Etwa so muss es sich anfühlen, als kleiner Zuckerkristall in einer flauschigen Zuckerwatte zu leben: das Haus am Dorfrand von Spreitenbach AG, in der Miss Schweiz Jastina Doreen Riederer, 19, aufgewachsen ist, duftet süss. Alles ist hell, weich und rosarot.
Der plüschige Teppichboden schluckt die Geräusche, alle Ecken der Wohnung sind mit gerüschten Kissen, Puppen und antiken Schmuckstücken ausstaffiert. Sogar die Pfannen glitzern in Pastellpink. Dieselbe Farbe übrigens, in der die Detailhandelsfachfrau am Samstag bei ihrer Krönung zur schönsten Frau der Schweiz geglänzt hat. «Mein Mami hat unser Haus eingerichtet. Mein eigenes würde genau so aussehen!»
«Das ist viel zu persönlich.»
Das lebensgrosse Puppenhaus, in dem Jastina und ihre Mutter Teresa, 56, als Frauen-WG leben, ist nicht gerade die Art Zuhause, die man im Industriestandort Spreitenbach erwartet. Es sorgt für Aufsehen. Während der Schulzeit litt Jastina unter den neidgeprägten Hänseleien. Man schmierte ihr Kaugummi ins Haar und foppte sie. «Das sollte kein Kind erleben. Deswegen will ich mich in meinem Amtsjahr gegen Mobbing stark machen!»
Auch für Mädchen will Jastina ein Vorbild sein. «Ich definiere mich als Feministin, weil ich finde, dass jede Frau den Mut haben sollte, sich wohlzufühlen, so wie sie ist. Das ist meine Botschaft.» Jedoch verurteilt Jastina niemanden dafür, der Natur in Sachen Schönheit auf die Sprünge zu helfen. «Wenn jemand Schönheitsoperationen machen will, finde ich das ok.» Sie selbst musste noch vor ihrer Wahl mittels Foto beweisen, dass sie ihre voluminös geschwungene Oberlippe angeboren ist. Ob ihr Körper auch sonst völlig natürlich ist, verrät die Schönheit nicht. «Das ist viel zu persönlich.»
Der Kontakt zum Vater brach ab
Diesen Satz sagt Jastina oft. Auch wenn sie auf ihren Vater angesprochen wird. Bis vor einem Jahr hatte der Spreitenbacher Logistik- und Immobilienunternehmer mit seinen Frauen im Puppenhaus gewohnt. Dann aber habe er sich gegenüber Teresa «sehr unfair» verhalten. Er musste gehen, Jastina, deren Name «die Gerechte» bedeutet, brach den Kontakt ab. Bis zur Wahlnacht.
«Nach meinem Sieg hat sich Papa bei mir gemeldet, um mir zu gratulieren», sagt die Miss Schweiz. «Das hat mich doch gefreut. Jedes Kind ist glücklich, wenn es seine Eltern stolz machen kann.» Versöhnung in Sicht? «Ich will mich nicht festlegen. Sicher ist, dass ich nicht sehr nachtragend bin und einen eher versöhnlichen Charakter habe.»
Die Mutter als Vorbild
Charakterlich sei Jastina ihr eigenes Ebenbild, sagt Mama Teresa. Die beiden tragen sogar dasselbe Tattoo, ein Mäscheli, um ihre innige Verbundenheit auszudrücken. «Meine Jüngste war mir von meinen drei Kindern schon immer am nächsten. Jastina verwirklicht alles, wovon ich geträumt habe.» Im Gegenzug verwöhnt Teresa ihre Tochter mit Liebe. «Im Haushalt helfen muss sie nicht, ich bin schliesslich eine echte italienische Mama», sagt die Sizilianerin.
Die 88-Zentimeter-Mähne ihrer Tochter pflegt Teresa zeitaufwändig mit handgemachten Haarmasken aus Olivenöl von der familieneigenen Plantage in Sizilien. «Sonst lasse ich niemanden an meine Haare», sagt Jastina. Welches Geheimnis hinter ihrer Haarpracht steht, erfahren Sie im Video:
Sie dankt Gott
Die Schönheitskönigin weiss ihr privilegiertes Leben zu schätzen. Sie gehöre zwar keiner Religion an, stelle sich jedoch einen personifizierten Gott im Himmel vor. Und jeden Abend bevor sie in ihr rosarotes Himmelbett steige, bedanke sie sich bei ihm für ihre Familie und ihre Gesundheit. «In der Wahlnacht habe ich mich auch für die Krone bedankt. Danke zu sagen, ist mir wichtig.»
Ihr Amtsjahr will Jastina nutzen, um die Schweiz besser kennenzulernen. Es gäbe noch viele Bereiche, in denen sie sich gerne mehr Wissen aneignen würde. Zum Beispiel die Politik. Sie kann weder die sieben Bundesräte aufzählen, noch hat sie je von ihrem Recht, abzustimmen, Gebrauch gemacht, das gibt sie freimütig zu. «Ich bin erst 19 und muss noch nicht alles wissen. Wichtig ist, dass ich grosse Lust habe, dazuzulernen.»
Die Liebe lässt auf sich warten
Nur die Liebe fehlt in Jastinas Leben. «Ich hatte noch nie einen Freund, aber ich würde mich freuen, wenn bald der Richtige kommt.» Ein Traumprinz könnte ihr Herz mit Humor erobern. Und - das ist ganz wichtig - mit sympathischen Augen. «Die Augen sind das Tor zur Seele», ist Jastina überzeugt. Ihre eigenen Augen, mystisch, dunkel, mandelförmig, umrahmt von einem Kranz aus langen schwarzen Kunstwimpern, funkeln vor Glück.