Silvia Rymann, 51, fällt aus dem Rahmen. Als einzige der sechs Geschwister wohnt sie nicht mehr in Giswil OW, sondern 25 Autominuten entfernt in Kriens LU. «Ihr hättet wohl lieber, ich würde im sonnigen Florida leben», neckt sie ihren Bruder Peter Rymann, 43, und Schwester Annemarie Berchtold-Rymann, 52, die heute auf Besuch sind. Die drei jüngsten Kinder von Jodler Ruedi Rymann, †75, bilden die Formation Geschwister Rymann.
Mindestens zweimal pro Woche sehen sie sich. «Zum Proben, Organisieren oder einfach zum gemütlichen Beisammensein. Es fliesst bei uns alles ineinander», so Annemarie Rymann, die in Giswil einzig von der einen Talseite auf die andere gezogen ist. Donnerstags wird jeweils bei Peter geprobt, der das Elternhaus in Giswil nach Vaters Tod übernommen hat. Nur ein Jahr nachdem sein Lied «Dr Schacher Seppli» zum «Grössten Schweizer Hit» erkoren worden war, starb Ruedi Rymann 2008 an Krebs.
Im 3600-Seelen-Dorf Giswil sind die Rymanns bekannt. «Aber selbst in Kriens werde ich noch täglich auf Vater angesprochen», erzählt Silvia. Bruder Peter kennts: «Es gibt immer irgendjemand, der vor 30 Jahren einmal neben ihm am Beiztisch gesessen hat. Er war eben gsellig und bescheiden.» Der Nachwuchs ist da nicht anders. Gemeinsam diskutieren sie bei Kaffee und Kuchen die Gestaltung ihres neuen fünften Albums «Liäbi Tön», das am 21. Januar erscheint. Die Geschwister schweifen aber immer mal wieder in andere Themen ab. Auch im Auto, wenns zu Auftritten geht, reden sie oft über aktuelle Geschehnisse, wie schon damals mit dem Vater.
Vaters Jodel hörten sie bereits in der Wiege. Selber traten Silvia und Annemarie – «wir waren früher wie Zwillinge und haben uns sogar ähnlich angezogen» – erst 1983 auf, und zwar zu Ruedi Rymanns 50. Geburtstag. «Wir sangen nicht lupenrein, aber ihn hat es gefreut. Er hat sowieso lieber naturmässig als nach Noten gejodelt.» Einzig Nachzügler Peter – «ich stand acht Jahre nach Silvia nicht mehr auf dem Plan» – musste auf Wunsch der Eltern und als einziger Sohn schon früh ein Instrument lernen. Es folgten drei Jahre Flötenunterricht bei Schwester Grazia-Maria. «Den Takt hat sie mir immer mit dem Finger auf den Kopf getippt. Da dachte ich oft: Sie kommt sicher nicht in denselben Himmel wie ich.» Erst als er Schwyzerörgeli lernen und mit anderen musizieren durfte, hats ihn gepackt.
Peter stimmt in Silvias Stube «Häb Dank» an, die zwei voluminösen Jodelstimmen seiner Schwestern gesellen sich dazu. Trotz den vielen Anfragen für runde Geburtstage oder TV-Auftritte ist die Musik für alle ein Hobby geblieben. Annemarie arbeitet Teilzeit in der Cafeteria im Altersheim, Silvia ist beim Migros-Kundendienst tätig und gibt zudem Jodelunterricht, Peter montiert Sprinkleranlagen. «Nebenbei dies alles mit den Geschwistern zu tun, ist ein Privileg», sagt er. «Wir haben natürlich einiges unserem Vater zu verdanken. Den Erfolg haben wir uns aber erarbeitet, denn singen müssen wir immer noch selber.»
Sie sind stolz, Rymanns zu sein, und singen auch gerne Vaters unzählige Kompositionen und Vermächtnisse wie «Gemsjäger» oder eben «Dr Schacher Seppli» auf der Bühne. Nur im Radio läuft auch zehn Jahre nach dem Tod noch immer nur die Version ihres Vaters.
Dieser Text erschien am 2. Februar 2018 in der «Schweizer Illustrierten». Am 19. Juni 2019 verstarben Annemarie Berchtold-Rymann und ihr Mann Peter nach einem Töff-Unfall auf Sardinien.