Reiterin, ist nichts ohne ein gutes Pferd. Sportlich gesehen, mache die Leistung des Tieres etwa 60 Prozent aus, weil es die physische Leistung erbringe. Dass man sich gute Resultate aber auch im Reitsport, wo viel Geld im Spiel ist, nicht erkaufen kann, zeigt der Fall ebenfalls: Palloubet wurde seit dem Verkauf aus Sprungers Stall an keinem wichtigen Turnier mehr gesichtet. Ein Spitzenpferd ist eben nichts ohne den passenden Reiter.
Was Sprunger viel mehr schmerzte als das Ausbleiben der Resultate, war die emotionale Komponente: «Es war hart für mich, Pallou wegzugeben. Ich vermisse ihn noch heute. Und es gab eine Zeit, da dachte ich, werde ich überhaupt je wieder ein Pferd finden, mit dem ich so gut harmoniere?» Diese Frage muss sie sich jetzt nicht mehr stellen. Dafür kommen andere auf: Ist es ein Segen, dass sie nur zwei Jahre später mit «Bonne Chance», der Halbschwester von Palloubet, ein zweites Mal geschafft hat - was andere ein ganzes Leben lang versuchen -, ein für sie perfektes Springpferd zu finden und aufzubauen? Oder ein Fluch, dass durch ihre gute Arbeit und die Erfolge der Wert des Pferdes stetig steigt und vielleicht schon bald wieder ein Millionenangebot kommt? «Das kann theoretisch schon morgen passieren», sagt Sprunger trocken. Denn die Stute würde genau dem modernen Springsport entsprechen: jung, schnell, flink, intelligent und belastbar. Für den Moment sei ein Verkauf aber ausgeschlossen, ist Sprunger überzeugt. «Ich habe diese zweite Chance bekommen, und die will ich jetzt unbedingt nutzen.»
MIT ZWEI AUF DEM PFERD
Dass Janika ein ausserordentliches Gespür für die Tiere hat, kommt nicht von ungefähr. Die Liebe für den Pferdesport liegt bei Sprungers in der Familie, Mutter Dominique ist Reitlehrerin, Vater Hansueli war selber erfolgreicher Springreiter und betreibt mit seiner Tochter das Reitsportzentrum Galms in Lausen BL. «Dort sass Janika schon als Zweijährige im Spagat auf dem Pferd», erzählt ihre Grossmutter. Danach feiert die talentierte Reiterin im Nachwuchs- und schliesslich im Juniorenbereich erste Erfolge und reitet seit 2009 an internationalen Turnieren mit. Seit dem Abschluss der Matura, als sie ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht hat, dreht sich in Janikas Leben praktisch alles um den Sport. So erstaunt es nicht, dass auch ihr Freund - der Italiener Piergiorgio Bucci - ein Spitzenspringreiter ist. «Ich könnte es mir nicht vorstellen, mit jemandem zusammen zu sein, der nicht reitet. Denn das ist ja alles, was ich erlebe, denke, fühle, und das möchte ich mit meinem Partner teilen. Wir können uns so auch gegenseitig unterstützen.»
Um es als eine der ganz wenigen Frauen in einem männerdominierten Sport an die Weltspitze zu schaffen, ist ein grosser Aufwand nötig. Die Idylle von Ponyhof und Pferdeferien täuscht. Das Leben als Spitzenreiterin sei körperlich anstrengend, das Training, die Reisen, die Turniere, und auch logistisch eine grosse Herausforderung. Während Vater und Tochter Sprunger jeweils im Ausland an Turnieren unterwegs sind, kümmern sich zwei Pferdepfegerinnen zu Hause im Reitzentrum um das Wohl der anderen Tiere. Janika ist die Chefin des Teams - eine «sehr strenge» dazu, wie sie selber zugibt. «Anders funktioniert es nicht. Es ist ein knallhartes Business. Und ich habe eine grosse Verantwortung gegenüber meinen Tieren, gegenüber meinem Vater und meinem Sponsor.» Auf ihren zierlichen Schultern lastet ein grosser Druck. Mit ihren Erfolgen beweist die junge Frau, dass sie damit umzugehen weiss.
GLÜCKSBRINGER IM GEPÄCK
Vielleicht ist die Mischung aus Feinfühligkeit und Strenge das Erfolgsgeheimnis von Janika Sprunger. In der Arbeit mit ihrem Team sowie auch mit den Pferden. Im richtigen Moment aufs Gas zu drücken, sich und Bonnie zu pushen und im richtigen Moment eine Pause einzulegen. So wie sie es an der EM in Aachen getan hat, wo sie nach dem Teamerfolg zum Wohl des Tiers aufs Einzelspringen verzichtet hat. «Ich gebe Bonnie jetzt einen Monat Pause. Das ist wichtig, auch im Hinblick auf Olympia.» Ob Janika von einer Medaille in Rio träumt? «Im Einzel wäre es vermessen, aber im Team wäre das natürlich schon ein Traum. Aber zuerst muss ich mich mal intern qualifizieren.» Was jetzt schon sicher ist: In Janikas Gepäck für Rio dürften zwei Sachen auf keinen Fall fehlen: Nüsse als Snack vor dem Wettkampf. «Sie sollen die Konzentration fördern.» Und ihre Glücksreiterhose: «Ich kann sie ja nicht immer anziehen, aber dann, wenn es wirklich wichtig ist.» Damit auf ihrer Facebook-Seite auch bald die nächsten Erfolge vermeldet werden können.
Dieser Artikel stammt aus der neuen Ausgabe «SI Sport» - seit 11. September mit der «Schweizer Illustrierten» am Kiosk, auf Ihrem iPad oder im Webreader.