Sie ist nach elf Jahren «American Dream» wieder zurück. Die bald 34-jährige Lauriane Gilliéron (sie feiert am 25. Juli ihren Geburtstag), kehrt Los Angeles den Rücken zu. Nach ihrem Amtsjahr als Miss Schweiz wanderte sie 2007 nach Los Angeles aus, um dort Schauspielerin zu werden.
In Prilly, wo die Waadtländerin aufgewachsen ist, trifft «L'Illustré» Gilliéron zum Interview.
Lauriane Gilliéron, weshalb sind Sie zurückgekehrt?
Weil ich genug von den USA hatte. Mein Leben ist eintönig geworden. Ich hatte es satt, auf eine richtige, erste Filmrolle zu warten. Es war zwar toll, Dialoge für die Serie «CSI» zu drehen, doch als Schauspielerin will man mehr. Heute arbeite ich lieber in kleinen europäischen Produktionen, anstatt sechs Monate um einen Mini-Job in Hollywood zu kämpfen. Los Angeles ist eine grossartige Stadt, aber die Kino-Industrie ist gnadenlos. Ich merkte, dass meine Zeit abgelaufen war. Ich bin bald 34 Jahre alt. Jetzt versuche ich mein Glück in Paris.
Was war der Auslöser für Ihre Entscheidung?
Es gab mehrere Gründe. Die amerikanische Filmindustrie konzentrierte sich 2016 voll auf die Kampagnen der Präsidentschaftswahl. Es gab kein Geld mehr für TV-Spots. Das war eine ziemlich üble Phase. Die Zeit vergeht ganz schön langsam, wenn man in L.A. nichts zu tun hat. In jenem Jahr drehte ich einen Pilot in Paris. Ein wenig später wurde ich für eine Rolle in der RTS-Serie «Quartier des banques» angefragt. Da merkte ich, dass ich meiner Leidenschaft in Europa nachgehen und gleichzeitig meine Familie häufiger sehen könnte. Die Idee der Rückkehr wuchs immer weiter - und mich hielt auch keine Liebesbeziehung mehr zurück. Trumps Wahl hat mich zusätzlich in meiner Entscheidung bestärkt. Das Land hat sich seit seiner Präsidentschaft stark verändert. Ich habe mich dort nicht mehr zu Hause gefühlt, sondern wie eine Ausländerin.
Jahrelang konnten Sie sich eine Rückkehr aber nicht vorstellen.
Ich hatte auch einen Freund und Pläne mit ihm. Europa war weit weg. Meinen Traum in Hollywood leben zu können, wollte ich nicht so schnell aufgeben. Aber meine Meinung änderte sich schleichend. Vergangenen November beschloss ich, zurückzukommen. Mein Mietvertrag endete am 31. März. Am selben Tag flog ich mit meinen fünf Koffern und drei Katzen in die Schweiz.
Was war das Schwierigste während diesen Jahren in den USA?
90 Prozent der Zeit strampelte ich mich ab, um am Schluss doch nur Absagen zu kassieren. Ich begann, meine Familie und Freunde zu vermissen. Enttäuschungen sind noch schwerer zu ertragen, wenn man von seinen Liebsten getrennt ist. Ob das Leben in Paris besser sein wird, weiss ich nicht. Doch wenigsten bin ich näher bei meiner Familie.
Ich fühlte mich wie ein Stück Fleisch, das niemand wollte.
Haben Sie sich manchmal einsam gefühlt?
Ich habe kein Problem damit, allein zu sein. Ich reise gerne allein, gehe in Restaurants oder ins Kino. Die Isolation im Job hat mir jedoch Mühe bereitet. Ich hätte mir manchmal gewünscht, jemanden aus der Branche zu kennen, der mich beraten und mir geholfen hätte.
Hat Sie das frustriert?
Ja, total. Nicht der Job, aber die Umstände. Ich fühlte mich wie ein Stück Fleisch, das niemand wollte. Schauspielerinnen sind in Hollywood ganz einfach austauschbar. Wir werden dauernd auf unser Äusseres reduziert. Die Situation wäre vielleicht erträglicher gewesen, wenn sich Engagements ergeben hätten. Aber wie ein Nutztier behandelt zu werden, ohne Erfolge feiern zu können, ist schrecklich.
War das etwas, das Sie nicht erwartet hätten, als Sie sich in dieses Business stürzten?
Den Filz und die sexuelle Belästigung? Nein. Ich war vielleicht naiv, aber dieses Ausmass hätte ich wirklich nicht erwartet. Mit 22 lebte ich noch in einem behüteten Umfeld. Klar, ich spürte Blicke von Männern. Aber Belästigung erlebte ich nie. In Los Angeles wurde ich sofort damit konfrontiert.
Ich bin daran gewachsen und habe gelernt, mit Enttäuschungen und Frustration umzugehen.
Wurden Sie Opfer von sexueller Belästigung?
Ja. Sie werden keine Schauspielerin finden, die es nicht ist. Oder nur solche, die nicht darüber sprechen wollen. Ich will meine Erlebnisse auch nicht breittreten, denn das nützt weder mir noch sonst jemandem etwas. Aber ich kann sagen, dass mich Produzenten zu Abendessen eingeladen und die schillerndsten Jobs angepriesen haben. Diese Männer mit Macht und Einfluss spielen mit den Träumen junger Frauen. Ich kann verstehen, dass einige in ihre Fallen tappen. Das fängt ganz harmlos mit einem Abendessen an und endet dann in einem Fall Weinstein. Aber dieser Mann repräsentiert nur die Spitze des Eisbergs. Ihn habe ich zwar nie getroffen, dafür andere. Von denen ist aber keiner aufgeflogen. Trotz der #MeToo-Debatte hat sich an diesen Praktiken in Hollywood nichts geändert.
Haben Sie das Gefühl, in Hollywood gescheitert zu sein?
Ich habe nicht jene Rollen gespielt, die ich mir gewünscht hätte. Doch ich habe alles gegeben. Ich kehre gestärkt zurück, reich an unglaublich viel Erfahrung. Elf Jahre lang habe ich in der Hauptstadt des Kinofilms gearbeitet. Ich hätte mir keine bessere Ausbildung erträumen können. Ich bin daran gewachsen und habe gelernt, mit Enttäuschungen und Frustration umzugehen.
Gibt es Dinge, die Sie heute anders machen würden?
Ich würde mir mehr Zeit zum Leben nehmen. Ich bereue manchmal, dass ich mit meinen Eltern nicht herumgereist bin, als sie mich besuchten. Ich habe viel Zeit damit verbracht, auf Anrufe meines Agents zu warten. Hatte dauernd Angst, eine Gelegenheit zu verpassen. Aber das ist Teil des Spiels. Man muss sofort reagieren können und verfügbar sein.
Was wird Ihnen fehlen?
Ehrlich gesagt, gar nichts. Im Juni bin ich noch einmal nach L.A. gereist, um letzte Dinge zu regeln. Ich verspürte überhaupt keine Wehmut oder Nostalgie. Es fehlte mir rein gar nichts.
Galerie: Die Missen seit 1977
Nicht einmal Freunde?
Nach elf Jahren Los Angeles habe ich einen einzigen wahren Freund dort gefunden. Und der ist ein Europäer! Ich hatte viele Kollegen und Bekanntschaften. Viele habe ich immer wieder gerne gesehen. Man knüpft Kontakte, aber das ist alles nur Schall und Rauch. Wenn du wieder zu dir nach Hause gehst, bist du allein. Ich fühlte mich dort immer fremd. Auch nach all den Jahren. Deswegen war mir wohl auch nie nach Heiraten oder Kinderkriegen zumute. Das war übrigens auch einer der Gründe, weshalb ich mich von meinem dortigen Freund trennte: Er wollte eine Familie gründen.
Wäre es hier eine Option?
Ich bin mir nicht sicher. Ich habe weder ein Verlangen nach einer kleinen Version von mir, noch sehne ich mich nach einer Schwangerschaft. Vielleicht werde ich sogar ein Kind adoptieren. Ganz ehrlich, ich weiss es nicht. Ich lasse mich einfach mal treiben. Vielleicht treffe ich eines Tages die Person, mit der ich mir das vorstellen kann.
Sie sind mit Ihrem Miss-Schweiz-Check von 100'000 Franken abgereist. Sind Sie reicher zurückgekommen?
Nein, mit viel weniger! Für den Moment reicht mein Erspartes noch aus. Und wenns nicht mehr geht, suche ich mir halt einen kleinen Job.
Sie geben Ihren Traum von der Schauspielerei nicht auf?
Nein. Elf Jahre musste ich mir diese Frage nun anhören. Es gibt kein Ablaufdatum für meinen Traum! Ich mache so lange weiter, wie es mir gefällt. Vielleicht werde ich ja mal andere Träume haben, wer weiss? Aber für den Moment ist das nicht der Fall. Von Paris träume ich schon lange. Deshalb gehe ich nun dorthin.
Warum sind Sie nicht von Anfang an nach Paris statt nach Los Angeles gegangen?
Ich weiss nicht. Ich war 22 Jahre alt und hatte gerade ein intensives Jahr als Miss Schweiz hinter mir. Ich wollte weit weg gehen, um mich von diesem Image zu lösen. Paris schien mir damals noch zu nah dafür.
Was planen Sie als Nächstes?
Jetzt pendle ich gerade zwischen Paris und hier, absolviere Praktika, treffe meinen Agenten und Casting-Verantwortliche. Dann sollte ich mir eine Wohnung in Paris suchen. Bis dahin miete ich etwas Kleines in Prilly VD.
Macht es Ihnen nicht Angst, wieder von vorne anzufangen?
Klar, aber ich freue mich auf das neue Kapitel. Was auch immer kommen mag, ich packe das. An Mut mangelt es mir nicht. Sonst hätte ich es nicht geschafft, mit 22 ganz allein nach Hollywood zu ziehen. Wenn ich in einer Sackgasse lande, ziehe ich einfach weiter. Unsicherheit hat mich noch nie gelähmt. Was ich wirklich fürchte, ist etwas zu bereuen. Also stürze ich mich einfach drauf los.