Als Jolanda Neff im September zum ersten Mal Luca Shaws Haus betritt, stehen dort genau ein Bett und zwei Koffer. Einen Tag zuvor erst ist er in das Haus in Pisgah Forest, North Carolina, eingezogen. «Nicht einmal eine Kaffeemaschine gabs», sagt Neff lachend. Einen ganzen Monat verbringen die beiden zusammen im Osten der USA: keine Termine, kein Stress. Bloss ein wenig trainieren, Motocross fahren, das Haus einrichten und sich von der intensiven Saison erholen, steht auf dem Programm.
Ihre Liebe ist spürbar
Die Hauptsache aber: ganz viel Zeit miteinander verbringen. Die Mountainbikerin, 25, und der Downhiller, 21, sind schwer verliebt. Keine Sekunde können sie die Hände voneinander lassen, lachen, knutschen oder umarmen sich, als sie im «Atlantis Giardino» in Zürich frühstücken. Hier haben sie übernachtet, denn momentan steht eine ganze Reihe Events in der Schweiz auf dem Programm.
Schon vor Jahren hat Jolanda Neff aus Thal SG die Mountainbike-Welt erobert, mehrfach den Gesamt-Weltcup gewonnen, ist Welt- und Europameisterin. Mit ihrer fröhlichen, offenen Art und ihren Wahnsinnsfähigkeiten auf dem Velo hat sie sich längst in die Herzen der Fans gefahren.
Extrem verliebt und glücklich
Vor Luca Shaw schaffte es aber lange kein Mann, ihr eigenes Herz zu erobern. «Ich liebte es, mein Leben zu leben, habe gar nichts vermisst.» Sie widmet sich dem Sport, beginnt ein Studium, das sie mittlerweile aus Zeitgründen wieder abgebrochen hat, bereist die Welt. Als sie in diesem Sommer auf Luca trifft, ist es dann aber der richtige Zeitpunkt: In ihrem Leben läuft alles rund, sie fühlt sich gut und kann ihn ganz entspannt kennenlernen. «Nun geniesse ich die Zeit wahnsinnig, es ist wunderbar.» Beinahe fehlen der so eloquenten St. Gallerin die Worte. Neffs Gefühlswelt ist eine der Extreme, sie hat auch keine Angst, Gefühle zu zeigen – und im Moment ist sie extrem verliebt und glücklich.
Kennengelernt haben sich Neff und Shaw im Juli. Es ist Weltcup im italienischen Val di Sole. Neffs Kollegin möchte ein Käppi der Bikemarke Santa Cruz, traut sich aber nicht zu fragen. Also begleitet Jolanda sie zum Zelt der Marke, in dem Luca steht. Neff denkt, er sei ein Mechaniker, und fragt nach einem Käppi. Shaw macht sich ausgiebig auf die Suche, findet aber keines und verspricht den beiden, abends im Hotel nachzusehen. «Wow», sagt Neff danach zu ihrer Kollegin. Sie ist beeindruckt vom Aufwand, den Shaw wegen des Käppis betreibt – und von seinem Aussehen.
Auch Shaw denkt «Wow». Er weiss aber sehr wohl, wer da bei ihm im Zelt steht, und findet Jolanda schon lange «supersüss». Tags darauf geht Neff wieder vorbei; mittlerweile weiss sie, dass Luca in seiner Disziplin Downhill-Biken auch zu den Besten der Welt gehört – und beim nächsten Weltcup verabreden sie sich.
Zwischen Weltcuprennen und Zweisamkeit
In den folgenden Wochen treffen sie sich vor, während und nach Weltcuprennen, lernen sich immer besser kennen. Seit wann sie genau zusammen sind, wissen sie nicht, die Beziehung hat sich einfach entwickelt. Begeistert voneinander waren sie vom ersten Moment an, «aber je länger ich ihn kenne, desto mehr gefällt er mir», schwärmt die Ostschweizerin.
«Er ist ein umwerfender Mensch, immer aufgestellt und sehr herzlich. Und ich kann mit ihm alles besprechen.» Als sie in den USA gemeinsam Motocross fahren – sie zum ersten Mal auf einem Rundkurs –, bleibt er bei ihr, gibt Tipps, kümmert sich. Das beeindruckt sie.
Shaw wächst in einer bikeverrückten Familie mit einer belgischen Mutter und einem amerikanischen Vater nahe seines heutigen Wohnorts und dem Nantahala National Forest auf, der endlose Bikemöglichkeiten bietet. Als Kinder fahren er und sein Bruder BMX, später zieht es Luca zum Downhill. Die Eltern, die den Radsport nahe verfolgen, sind ganz aus dem Häuschen, als ihr Sohn ausgerechnet Jolanda Neff mitbringt.
Das Powerpaar kann auch entspannen
Gibts denn bei diesem Powerpaar auch mal eine ruhige Minute? «Definitiv. Manchmal schmieden wir ambitiöse Pläne und machen schlussendlich gar nichts», sagt Shaw. Er findet es attraktiv, dass Jolanda ihre Karriere so ernst nimmt und viel dafür tut. «Aber eigentlich gibt es nichts, was ich an ihr nicht mag. Wir geniessen einfach die Zeit miteinander.» Und natürlich hat er noch ein Käppi für Jolandas Kollegin aufgetrieben – und diese wollte prompt das Autogramm von beiden drauf.
In den kommenden Monaten entscheiden ihre Agenden, wie oft sie sich sehen. Neff weilt für einen Monat in Neuseeland im Trainingslager, Shaw reist mit seinem Team Santa Cruz Syndicate für ein Rennen nach Australien, besucht Neff auf der Heimreise noch auf der Nachbarinsel. Danach wird er in den USA trainieren, wo es etwas wärmer ist, während Neff in Europa Quer-Rennen fährt.
Der Vorteil aber ist, dass sie beide fast überall auf der Welt trainieren können und damit flexibel sind. Und so nutzen sie jeden Moment, der sich ergibt. Zum Beispiel für einen Zweitagestrip nach Paris nach all den Terminen in der Schweiz. La vie est belle!