«Was für ein Tier wärst du?», will Laura Zimmermann, 27, von Benjamin Fischer, 27, wissen, als sich dieser im Museum für Gestaltung in Zürich auf die Couch legt. «Ein Fabelwesen. Und du?» – «Heute ein Polarfuchs.» Was den Präsidenten der Jungen SVP aber mehr interessiert: «Warum haben fast alle Frauen in der Politik kurze Haare?» Die Co-Präsidentin von Operation Libero lacht und kontert: «Vielleicht, damit ihr Männer uns ernster nehmt.»
Laura Zimmermann gilt als Albtraum der SVP. Hatten Sie wegen ihr schon schlaflose Nächte, Benjamin Fischer?
Nein, Laura ist noch nie in meinen Träumen vorgekommen (lacht).
Mit dem Nein zur Selbstbestimmungsinitiative hat sie Ihnen aber schon schwere Stunden bereitet.
Benjamin Fischer: Das war nicht die Operation Libero allein. Bei dieser Initiative haben alle Parteien gegen die SVP gekämpft.
Laura Zimmermann: Da stimme ich Beni sogar zu. Das Nein ist allen Parteien, Organisationen und Einzelpersonen zu verdanken, die sich wehrten. Wir sind nicht einfach gegen die SVP, sondern für das Chancenland Schweiz.
Fischer: Sie ist ein Chancenland!
Zimmermann: Cool, siehst du das auch!
Fischer: Wobei ich komisch finde, dass ihr etwas verwirklichen wollt, was schon verwirklicht ist. Und von wegen nicht gegen die SVP! Die Operation Libero will bei allen Parteien Anschluss finden, ausser bei der SVP.
Zimmermann: Ich glaube, wir haben einen SVPler bei der Operation Libero.
Fischer: Ha, ein Trojaner? Den musst du mir vorstellen!
Zimmermann: Mach ich gerne.
Fischer: Operation Libero setzt sich bei den Themen ein, bei denen alle gegen die SVP sind. Bei ganz vielen anderen Themen hält sie sich raus. Das ist feige!
Zimmermann: Ist es nicht. Wir sehen uns wie der Libero im Fussball, der den entscheidenden Pass spielt oder einen Angriff abwehrt. Und da die SVP unseren Rechtsstaat oft angreift, mussten wir viel Abwehrarbeit gegen sie betreiben.
Die Operation Libero sucht Nationalräte per Zeitungsinserat. Werdet ihr 2019 zur Partei?
Nein. Es gibt ein breites Spektrum an Politikerinnen in verschiedensten Parteien, die unsere Themen vertreten. Wir wollen die Mitte nicht mit einer zusätzlichen Partei spalten. Unser Ziel 2019 ist es, progressive Kandidaturen gezielt zu fördern.
Fischer: Progressiv? Die grösste Übereinstimmung habt ihr doch mit der SP.
Zimmermann: Bist du neuerdings Politologe?
Und Sie kandidieren nächsten Herbst, Benjamin Fischer?
Ja, ich will Verantwortung übernehmen. Ich bin seit elf Jahren aktiv in der Politik, in der Gemeinde und im Kantonsrat. Dort sehe ich, dass man viele künftige Probleme nur auf nationaler Ebene lösen kann. Allerdings finde ich, dass die Arbeit in den Gemeinden zu wenig wertgeschätzt wird.
Zimmermann: Da stimme ich dir zu. Mein Vater engagierte sich neben seinem Job für die FDP in unserer Wohngemeinde Konolfingen BE im Gemeinderat.
Wurde bei Ihnen am Familientisch politisiert?
Zimmermann: Wir haben immer viel diskutiert, vor allem im Teenie-Alter. Aber nicht nur über Politik. Hart diskutiert habe ich zum Beispiel darüber, wie lange ich in den Ausgang darf (lacht).
Was war denn die politische Initialzündung?
Als ich 18 Jahre alt wurde, hat die Schweiz die Minarettinitiative angenommen, ein Jahr später kam das Ja zur Ausschaffungsinitiative. Dass man sich bis tief in die bürgerliche Mitte von der – das muss ich zugeben – guten SVP-Kampagne angesprochen fühlte, hat mich aufgerüttelt. Die Initialzündung war die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative.
Und bei Ihnen, Herr Fischer?
Ich bin auf einem kleinen Bauernhof aufgewachsen. Mein Vater hörte über Mittag Radio DRS. So wussten wir immer, was auf der Welt läuft. Meine Eltern waren stark im Vereinsleben engagiert, mein Vater etwa als Feuerwehrkommandant. Verantwortung zu übernehmen und sich zu engagieren – das habe ich sicher von zu Hause mitbekommen.
Wieso haben Sie sich für die SVP entschieden?
Weil sie die Partei ist, die das bestmögliche Staatssystem verteidigt. Ich bin nicht konservativ, weil ich aus Prinzip Altem nachhänge, sondern weil ich überzeugt bin, dass die Schweiz ein Zukunftsmodell ist. Dieses Modell der direkten Demokratie und des Föderalismus ist in Gefahr. Und die Operation Libero ist Teil dieser Gefahr.
Zimmermann: Oh, oh! Deine Partei will einfach nicht wahrhaben, dass sich die Welt in den letzten 25 Jahren verändert hat. Die Globalisierung wird nicht verschwinden, wenn ihr euch hinter die eigenen Mauern zurückzieht.
Fischer: Das ist Blödsinn, die Schweiz ist eines der am meisten vernetzten Länder der Welt, aber die politische Souveränität müssen wir uns bewahren!
Ihr seid beide sehr engagiert. Ist das typisch für die Jugend heute?
Fischer: Es gibt solche, die sind politisch sehr interessiert …
Zimmermann: … ja, und andere, die sich vor allem damit beschäftigen, ob ihr Zalando-Päckli rechtzeitig ankommt oder ihre Bilder auf Instagram gut aussehen. Ein bisschen weniger Yoga und Healthy Food und dafür mehr Interesse an unserer Demokratie läge bei einigen schon drin.
Wie sieht es denn im persönlichen Umfeld aus?
Fischer: Ich habe noch einen Freundeskreis von früher. Mit denen rede ich weniger über Politik.
Zimmermann: Sprechen sie dich nicht immer darauf an?
Fischer: Nein. Auch mit meiner Verlobten spreche ich nicht immer über Politik. In den nächsten Monaten wohl noch weniger. Ich werde im Februar Vater.
Zimmermann: Jöh, gratuliere!
Wir gratulieren auch. Was wirds?
Fischer: Wir wissen es – aber das bleibt noch unter uns.
Sind Kinder schon ein Thema bei Ihnen, Frau Zimmermann?
Nein. Ich habe gerade meinen Job als Juristin an der Uni Zürich gekündigt. Dann bin ich auf dem Landweg durch Italien und Griechenland gereist. Ich habe es genossen, Bücher zu lesen und mit Freunden zu philosophieren. Heute arbeite ich für eine Kommunikationsagentur und habe schon jetzt das Gefühl, mein Tag hat zwölf Stunden zu wenig. Darum: Respekt, Beni. Wirst du eigentlich Papi-Tage einziehen?
Fischer: Meine Partnerin will für die Familie da sein und höchstens Teilzeit arbeiten. Das war ihr Entscheid, den ich schätze. Diesbezüglich ist meine Mutter ein grosses Vorbild. Sie hat sich um sechs Kinder gekümmert, auf dem Hof geholfen und einen Tag pro Woche als Klavierlehrerin gearbeitet.
Zimmermann: Mein Mami war auch lange zu Hause da für uns Kinder – ein grosses Privileg. Wichtig finde ich, dass Frauen eine Wahl haben. Und sich danach nicht für ihre Entscheidung rechtfertigen müssen.
Fischer: Ich wäre durchaus bereit, einen Teil der Betreuung zu übernehmen, wenn meine Partnerin das fordern würde.
Meine Mutter hat sich um sechs Kinder gekümmert, auf dem Hof geholfen und einen Tag pro Woche als Klavierlehrerin gearbeitet
Sind Sie für den Vaterschaftsurlaub?
Fischer: Nein. Das ist eine Sache zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Man kann Ferien nehmen oder unbezahlten Urlaub.
Zimmermann: Ich bin für ein Modell, das beide Elternteile gleich nutzen können – wie in Deutschland mit der Elternzeit.
Fischer: Wer zahlt das? Der Staat? Bei einem Grossunternehmen ist das vielleicht möglich. Kleine Unternehmen auf dem Land hätten aber grosse Mühe damit.
Braucht es eine Frauenquote?
Fischer: Wir bei der SVP machen keine Frauenförderung – weil es keine braucht. Ich erlebe oft, dass sich Unternehmen bei gleichwertigen Bewerbungen für die Frau entscheiden.
Zimmermann: Per se bin ich auch nicht für die Frauenquote. Doch langsam werde auch ich radikaler, weil ich immer mehr Ungerechtigkeiten erlebe.
Zum Beispiel?
Wenn ich mit älteren Männern diskutiere, kommt fast immer der Satz: Sie meinen es ja schon gut, aber Sie sind halt noch ein bisschen naiv und haben keine Ahnung, wie die Welt funktioniert.
Fischer: Laura! Weisst du, wie oft ich genau das zu hören bekomme? Im Kantonsrat haben mir ältere Kollegen auch schon gesagt, ich solle mir erst einen Bart wachsen lassen, dann könne ich mitreden.
Zimmermann: Aber bei dir kommentiert niemand dein Aussehen oder deine Kleider. Das ist der kleine, aber feine Unterschied. Wir hatten in der Schweiz eine jahrhundertelange Kultur der Männerdominanz. Jetzt haben viele Angst, dass sich das ändert.
Fischer: Ich kenne viele selbstbewusste Frauen – im Militär, in der Politik, der Privatwirtschaft. Und ich habe überhaupt keine Angst.
Was macht Ihnen im Alltag Sorgen?
Fischer: Alles wird teurer: Steuern, Krankenkassenprämien, Sozialversicherungen. Die Jungen müssen immer mehr einzahlen und haben keine Garantie, dass sie jemals etwas von dem Geld sehen.
Zimmermann: Aber wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff bekommen, nützt alles andere nichts! In den Abstimmungskämpfen macht mir der zunehmend raue Ton Sorgen. Es gewinnt, wer am lautesten schreit.
Fischer: In letzter Zeit habt ihr am lautesten geschrien.
Zimmermann: Also Beni! Keine künstliche Bescheidenheit bei euch von der SVP.
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Fischer: Vielleicht werde ich noch mehr Kinder haben, aber das ist Verhandlungssache (lacht).
Zimmermann: Ich weiss nicht einmal, wie meine nächste Woche aussieht. Ich möchte die Welt bereisen – aber weniger mit dem Flugzeug.