Zwei Minuten vor dem Interview zündet sich Mike Müller, 50, eine Zigarette an. «Mein grösstes Laster», verrät der Solothurner. Weniger Mühe hat er mit seinem dicken Bauch. Ihm ist wichtiger, dass er seine Rolle gut spielt. So auch die des Luc Conrad im SRF-Krimi «Der Bestatter».
Schweizer Illustrierte: Mike Müller, Sie sind TV-Bestatter, moderieren mit Viktor Giacobbo eine Satiresendung, machen Kino und Theater - was treibt Sie so ins Rampenlicht?
Mike Müller: Es ist eine Form von «Rampensäuigkeit». Man muss das mögen: rausgehen und etwas vor anderen Leuten machen. Auch wenn eine gewisse Angst da ist, muss der Wunsch, auf der Bühne zu stehen, grösser sein. Lange habe ich aber gar nie daran gedacht, dass das eines Tages tatsächlich mein richtiger Beruf sein würde.
Wann ist denn diese «Rampensäuigkeit» erstmals aufgetreten?
Als ich in der Schule vorne stand, ein Gedicht vortrug und nebenbei den Löli machte… Dann lacht da plötzlich die ganze Klasse, und der Lehrer gibt dir erst noch eine gute Note. Das waren schon Erfolgsmomente und sicher entscheidend für meinen weiteren Weg. Ein Schauspieler will bei den Leuten ankommen und geliebt werden.
Im Fernsehen bestatten Sie momentan wieder Leichen. Was passiert mit Ihnen, wenn Sie dereinst unter der Erde liegen?
Keine Ahnung. Ich mache mir keine Gedanken über die Zukunft, das habe ich komischerweise noch nie getan. Den Tod im täglichen Leben zu sehen, finde ich sowieso schwierig. Aber ich kann sagen: Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod.
Also dann rein hypothetisch: Als was würden Sie gern wiedergeboren werden?
Ich glaube, ich würde noch mal genau dasselbe machen und als Mike Müller wiederkommen. Nur zwei, drei Sachen würde ich dann vielleicht noch besser machen - was, sage ich jetzt aber nicht!
Sie haben während Ihres Philosophiestudiums nebenbei als Totengräber gearbeitet. Inwiefern hat Ihnen dieser Job für die Rolle des Bestatters geholfen?
Ich habe gelernt, dass auf Friedhöfen eine spezielle Stimmung herrscht, dass es gleichzeitig aber ein sehr ruhiger und schöner Ort ist. Auch als Taxifahrer hatte ich schon mit Friedhöfen zu tun. Einmal musste ich einen Fahrgast bei einem Friedhof abholen. Also fuhr ich hin und rief laut «Taxiii!». Das war mir dann schon etwas unangenehm. Oder als ich mal auf einem Friedhof joggen war, da sah ich plötzlich eine weinende Frau an einem Grab, und mir wurde bewusst: Du «blöde Tubu», hier gehört sich das Herumrennen doch nicht!
Aber Sie drehen einen TV-Krimi auf Friedhöfen…
Es ist uns im Filmteam immer bewusst, dass es hier Trauernde gibt und wir uns nicht so danebenbenehmen können, wie wir es sonst tun, um eine lockere Stimmung zu schaffen. Das schnallt jeder - und wer es nicht schnallt, dem wird es dann schnell gesagt.
Jeden Sonntag moderieren Sie zusammen mit Viktor Giacobbo die Satriesendung «Giacobbo/Müller». Wenn es um die Publikumsgunst geht, scheinen Sie die Nase vorn zu haben…
Ach, manche mögen den einen, manche den anderen mehr. Wir sind gerne zu zweit. Und auch das scheinen ein paar Leute zu mögen.
Viele sähen es auch gerne, wenn Sie mal den Studiogast interviewen würden.
Bei einem Talk hat einer den Lead; man kann nicht zu zweit auf einen Gast losgehen. Ich finde, Viktor macht das saugut. Und ich muss mich auch mal ausruhen.
Was, wenn es mal keine Streicheleinheiten vom Publikum gibt?
Ich habe auch schon Sachen gegen den Baum gefahren. Im Kino wie im Theater. Wenn man scheitert, wenn man sich in etwas verliebt, und die Kollegen finden es nicht gut - das ist schon frustrierend. Aber «Giacobbo/Müller» ist diesbezüglich eine gute Schule. Wir schreiben unsere Sketche ja selbst - und jeder Text geht durch die Wäsche. Es wird mir dann also ganz deutlich gesagt, wenn etwas nicht gut ist.
Fühlen Sie sich dann gekränkt?
Nein, das gehört zum Tagesgeschäft und ist überhaupt nicht schmerzhaft für mich. Wenn man Kritik nicht erträgt, hat man den falschen Job. Es gibt einen schönen Spruch, den ich mal bei meinem Kollegen Patrick Frey im Atelier gelesen habe: «Das Bessere ist der Feind des Guten.»
Schauen Sie sich eigentlich selber an im Fernsehen?
Puh!… Teilweise schon, teilweise nicht. Sich selber zuzusehen, ist eher anstrengend. Ich sehe immer nur Fehler und finde, ich sollte schneller spielen oder gewisse Dinge besser machen…
Sie sehen sich aber schon auch gerne?
(Überlegt lange.) Wenn ich von aussen draufschaue, finde ich es natürlich immer schrecklich! Es gibt ja eine Form von Eitelkeit, bei der man vor allem gut aussehen möchte. Da habe ich es jetzt ein bisschen schwer. Ich bin übergewichtig. Ich könnte viel sportlicher sein. Dann wäre ich ein attraktiverer Mann. Aber dann gibt es auch die berufliche Eitelkeit, dass man einfach gerne gut wäre. Das kann auch heissen, dass man sich als Schauspieler in Situationen bringt, in denen man nicht gut aussieht, aber interessant ist. Ich mache nun nicht einfach aus einer Not eine Tugend - das ist auch bei gut aussehenden Schauspielern so.
Sie halten sich also nicht für attraktiv?
Nein. Ich fände mich attraktiv, wenn ich schlanker wäre. Es sähe besser aus und wäre gesünder. Mühe, mich selbst anzuschauen, habe ich aber nicht deshalb, weil ich zu dick bin, sondern weil ich meine Rolle vielleicht nicht so gut gespielt habe.
Viktor Giacobbo macht immer wieder Ihren Bauch zum Thema. Das nervt doch…
Würde mich das jedes Mal treffen, wäre ich ein Wrack! Seit Jahren machen wir dieses Spässchen schon in unserer Sendung. Immer wieder wird das Foto von meinem nackten Oberkörper gezeigt. Ich entscheide übrigens immer mit, wenn dieses Bild kommen soll.
Haben Sie denn schon mal versucht, abzunehmen?
Immer wieder. Aber nie mit Diäten. Ich habe einfach versucht, weniger zu essen und mehr Sport zu machen. Das klappt auch immer wieder, es ist schliesslich nur eine Frage der Disziplin. Aber irgendwann denke ich: Ach komm, leck mich doch am Arsch! Und dann esse ich wieder zu viel. Ich finde halt, dass Essen etwas sehr Schönes ist. Nur mit der Menge habe ich es nicht so im Griff.
Bei was greifen Sie denn besonders gerne zu?
Bei so ziemlich allem - ausser kandierten Früchten. Die dümmste Kreation, die es seit Erfindung der Nahrung gibt.
Haben Sie noch andere Laster?
Rauchen. Leider. Mein grösstes und dümmstes Laster. Es stinkt und ist für die Gefässe ein kompletter Blödsinn. Was sehr schade ist, denn ich rauche wahnsinnig gerne.
Sie sollen eine bildschöne junge Freundin haben. Wie haben Sie ihr Herz gewonnen?
Es waren die üblichen Tricks, die Männer eben so draufhaben - und die sie einer Frau nie und nimmer verraten würden! (Lacht.)
Wenn es ums Privatleben geht, ziehen Sie den Vorhang zu. Weil Sie als Satiriker jede Woche die Hose runterlassen - oder zumindest das Hemd?
Bei «Giacobbo/Müller» sieht man tatsächlich viel von mir und meiner Art. Unser Job hat ja auch etwas Nuttenhaftes. Das ist jetzt ein hässlicher Ausdruck. Aber unter Komikern heisst es: Für einen guten Gag verkaufst du deine eigene Grossmutter. Man verkauft das, was man hat. So ist das auch bei mir.
Können Sie über Ihre eigenen Witze bei «Giacobbo/Müller» noch lachen?
Nein. (Überlegt kurz.) Doch! Über die spontanen Sachen. Wenn Viktor und ich improvisieren - dann kann es tatsächlich passieren, dass wir auch noch im Nachhinein darüber lachen müssen.
Seit 2008 moderieren Sie an der Seite von Viktor Giacobbo. Jetzt spielen Sie die Hauptrolle in «Der Bestatter» - im Hauptabendprogramm und ganz ohne Giacobbo…
(Lacht.) Ich finde es nicht deshalb super, weil Viktor nicht dabei ist. Wir arbeiten sehr viel und sehr gerne zusammen. Aber die Hauptrolle in einer Serie zu spielen, die man selbst toll findet, ist natürlich grossartig. Mir gefällt die Rolle. Und mir gefällt es, auf dem Set die Verantwortung als Hauptdarsteller zu haben. Das passt mir. Und ich bin jetzt auch alt genug dafür!
«Der Bestatter» 2. Staffel, seit dem 7. Januar, jeweils dienstags um 20.05 Uhr auf SRF 1