SI Gruen: Für die meisten bist du, spätestens seit deiner Joiz-Sendung «Knack Attack», einfach nur der «Knack». Wann bist du David Kohler?
Knackeboul: Meine Freunde nennen mich David oder Dävu. Meine Freundin sowieso. Knack ist der Quirlige, der Blödler auf der Bühne mit seinen Loops und dem Freestyle. Privat bin ich gern David. Die Leute, die mich kennen, wissen, dass ich auch ruhige, nachdenkliche, fast schon grüblerische Züge habe. Die versuche ich immer öfter zu zeigen.
Ein Symptom des Erwachsenwerdens? Obwohl, du hast mal gesagt, in deiner Vorstellung bist du immer ein Bub…
Vielleicht zeichnet es das Erwachsenwerden gerade aus, dass man zu seiner kindlichen Seite stehen kann. Das denk ich oft bei gewissen Firmenbossen: Ich hoffe, dass die sich privat nicht immer so verdammt erwachsen benehmen!
Du selbst hast den Jugendsender Joiz verlassen. Fürs Online-Portal Watson fügst du nun News zu schrägen Videobeiträgen zusammen, kommentierst sie. Gefällt dir der neue Job?
Ich habe heute mit meinem Bruder telefoniert. Er macht mein Management, war dem Watson-Projekt gegenüber anfangs sehr kritisch. Es war ihm zu zynisch, zu wild. Nun hat er sich die ersten neun Folgen angeschaut und mir ein grosses Kompliment gemacht. Für mich ist Watson ziemlich genau das, was ich machen will. Noch ist die Sendung kein Hype, ein paar tausend Leute schauen sie sich an. Aber es ist eine Dynamik da. Als Kontrollfreak bemerke ich jeden Like, jedes Abspielen meines Videos. Und freue mich darüber.
Du hast auch eine kleine Dok über deinen Besuch in einer Asylunterkunft gedreht. Macht Knack bald Filme?
Ich hab ja Musik- und Medienkunst an der HKB in Bern studiert. Da lernte ich Klavier spielen, im Studio arbeiten, performen. Manchmal find ichs schade, dass ich vor allem auf Musik gesetzt hab. Ich hätte mehr Filme machen sollen. Ich würde auch gern mal in einer guten Komödie mitspielen. Oder selbst eine produzieren! Schon als Kind wollte ich die Leute primär unterhalten und einfach nur lustig sein.
Oft nimmst du auch die Rolle des Gutmenschen ein, setzt dich via Social Media für mehr Solidarität ein…
Mir ist bewusst, wie privilegiert ich bin - wie privilegiert wir sind! Und als kritisch denkender westlicher Mensch habe ich deswegen oft ein schlechtes Gewissen.
Woher kommt diese soziale Ader?
Geprägt hat mich sicher die Kindheit in Portugal. Meine Eltern haben für ein christliches Hilfswerk gearbeitet, organisierten Programme für Slum-Kinder. Ich freundete mich mit ihnen an. Aber im Gegensatz zu ihnen konnte ich abends nach dem Spielen in ein sauberes Zuhause mit fliessendem Wasser und genug Essen auf dem Tisch. Das fand ich schon damals ungerecht.
Du bist zehnjährig in die Schweiz zurückgekehrt. Es heisst, du wurdest als dicker Junge in der Schule gehänselt.
Die Rückkehr war nicht einfach. Ich kam quasi als Ausländer in die Schweiz, war ein Pummelchen - und wurde von einigen gemobbt. Zum Glück war ich schlagfertig genug, mich zu wehren.
Einer deiner Songs handelt von deinem Vater, dem Missionar, der deine Mutter, dich und deine vier Geschwister verlassen hat. Bist du immer noch ein gläubiger Mensch?
Das mit dem Missionar war eher plakativ, mein Vater wollte einfach den Glauben in die Welt tragen - deshalb hat er uns verlassen. Natürlich prägt es, wenn für dich jahrelang Realität ist, dass es einen Gott und einen Himmel gibt. Ich dachte immer, ich sei ein gläubiger Mensch, aber vermutlich habe ich lange Zeit meine humanistische Ader mit Glauben verwechselt. Wenn ich momentan schaue, was Glaube und Religion auf der Welt anrichten, zweifle ich: Das kann nicht die Idee hinter dem Ganzen sein! Deshalb bezeichne ich mich heute eher als Rationalist. Mit Freunden von früher oder meinem Vater diskutiere ich deshalb oft.
Du unterstützt Hilfswerke, bist Botschafter von Viva con Agua. Wie kam es dazu?
Viva con Agua wurde ja vor rund zehn Jahren von einem FC-St.-Pauli-Fussballer gegründet, um Drittweltländern den Zugang zu sauberem Trinkwasser zu ermöglichen. Mittlerweile gibt es einen Schweizer Ableger, der geleitet wird von einem Freund von mir. Ich wollte schon länger mithelfen, mir die Wasserprojekte anschauen, darüber berichten. Letztes Jahr hat es geklappt, ich war 15 Tage in Mosambik, wohnte bei einer Familie, durfte zusehen, wie die Brunnen gebaut werden. Das war enorm eindrücklich! Viva con Agua entspricht eben auch meiner Philosophie von Helfen.
Warum?
Weil dieses Hilfswerk junge westliche Leute wie mich so nimmt, wie wir sind: weder komplett alternative Weltverbesserer noch konsumorientierte Egoisten, sondern irgendwas dazwischen. Man hat ein iPhone, macht gern Party, tut aber auch mal was Gutes - in einem realistischen Rahmen. Hier holt Viva con Agua die Jungen ab, etwa mit dem Geschirrdepot an Musik-Festivals, das man spenden kann. Helfen muss nicht zwingend revolutionär und politisch sein.
Du selbst bist aber politisch, gibst online auch mal Abstimmungsparolen raus. Warum kandidierst du nicht gleich für eine Partei?
Ich würde eher eine gründen als einer beitreten.
Und wie würde die heissen?
Juhu! Junge humanistische Partei.
Eine linke Partei.
Das hat nichts mit links oder rechts zu tun. Aber es wäre sicher eine offene, menschenfreundliche Partei. In einer Zeit, in der in vielen Ländern alles vor die Hunde geht, ist es eine schlechte und egoistische Idee, sich zu verschliessen.
Wie grün bist du?
Politisch gesehen sympathisiere ich mit den Grünen. Im Alltag bin ich der Wellenbewegungsmensch, mal lebe ich sehr bewusst, dann werfe ich alle Vorsätze über Bord. Aus Tierliebe und ökologischen Gründen war ich eine Zeit lang Vegi, gönnte mir dann ab und zu wieder Fleisch - dann hats eingerissen. Im Moment achte ich wieder besser darauf, esse kaum Fleisch, dusche nicht zu lange, spare Strom…
Dein Loopboard namens Gudrun hat aber noch kein Solarstrom-Aggregat, oder?
Nein, aber Gudrun erspart mir eine ganze Band, sie ist also sehr umweltfreundlich (lacht).
Dein ökologischer Fussabdruck ist also ganz gut?
Ich gebe mir Mühe, fahre meistens Zug oder Velo und nur selten Auto. Aber ich reise gern, fliege in den nächsten Wochen durch die Welt, um in verschiedenen Red-Bull-Studios Songs für mein neues Album einzuspielen. Das ist sicher nicht besonders ökologisch! Entsprechend kann ich nicht gegens Fliegen sein. Aber ich bin dafür, dass man die Forschung vorantreibt, neue Treibstoffe entwickelt.
Wärst du bereit, dafür auch mehr zu bezahlen?
Ja. Mir ist klar, dass ich da privilegiert bin. Meine Freundin und ich können es uns leisten, im Bio-Laden einzukaufen. Meine Mutter, allein mit fünf Kindern, konnte das nicht.
Wenn du einen Recycling-Song schreiben müsstest, wie würde die erste Zeile lauten?
Käs Problem, ich säge, dä Knäcki seids gschwing, ich bi de König, säged mer Recy-King!
Macht dich eigentlich auch mal etwas sprachlos?
Oh ja, da gibts viele Dinge! In der Schweiz ärgere ich mich oft, dass wir uns so viele Verhaltensregeln selbst auferlegen. Dieses «So macht man das». Ein junger Mann hat sich genau so zu benehmen, eine Hochzeit hat so abzulaufen, bei Schulabschlussfeiern gibt es immer Ansprachen von langweiligen Menschen. Das find ich schade, wir sind doch individuelle Menschen, und für alles gibts eigene Lösungen. Genauso ärgere ich mich über Verallgemeinerungen, wenn es zum Beispiel heisst, dass Jugendliche überall den Abfall liegen lassen.
Ist die junge Generation umweltbewusster, als man meint?
Es gibt beides - die, die sich noch weniger für die Umwelt interessieren als die Generation davor. Aber auch jene, die kreativ sind, sich engagieren. Dafür, dass Jugendliche heute in eine Konsumwelt hineingeboren werden, in der man permanent gesagt bekommt, dass man schön, reich und erfolgreich sein muss, schlagen sich viele echt ganz gut.
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Von Nina Siegrist am 11. Juni 2015 - 05:15 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 16:06 Uhr